Schulaussprache des Lateinischen

Schulaussprache des Lateinischen
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Die Schulaussprache des Lateinischen ist das heute in der deutschen Schule gelernte und gesprochene Latein. Es ist ein Kompromiss aus der deutschen Aussprache des Lateinischen und der wissenschaftlichen lateinischen Aussprache. Es orientiert sich an den Empfehlungen der gängigen Schulgrammatiken und der staatlichen Lehr- und Rahmenpläne und versucht für einen immer kürzer werdenden Lateinunterricht eine überschaubare praktikable Anzahl von Regeln aufzustellen, die sowohl dem Lehrer als auch dem Schüler eine gewisse Sicherheit in der Aussprache bieten.

Es gibt in Deutschland immer noch traditionell, kulturell und landschaftlich bedingte Unterschiede, die sich aber immer mehr nivellieren. Zum Beispiel wurde früher in einigen Bundesländern und auch in katholischen Gegenden das c vor den hellen Vokalen i, e und ae konsequent mittellateinisch als z ausgesprochen, heute aber hat sich die klassische Aussprache des c als k in Deutschland überall durchgesetzt. Die Aussprache kann trotzdem von Schule zu Schule, von Lehrer zu Lehrer abweichen, da die Schulgrammatiken und Lehrpläne immer noch Raum für divergierende Auffassungen und Geschmacksrichtungen zulassen. Die folgenden Regeln stellen deshalb den Querschnitt der schulischen Praxis dar:

Inhaltsverzeichnis

Grundregel der Aussprache

Im Allgemeinen deckt sich die lateinische mit der deutschen Aussprache. Vokale und Konsonanten werden deutlich getrennt gesprochen (ii = i-i, appellare = ap-pel-lare).

Besonderheiten der Aussprache

  • ae wie ä: mae = mä machten die Schafe in Rom, insulae = insulä.
  • c und ch wie k: Caesar = Käsar, Cicero = Kikero, chorus = Korus, schola = skola (in Mittellatein c vor den hellen Vokalen e, i, ä wie z: Cicero = Zizero, Caesar = Zaesar).
  • ei getrennt: de-inde, me-i, re-i.
  • eu getrennt: de-us, me-us. In Interjektionen und griechischen Wörter wie im Deutschen: heu, heuretes.
  • gn wie ng in "Engel", das erste n ist nasal und wird nicht geschrieben: mag-nus = mang-nus, ig-notus = ing-notus.
  • i im Anlaut und zwischen Vokalen wie j: iam = jam, Iulia = Julia, maior = major, Pompeius = Pompejus, eius = ejus.
  • ie getrennt: di-es.
  • oe wie ö: poena = pöna, foedus = födus.
  • ti ohne den Zischlaut z (wie im Mittellatein: na-zi-o): natio = na-ti-o, ratio = ra-ti-o, aber: etiam = et-jam (da zusammengesetzt).
  • u nach ng, q, s wie w: lingua = lingwa, equus = eqwus, suadeo = swadeo.
  • ui getrennt: mo-nu-i.
  • Zusammenfassung der Besonderheiten mit Hörbeispiel: mae, Caesar, Cicero, chorus, schola, deinde, mei, rei, deus, meus, magnus, ignotus, iam, Iulia, maior, Pompeius, eius, dies, poena, natio, ratio, etiam, lingua, equus, suadeo, monui.

Hauptregeln der Betonung

Diese ist unstrittig festgelegt und muss beim Lesen genau beachtet werden. Jedes Wort, das mehr als eine Silbe hat, bekommt einen Akzent (hier gekennzeichnet durch das unterstrichene e ). Zweisilbige Wörter werden immer auf der vorletzten Silbe betont. Erst bei Wörtern mit drei oder mehr Silben kann Unsicherheit auftreten, die aber leicht durch die Beachtung der Betonungsregel (Paenultimagesetz) beseitigt werden kann. Die Betonung ist durch die Quantität (Länge oder Kürze) der vorletzten Silbe (paenultima syllaba) festgelegt. Mit diesem Anhaltspunkt kann die Betonung jedes lateinischen Worts sofort genau ermittelt werden. Dazu gibt es fünf Regeln:

Für alle Wörter gilt:

  • 1. Betone nie die letzte Silbe!

Zweisilbige Wörter werden also immer auf der vorletzten Silbe betont: mū-rus, co-lor.

Für drei- und mehrsilbige Wörter gilt:

  • 2. Betone die vorletzte Silbe, wenn sie lang ist (a-m-ī-cus, fe-nes-tra)!
  • 3. Betone die drittletzte Silbe, wenn die vorletzte kurz ist (fa-mi-li-a, Ger-mā-ni-a).

Die Quantität, d.h. die Länge der vorletzten Silbe ist genau festgelegt und ergibt sich wie folgt:

  • 4. Eine Silbe ist lang, wenn ihr Vokal von Natur aus lang ist, im Lexikon gekennzeichnet durch das Makron = Längszeichen (nō-mi-nā-re, der Vokal ā in der vorletzten Silbe nā ist lang, also sprich: nō-mi-nā-re).
  • 5. Eine Silbe ist lang durch Position, d.h., wenn auf deren Vokal zwei Konsonanten folgen (lī-ber-tās, auf das e folgen die zwei Konsonanten r-t, also sprich; lī-ber-tās).

Besonderheiten der Betonung

  • Diphthonge sind lang (Mi-nō-tau-rus, au ist ein Diphthong, also: Mi-nō-tau-rus).
  • h ist kein Konsonant (Hauchlaut) und bewirkt zusammen mit einem anderen Konsonanten keine Positionslänge.
  • -ne Dieses Enklitikon zieht die Betonung auf die vorletzte Silbe, auch wenn diese kurz ist: i-ta-ne.
  • -qu- gilt als ein Konsonant, obwohl als es als kw gesprochen wird, bewirkt also keine Positionslänge.
  • -que Dieses Enklitikon zieht die Betonung auf die vorletzte Silbe, auch wenn diese kurz ist: Mū-sa-que. Ausnahmen: itaque, utique, undique, da diese nicht als zusammengesetzte, sondern als selbständige Wortpartikel aufgefasst werden.
  • -ve Dieses Enklitikon zieht die Betonung auf die vorletzte Silbe: om-ni-a-ve.
  • x (eigentlich = cs, gs oder ks) bewirkt Positionslänge: Alexis
  • y kann kurz oder lang sein, je nach griechischer Vorlage: Adytum, da y kurz, Corcȳra, da y lang
  • z (eigentlich = ts) bewirkt Positionslänge.

Beispiel für Aussprache und Betonung

Text mit Silben, Längen: ā ē ī ō ū und mit Akzenten: a e i o u:

Gal-li-a est om-nis dī-vī-sa in par-tēs trēs, quā-rum ū-nam in-co-lunt Bel-gae (=Bel-gä), a-li-am A-quī-tā-ni (=A-qwī-tā-ni), ter-ti-am, qui (=qwi) ip-sō-rum lin-guā (=ling-wa) Cel-tae (=Cel-tä), nos-trā Gal-li ap-pel-lan-tur. Hī om-nēs lin-guā (=ling-wa), īn-sti-tū-tīs, lē-gi-bus in-ter sē dif-fe-runt. Gal-lōs ab A-quī-tā-nīs (=A-qwī-tā-nīs) Ga-run-na flū-men, ā Bel-gīs Mā-tro-na et Se-qua-na (=Se-qwa-na) dī-vi-dit. Hō-rum om-ni-um for-tis-si-mī sunt Bel-gae (=Bel-gä), prop-te-re-ā quod ā cul-tū at-que hū-mā-ni-tā-te prō-vin-ci-ae (=prō-vin-ci-ä) lon-gis-si-mē ab-sunt mi-ni-mē-que (=mi-ni-mē-qwe) ad e-ōs mer-cātō-rēs sae-pe (sä-pe) com-me-ant ... (Caesar, Bell. Gall. 1,1)

Literatur

  • Eisenhut, Werner, Die lateinische Sprache, München, Zürich 1985 (Artemis), S.12-22: Zur Aussprache.
  • Friedrich Crusius, Römische Metrik, Hildesheim u.a. 1992 (Hueber), Nachdruck der 8. Auflage München 1992 (Olms), S.2-13: Quantität, Allgemeine Quantitätsregeln, Quantität der Binnensilben und der Endsilben, Griechische Wörter.

Siehe auch


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