Tiger Rag

Tiger Rag

Der Tiger Rag ist ein Song des frühen Jazz. Als Komponist des Stückes, das 1917 veröffentlicht wurde, ist Nick LaRocca eingetragen; der Text stammt von Harry DeCosta. Das Stück, das auf einem der ersten Tonträger des Jazz aufgenommen wurde, entwickelte sich rasch zum Jazzstandard und wird, insbesondere im Dixieland Jazz, bis heute häufig gespielt. Es ist vermutlich der bekannteste Jazztitel. [1]

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge des Songs

Die Anfangsnoten von „Tiger Rag“ an LaRoccas Haus in New Orleans

Laut La Rocca, der beanspruchte, der Komponist des Tiger Rag zu sein, legten die „Akkorde bekannter Melodien“ die Grundlage für das Stück, La paloma ebenso wie ein Marsch von John Philip Sousa.[2] Wer wirklich der Komponist des Stückes ist, ist jedoch höchst umstritten.[3] Jelly Roll Morton wollte den Titel ebenfalls komponiert haben;[4] ihm zufolge beruhte er auf den Harmonien einer französischen Quadrille.[5] Der neueren Jazzforschung zufolge war das Stück in New Orleans unter dem Titel Number Two weithin bekannt,[2] dessen Komponist Johnny De Droit war. [6]

Aufbau und Struktur des Songs

Der Tiger Rag besteht aus vier Formteilen, die wie im klassischen Ragtime aneinandergefügt sind.[2] Der D-Teil wurde mit den Worten „Hold that tiger“ und „Where's that tiger“ betextet. Hier ist häufig zusätzlich ein Lippenglissando oder auch ein Growlen der Posaune zu hören.[1]

Erste Einspielung

Die Original Dixieland Jazz Band, zu der damals LaRocca als Trompeter gestoßen war, spielte das Stück 1917 in Chicago ein. Wirkungsvoller war eine Version, die die Band am 25. März 1918 aufnahm; sie war zwei Wochen auf Platz eins der amerikanischen Hitparade.[6] In den nächsten Jahren spielte die Band das Stück immer wieder ein. „1923 zum Beispiel wird das Tempo gemütlicher angegangen, die Solo-Teile sind stärker herausgearbeitet, die Dixieland-Ur-Besetzung mit Trompete, Klarinette und Posaune ist durch das Modeinstrument Saxophon ergänzt.“ Auf der Fassung 1924 trägt Bix Beiderbecke ein längeres Solo bei.[2]

Weitere Charterfolge

Auch später wurden Einspielungen des Songs mehrfach zum Hit:

Wirkungsgeschichte

Hans-Jürgen Schaal zufolge wurde der Tiger Rag „zum Inbebriff dessen, was Jazz um 1920 in weiten Teilen der Welt bedeutete: schnelle, rhythmische, wilde, ekstatische Tanzmusik mit kollektiver Improvisation, knappen Riffs und witzigen Breaks.“[2] Das Stück wurde rasch von Tanzkapellen übernommen: Bereits im Januar 1920 erschien auch, interpretiert durch eine amerikanische Militärkapelle, in Deutschland eine erste Aufnahme des Tiger Rag (auf Homocord).[5]

Vladimir Horowitz und Arturo Toscanini waren von Art Tatums Interpretation des Tiger Rag (im New Yorker Cafe Society) überwältigt.[7] Der Tiger Rag wurde in den 1930er Jahren auch von Musikern des Swing eingespielt, bereits 1928 durch Tommy Dorsey, dann durch Ray Noble, durch Benny Goodman (1936)[8] und mehrfach durch Django Reinhardt (zuerst 1934 im Duett mit Stéphane Grappelli)[9]. Er gilt heute als ein quasi unverwüstliches Stück des traditionellen Jazz.

Zahlreiche afroamerikanische Musiker boykottierten das Stück zunächst, weil sie „Vorbehalte“ hatten aufgrund des Vorwurfs, LaRocca und seine Mitmusiker hätten dieses Stück gestohlen. Duke Ellington nahm das Stück nur mit abgeänderter Melodie unter Namen wie High Life auf; Chu Berry nannte das Stück Sittin’ In.[2] Louis Armstrong spielte das Stück erst 1938 ein.[10]

Während der NS-Diktatur wurde der Tiger Rag, der beim deutschen Publikum weiterhin beliebt war, als „Schwarzer Panther“ eingedeutscht und als Foxtrott getanzt. Selbst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Tiger Rag unter dem deutschen Titel aufgeführt.[11]

Im modernen Jazz gibt es nur vereinzelte Interpretationen, etwa durch Charlie Parker (1947, als Intro zu Shaw Nuff); allerdings beruhen auf der Komposition die Stücke Daybreak Express, Hot and Bothered, Slippery Horn und Braggin' in Brass.[12] Pierre Dørge entwickelte die Komposition zum New Tiger Rag weiter.

Literatur

  • Hans-Jürgen Schaal (Hrsg.) Jazz-Standards. Das Lexikon; Bärenreiter, Kassel, 2004 (3. Auflage); ISBN 9783761814147
  • Dietrich Schulz-Köhn: ‚I Got Rhythm‘. 40 Jazz-Evergreens und ihre Geschichte. München: Heyne, 1994, S. 340-346. ISBN 3453078101

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Henry Martin, Keith Waters Essential Jazz: The First 100 Years, S. 53
  2. a b c d e f H.-J. Schaal, Jazz-Standards, S. 507ff.
  3. William Emmett Studwell, Frank Hoffmann, Beulah B. Ramirez The Popular Song Reader: A Sampler of Well-Known Twentieth Century-Songs Routledge 1994, S. 39
  4. Morton schrieb, weil sein Anspruch auf Autorenschaft nicht respektiert wurde, auf der Basis der Komposition einen weiteren Titel, Milenberg Joys, das so unter anderem von den New Orleans Rhythm Kings, von McKinney’s Cotton Pickers, Fletcher Henderson und Louis Armstrong aufgenommen wurde; vgl. H.-J. Schaal, Jazz-Standards, S. 508.
  5. a b Christian Broecking Keine schmutzigen Noten geboten, Berliner Zeitung, 14. Januar 2010
  6. a b Songporträt (jazzstandards.com)
  7. Vgl. Ernst Burger Art Tatum und Erroll Garner Jazzzeitung 12/2006, S. 19
  8. Sabine Meyer hat ihn daher auf ihrem Goodman-Tribut-Album eingespielt. Vgl. Hommage to Goodman (AllAboutJazz)
  9. Vgl. Dix Bruce Gypsy Swing & Hot Club Rhythm II for Guitar, S. 41f.
  10. 2001 wurde es jedoch von Nicholas Payton auf dessen Armstrong-Tributplatte interpretiert.
  11. Vgl. Michael H. Kater: Gewagtes Spiel. Jazz im Nationalsozialismus. Köln 1995 sowie Jörg Lichtinger Swing aus dem Feindsender
  12. David Baker How to Play Bebop, Band 3, S. 4

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