Schlacht von Alcácer-Quibir

Schlacht von Alcácer-Quibir
Schlacht von Alcácer-Quibir (Darstellung von 1629)

Die Schlacht von Alcácer-Quibir fand im Jahr 1578 zwischen portugiesischen Truppen unter dem Kommando Königs Sebastian I. und marokkanischen Truppen unter dem Befehl Sultans Abu Marwan Abd al-Malik bei Alcácer-Quibir (arabisch ‏القصر الكبير‎, DMG al-Qaṣr al-Kabīr, spanisch: Alcazarquivir) im heutigen Marokko statt. Die Schlacht endete mit einer vernichtenden portugiesischen Niederlage.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Portugals Stützpunkte in Marokko

Das Portugiesische Königshaus im 16. Jahrhundert

In Lissabon hatte 1557 Sebastian I. nach dem Tod seines Großvaters Johann III. den Thron bestiegen. Da er zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig war, stand er zunächst unter Regentschaft, übernahm dann aber 1568 selbst die Regierung. Der junge König lebte in einer Traumwelt, angefüllt mit anachronistischen mittelalterlichen ritterlichen Idealen. Sein großes Ziel war es, Portugal um ein großes nordafrikanisches Reich zu erweitern. Sebastian fühlte sich damit als Nachfolger der Kreuzfahrer und Vollender der spanischen Reconquista, mit der Mission, auch Marokko endgültig von den Sarazenen zu „befreien“. Schon Sebastians Vorgänger - Johann III. - hatten begonnen, an der marokkanischen Atlantikküste über ein Dutzend Festungen und Städte zu annektieren. Diese als Algarve jenseits des Meeres bezeichneten Stützpunkte gingen jedoch ab 1541 fast alle wieder verloren.

Portugiesische Kreuzzugspläne

Mit der Entdeckung des Seewegs um Afrika herum nach Indien hatte Portugal auch nach dem legendären Reich des Priesterkönigs Johannes gesucht. Seit dem Konzil von Florenz sahen die Portugiesen Äthiopien als des Priesterkönigs Nachfolgereich an und hofften, zusammen mit Äthiopien, das unter Kaiser Zara Yaqob 1450 sogar einer Kirchenunion zugestimmt hatte, einen Kreuzzug gegen Ägypten unternehmen zu können. Nachdem die Portugiesen sich am Ausgang des Roten Meeres festgesetzt hatten (1505 Sokotra, 1513 Aden, 1520 Massaua), hatte Afonso de Albuquerque 1516 den tollkühnen Plan entworfen, Mekka zu erobern, um es gegen Jerusalem eintauschen zu können.[1] Tatsächlich kämpften 1543 Äthiopier und Portugiesen unter Vasco da Gamas Sohn Christoph erfolgreich gemeinsam gegen eine muslimische Invasion aus dem Sultanat Adal, doch inzwischen hatten die türkischen Osmanen die Herrschaft über Jerusalem, Ägypten und Mekka übernommen sowie schließlich 1548 Aden und 1557 auch Massaua zurückerobert.

Jerusalem war auch Sebastians eigentliches Endziel. Er glaubte fest daran, von Gott ausgewählt worden zu sein, Jerusalem zu befreien und war entschlossen, sich nach der Eroberung Marokkos entlang der nordafrikanischen Küste unter dem Schutz der portugiesischen bzw. einer verbündeten abendländischen Flotte bis in das inzwischen von den Osmanen kontrollierte Heilige Land durchzuschlagen.[2]

Spanisch-osmanische Kämpfe um die Vorherrschaft im Mittelmeer

Die Schlacht von Alcazarquivir kann auch als ein Teil der großen Auseinandersetzung zwischen den Osmanen und den christlichen Anrainerstaaten um die Vorherrschaft im Mittelmeer betrachtet werden, die in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts geführt wurde. Schon 1511 waren die Spanier mit dem Versuch gescheitert, die tunesische Insel Djerba zu erobern. 1529 verloren sie auch ihre Vorposten am Hafen von Algier. 1534 fiel Tunis (erstmals) an die Osmanen und - obwohl die Spanier Tunis mit portugiesischer Hilfe 1535 nochmals zurückerobern konnten (Tunisfeldzug) - 1551 auch Tripolis. Das Landungsunternehmen der osmanischen Flotte auf der Insel Malta endete dagegen 1565 mit einem Sieg der christlichen Verteidiger und bewirkte in ganz Europa eine neue Kreuzzugsinitiative, die auch den portugiesischen König Sebastian beflügelte. Die Seeschlacht von Lepanto von 1571 verschaffte den Spaniern im Bündnis mit der Republik Venedig eine Chance, die bereits an die Osmanen verloren gegangenen Inseln in der Ägäis (beispielsweise Rhodos) und im östlichen Mittelmeer (Zypern) zurückzuerobern, was jedoch nicht gelang. Bereits kurz nach den Siegen von Malta und Lepanto 1574 fiel auch Tunis endgültig in osmanische Hand.

Zehnjährige Vorbereitungszeit

König Sebastian

Bereits 1568 begann Portugal, sich auf eine Intervention in Marokko vorzubereiten. Diese offensive Politik wurde nicht nur von den portugiesischen Handelsherren gewünscht und unterstützt, die sich damit Vorteile im Handel mit den afrikanischen Reichen im Zentrum des Kontinentes erhofften. Auch der portugiesische Adel unterstützte diese Pläne uneingeschränkt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren portugiesische Militäraktionen in Nordafrika auf kleine Expeditionen und Raubzüge beschränkt. Im Jahre 1574 führte Sebastian einen ersten durchaus erfolgreichen Überfall auf Tanger, der ihn ermutigte, gegen den neuen Herrscher Saadian von Marokko in den Krieg zu ziehen.

Vorbereitung einer Invasion Irlands durch Thomas Stukley

Unmittelbar vor den Ereignissen in Marokko hatte König Sebastian mit dem irischen Rebellen Thomas Stukley ein gewagtes Unternehmen vereinbart, dass die Eroberung der Insel Irland zum Ziel haben sollte, daher waren zu diesem Zweck bereits etwa 2000 Söldner und Abenteurer aus dem Königreich Kastilien, Flandern, Deutschland und Italien nach Portugal gekommen. Doch England galt als traditioneller Verbündeter Portugals. Das bereitstehende Söldnerkontingent war statt dessen sofort bereit, in der Hoffnung auf reiche Beute, sich am Feldzug nach Marokko zu beteiligen. Auch Stukley konnte Sebastian schließlich überreden, galt doch Marokko als Verbündeter von Stukleys Feind England.

Marokkanischer Thronstreit

Der Vorwand für den portugiesischen Einfall nach Marokko war ein Thronstreit im Sultanat von Fes. Abu Abdallah Mohammed II. Saadi, hatte sich an den portugiesischen König gewandt, denn sein Onkel hatte sich zum neuen Sultan von Marokko ernennen lassen und damit ihn um seinen Thronanspruch gebracht. Abu Abdallah selbst war zu schwach, um mit eigenen Anhängern gegen seinen Onkel militärisch opponieren zu können. Dieses Vorhaben verschleierte der Gesandte Abu Abdallahs, indem er auch auf eine Bedrohung der portugiesischen Stützpunkte und des portugiesischen Seehandels verwies, die der neue Sultan als ein erklärter Feind der Christenheit angreifen müsse.

Verlauf

Ahmed al Mansur

Der Feldzug begann am 24. Juni 1578 mit einer verheißungsvollen Ansprache des portugiesischen Königs vor den versammelten Truppen, daraufhin segelte man mit 500 Schiffen nach Arzila, einem wichtigen Stützpunkt im portugiesisch besetzten Teil Marokkos, wo sich zeitgleich Abu Abdallah mit seinen maurischen Anhängern und weiteren 6.000 alliierten Truppen einfand.
Auf der Gegenseite sammelte der marokkanische Emir, dem die Kriegsvorbereitungen seiner Gegner nicht entgangen waren, alle verfügbaren Truppen, die durch osmanische Janitscharen verstärkt wurden, und rief den Heiliger Krieg aus. Zu diesem denkbar ungünstigen Zeitpunkt erkrankte der Sultan schwer.
Die beiden Armeen näherten sich einander in der Nähe von Alcácer-Quibir, und lagerten zu beiden Seiten eines Flusses. Am 4. August 1578 stellten sich dort die verbündeten portugiesischen und maurischen Truppen in Schlachtordnung auf. Der Sultan hatte auf der anderen Seite 10.000 Reiter auf den Flügeln aufgestellt, das Zentrum seiner Truppen bildeten Mauren, die von aus Spanien vertrieben Muslimen abstammten und die ein besonderer Hass gegen die Christen einte. Trotz seiner Krankheit weilte der Sultan unter seinen Truppen.

Die Schlacht begann mit der üblichen Kanonade, gefolgt von den Gewehrsalven der Musketiere. Thomas Stukley, der Befehlshaber des portugiesischen Zentrums, wurde dabei durch eine Kanonenkugel getötet. Die osmanischen Janitscharen begannen die zweite Phase der Schlacht mit einem Frontalangriff auf die portugiesischen Reihen. Die Flanken der portugiesischen Armee wurden zeitgleich von den maurischen Reitern angegriffen und schließlich wurde das Zentrum der Allianz-Streitkräfte eingekesselt. Der Kampf war nach etwa vier Stunden beendet und führte zur totalen Niederlage der Portugiesen und der verbündeten Truppen Abu Abdallahs. Sie verzeichneten über 9.000 Tote, darunter viele prominente portugiesische Adelige. Nur 100 Portugiesen gelang die Flucht an die Küste, der größte Teil der Streitmacht, etwa 16.000 Mann, wurde gefangengenommen.
In den heftigen Kämpfen kam König Sebastian zu Tode, Abu Abdallah versuchte zu fliehen, wurde aber in den Fluss zurückgedrängt und ist dort ertrunken. Auch Sultan Abd al-Malik verstarb noch während der Schlacht, jedoch eines natürlichen Todes. Als mögliche Todesursache wurde Herzversagen angenommen.

Historiker bewerteten den Ausgang der Schlacht als Folge einer übereilten und planlosen Strategie des im Kriegsgeschehen noch unerfahrenen portugiesischen Königs. Das Hauptproblem dieser Streitmacht war die fehlende Kommunikation ihrer Einheiten, die keine gemeinsamen und aufeinander abgestimmten Operationen durchführen konnten. Erschwerend war auch der Umstand, dass die Schlacht im Hochsommer stattfand. Hitze und Durst lähmten die Kampfkraft der Europäer.

Daten

  • Auf portugiesischer Seite: 18.000 Portugiesen (darin eingerechnet die 2.000 Mann europäischer Hilfstruppen des Thomas Stuckley) und die 6.000 Muslime Abu Abdallah - in Summe fast 24.000 Kämpfer und 40 Kanonen. Nach der Schlacht zählte man 15.000 Gefangene, 8.000 Tote der Rest - weniger als 1000 Personen - konnte entkommen.
  • Auf marokkanischer Seite: 25.000 marokkanische Kämpfer, verstärkt durch 15.000 osmanische Janitscharen - in Summe 40.000 Kämpfer und 34 Kanonen, die dem Sultan von den Osmanen zugeführt wurden. Angaben zu Verlusten sind nicht bekannt.

Auswirkungen

  • Mit dem Tod Sebastians wurde Heinrich I. als letzter Spross aus dem Hause Avis zum portugiesischen König gekrönt. Mit dessen frühen Tod gelangte Portugal in die Hände der spanischen Habsburger, die die Nachfolge antraten und Portugal seine Unabhängigkeit für 60 Jahre an Spanien verlor.
  • Um die zahlreichen prominenten Gefangenen auslösen zu können, musste ein bedeutender Teil des portugiesischen Staatsschatzes an die Marokkaner abgegeben werden. Dies schwächte die bis dahin floriende Wirtschaft enorm.
  • Die etwa 500 Segelschiffe, die bei der Truppenverlegung nach Afrika im Einsatz waren, gingen ebenfalls verloren, damit fehlte die Voraussetzung für die koloniale Erschließung der Überseegebiete Portugals, da das Land kurzfristig keinen Ersatz an Schiffen in diesem Umfang nachbauen konnte.
  • Innerhalb der portugiesischen Gesellschaftsstruktur fehlte ein bedeutender Teil der adeligen Elite, die auf dem Schlachtfeld verblutete. Das Trauma der Schlacht wurde zu einer nationalen Katastrophe.

Sonstiges

  • In Portugal wurde der Tod des jungen Königs zum Anlass von Mythen und Legenden. Da sein Leichnam verschollen blieb, erzählte man sich, er würde in einer Anderswelt weiterleben, um den Portugiesen in späteren Zeiten der Gefahr wieder zu Hilfe zu eilen, siehe Sebastianismus. Das im Lissaboner Stadtteil Belém gelegene Kloster Mosteiro dos Jerónimos, ist die Grablege der portugiesischen Könige. Das dort gezeigte „Grab“ Sebastians trägt die Inschrift: Conditur hoc tumulo, si vera est fama, Sebastus, Quem tulit in Libycis mors properata plagis. Nec dicas falli Regem qui vivere credit, Pro lege extincto mors quasi vila fuit.[3]
  • Die Schlacht wird auch als „Schlacht der drei Könige“ bezeichnet, denn neben Sebastian verloren auch der Saadier-Sultan Abd-al Malik sowie der von Sebastian unterstützte Prätendent Al Mutawakkil das Leben.

Einzelnachweise

  1. Walter Zöllner: Geschichte der Kreuzzüge, Seite 244. Berlin 1978
  2. Mary Vincent, Robert Stradling: Spanien und Portugal - Bildatlas der Weltkulturen, Seite 88. Bechtermünz Verlag 1997
  3. Monastero Hieronymus Belem. In: Blog Elettra Stamboulis. Abgerufen am 5. Dezember 2010.(italienisch)

Literatur

  • De Oliveira Marques, A. H.: Geschichte Portugals und des portugiesischen Weltreichs. 2001
  • Armin M. Brandt: Der Maghreb bis 1830. In: Geschichte mit Pfiff. Heft 1, Sailer Verlag, Nürnberg 1990, ISSN 0173-539X, S. 52.
  • Armin M. Brandt: Portugal: Königreich zwischen Land und Meer. In: Geschichte mit Pfiff. Heft 7, Sailer Verlag, Nürnberg 1988, ISSN 0173-539X, S. 52.
  • Luís Costa de Sousa: A Batalha dos Alcaides 1514: no apogeu da presença portuguesa em Marrocos. In: Batalhas de Portugal. 26, Tribuna da História, Lissabon 2007, ISBN 978-972-8799-65-6, S. 100.
  • Luís Costa de Sousa: Alcácer Quibir, 1578: visão ou delírio de um rei?. In: Batalhas de Portugal. 31, Tribuna da História, Lissabon 2009, ISBN 978-972-8799-60-1, S. 136.

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