Sheriff (Unternehmen)

Sheriff (Unternehmen)

Sheriff (auch Șerif, kyrillisch: Шериф) ist das gegenwärtig größte Unternehmen des international nicht anerkannten Staates Transnistrien. Es wurde im Juni 1993 von Viktor Gushan und Ilya Kazmaly gegründet und erhielt seinen Namen nach eigenen Angaben in Anlehnung an die frühere Tätigkeit der Unternehmensgründer als Polizisten. Sheriff ist heute in nahezu allen Bereichen der transnistrischen Privatwirtschaft aktiv und hat aufgrund seiner wirtschaftlichen Potenz zunehmenden Einfluss auf die transnistrische Politik.[1][2] Anderen Quellen zufolge gehört das Unternehmen in Wirklichkeit dem transnistrischen „Staats“-Präsidenten Igor Smirnov und diene vorrangig dem Zweck der Geldwäsche.[3][4][5]

Inhaltsverzeichnis

Unternehmen

Ein Sheriff-Supermarkt in der Stadt Bender (während Renovierungsarbeiten)
Eine Sheriff-Tankstelle bei Tiraspol
Ein Sheriff-Einkaufszentrum in Rîbnița

Sheriff besitzt eine Tankstellenkette, eine Supermarktkette, den Fernsehsender TSW, ein Verlagshaus, eine Wohnungsbaugesellschaft, betreibt seit 1999 die transnistrische Mercedes-Benz-Niederlassung, die Werbeagentur Ekskljusiv, die Likörfabrik Kvint, zwei Großbäckereien und den einzigen Mobilfunkbetreiber Transnistriens, die Interdnestrcom.[5][2] Den Gründern des Konzerns gehört außerdem der international bekannte Fußball-Verein FC Sheriff Tiraspol, dessen für 200 Millionen US-Dollar neu erbautes Stadion mit integriertem Luxus-Hotel wiederum von Sheriff betrieben wird.[2] Sheriff hält außerdem als Betreiber des Tiraspoler Kasinos faktisch das Glücksspielmonopol in Transnistrien und ist über Unternehmensbeteiligungen auch im Bankensektor aktiv.[6]

Die Dachgesellschaft des Unternehmens firmiert als ЗАО, was sich mit „Geschlossene Aktiengesellschaft“ übersetzen lässt und in etwa einer deutschen GmbH entspricht. Zahlen zu Gewinn und Umsatz sind bisher nicht veröffentlicht worden, nach eigenen Angaben beschäftigt Sheriff derzeit insgesamt rund 12.500 Menschen, den Großteil davon in der Nahrungs- und Genussmittelproduktion. Landesweit werden gegenwärtig 13 Supermärkte bzw. Einkaufszentren und 10 Tankstellen betrieben (Zahlen für 2006).[6] Setzt man diese Zahlen mit der vergleichsweise geringen Einwohnerzahl Transnistriens (2004: 555.347) in Beziehung, erklärt sich zumindest statistisch die dominierende Stellung Sheriffs für die transnistrische Wirtschaft.

Politische Beziehungen

Die weitgehende internationale Isolierung Transnistriens begünstigte die Entwicklung Sheriffs zum dominierenden Unternehmen des „Staates“ und seiner Monopolstellung in vielen Bereichen der Ökonomie.[7] Es entstand (zumindest zeitweise) ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Präsident Igor Smirnov und Sheriff,[7] in der das Unternehmen die Politik der Regierung finanziell unterstützte und die Regierung dem Unternehmen im Gegenzug weitreichende Steuer- und Zollvergünstigungen gewährte. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Zollbehörde vom Sohn des Präsidenten, Vladimir Smirnov, geleitet wird,[5] dem ebenfalls nachgesagt wird, finanziell am Unternehmen beteiligt zu sein.[4][8]

In der Folge wirkte sich jedoch der ungeklärte Status Transnistriens negativ auf das Wachstum der Sheriff-Gruppe aus,[7][9] so dass das Unternehmen begann, die im Jahr 2000 gegründete Partei „Erneuerung“ zu unterstützen,[10][7][11][12] die sich neben dem Ziel einer Unabhängigkeit Transnistriens vor allem für die Interessen der Wirtschaft einsetzt.[13] Inzwischen sind sowohl der Sheriff-Gründer Kazmaly als auch die Personalchefin Ilona Tyuryaeva Parlaments-Abgeordnete für die Partei „Erneuerung“.[14] Oleg Smirnov, ein weiterer Sohn des Präsidenten und ebenfalls Parlamentsabgeordneter, ist wiederum Mitglied in der Unternehmensleitung von Sheriff.[15]

Begünstigt durch die Kontrolle des transnistrischen Mobilfunknetzes und des Fernsehsenders TSW konnte Sheriff seinen Einfluss auf die Politik des „Staates“ weiter ausbauen.[10] Die von ihm unterstützte Partei „Erneuerung“ errang bei den Parlamentswahlen 2005 schließlich 23 der 43 Sitze und damit die absolute Mehrheit.[9][13][16] Infolge des Wahlsieges wurde der langjährige Parlamentspräsident Grigori Maracutsa durch Evgeny Shevchuk ersetzt, den Sheriff-nahen Vorsitzenden der Erneuerungspartei.[17]

Aus Angst vor einem Machtverlust warf Präsident Smirnov daraufhin Shevchuk und Sheriff vor, einen Staatsstreich vorzubereiten.[7] Behauptet wurde, Sheriff betreibe den Wiederanschluss Transnistriens an Moldawien und habe hierfür vom Mutter- bzw. Nachbarland weitreichende wirtschaftliche Vorteile zugesichert bekommen.[7] Die Vorwürfe wurden von Sheriff energisch bestritten und in diesem Zusammenhang die eigenen Interessen an einer politischen Unabhängigkeit Transnistriens bekräftigt.[7][16] In der öffentlich geführten Auseinandersetzung zwischen Sheriff und Smirnov erhielt Smirnov schließlich die Unterstützung der russischen Regierung.[7][18] Shevchuk ist seitdem fast vollständig aus der medialen Öffentlichkeit Transnistriens verschwunden und hat auch seine geplante Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2006 fallen gelassen.[19]

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. „Land des schadhaften Lächelns“ Magazin der Süddeutschen Zeitung (38/2006) abgerufen am 19. April 2011.
  2. a b c GEO Magazin 09/2006. Nicht anerkannte Wahlen., Online-Version: „GEO.de“, abgerufen am 19 April 2011.
  3. Lucy Ash, „Misery in a Pariah State.“ auf BBC-Radio 4 am 1. April 2004. Abgerufen am 19. April 2011.
  4. a b Patti McCracken, A place the world chooses to forget: Moldova's breakaway region is a pawn in its fight with Russia. im San Francisco Chronicle vom 12. Februar 2006, abgerufen am 19. April 2011.
  5. a b c Kathrin Hillgruber, „Die Patrioten von Transnistrien.“ auf WELT-Online vom 14. Juni 2008, abgerufen am 19. April 2011.
  6. a b „Sheriff-Homepage“, abgerufen am 19. April 2011.
  7. a b c d e f g h Solovyev, V. & Zygar M. (19. September 2006). The Old Guard Wins in Transdniestria. Kommersant: Russia's Daily Online. abgerufen am 8. November 2006.
  8. Jahn, George (18. Januar 2004). „Hotbed of Weapons Deals.“ The Washington Times. abgerufen am 17. November 2006.
  9. a b „Moldova's Future Uncertain.“ (PDF). International Crisis Group. abgerufen am 8. November 2006.
  10. a b „Transnistria 2006: Is Regime Change Underway?“ British Helsinki Human Rights Group. abgerufen am 8. November 2006.
  11. Protsyk, Oleh. „Moldova's Dilemmas in Democratizing and Reintergrating Transnistria.“ (PDF). International Policy Fellowships. abgerufen am 8. November 2006.
  12. Arne Semsrott, „Hammer, Sichel, Cognac“ Zeit-Online (Zuender), abgerufen am 19. April 2011.
  13. a b „Renewal, Pridnestrovie's reformist opposition party.“ pridnestrovie.net. abgerufen am 8. November 2006.
  14. Webseite des Transnistrischen Parlament: Abgeordnete der aktuellen Wahlperiode, abgerufen am 20. April 2011
  15. „Sheriff – A Kolkhoz with a Private Beneficiary“ (19. Juli 2006). abgerufen am 13. November 2006.
  16. a b Botan, Igor (17. Januar 2006). „Democracy and governing in Moldova.“ E-Democracy. abgerufen am 16. November 2006.
  17. Pridnestrovie.info „Discover Europe's unknown country“, abgerufen am 20. April 2011.
  18. „Kreml protegiert Kleinstaaten“. Der Spiegel 22/2006, „Online-Archiv“ abgerufen am 19. April 2011.
  19. Semen Niculin, „Smirnov's Presidential Elections“. abgerufen am 20. April 2011.

Weblinks


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