Vladimir Horowitz

Vladimir Horowitz
Horowitz in den zwanziger Jahren

Vladimir Horowitz (hebräisch ולדימיר הורוביץ; gebürtig ukrainisch: Володимир Самійлович Горовиць, Wolodymyr Samijlowytsch Horowyz, russisch Владимир Самойлович Горовиц, Wladimir Samoilowitsch Gorowiz; * 18. Septemberjul./ 1. Oktober 1903greg. in Berditschew, Russisches Reich; † 5. November 1989 in New York) war ein US-amerikanischer Pianist ukrainischer Herkunft.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Vladimir Horowitz wurde höchstwahrscheinlich 1903 – er selbst bestätigte diese Angabe seines Biografen Glenn Plaskin; zuvor wurde stets 1904 angegeben – im russischen Schtetl Berditschew als Sohn eines Elektroingenieurs geboren. Er stammte aus einer jüdischen assimilierten Familie. Ersten Klavierunterricht erhielt er mit sechs Jahren von seiner Mutter, einer ausgebildeten Pianistin. Noch während seiner Schulzeit studierte er am Kiewer Konservatorium Klavier und Komposition unter anderem bei Felix Blumenfeld.

1925 verließ er die Sowjetunion auf Grund der dortigen schwierigen politischen und gesellschaftlichen Lage. Horowitz musste in Kinosälen und manchmal in Gasthöfen vor dem „proletarischen Bauernvolk“ spielen. Häufig wurde er als politischer Propagandaträger eingesetzt – eine Rolle, die ihm nicht zusagte. Durch seine ausgedehnten Konzerttourneen quer durchs Land erreichte er aber einen frühen Ruhm als einer der meistversprechenden jungen Pianisten. Nach seinem Weggang aus der Sowjetunion lebte er zunächst in Berlin, wo er im Januar 1926 sein deutsches Debüt gab. Wenig später sprang er in Hamburg für einen erkrankten Kollegen ein und erreichte einen sensationellen Erfolg. Seitdem waren die Augen der Öffentlichkeit auf den extravaganten Pianisten gerichtet, und er wurde daher im Januar 1926 von der Freiburger Firma M. Welte & Söhne zu Aufnahmen eingeladen. Er nahm zwölf Stücke für deren Reproduktionsklavier Welte-Mignon auf, darunter den von ihm selbst komponierten Moment exotique (Danse excentrique). Dies sind die ältesten von ihm überlieferten Aufnahmen.

Konzerte in London und Paris folgten. 1928 trat Horowitz erstmals in der Carnegie Hall in New York auf, wo er ebenfalls einen großen Erfolg feierte. 1932 spielte er zum ersten Mal zusammen mit Arturo Toscanini in New York. 1933 heiratete er dessen Tochter Wanda Toscanini. 1934 bis 1938 lebte er relativ zurückgezogen in Paris und nahm nicht am Konzertleben teil. 1939 zog Horowitz aufgrund der politischen Entwicklung in Europa endgültig in die USA und erhielt 1940 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

Horowitz erhält die Presidential Medal of Freedom von Ronald und Nancy Reagan

Trotz einer mit Wanda gezeugten Tochter (Sonya, geb. 1934), die 1975 in möglicher Selbstmordabsicht durch eine Überdosis Schlaftabletten ums Leben kam, hielten sich Gerüchte um eine Homosexualität Horowitz’ stets aufrecht. Horowitz begab sich in den 1950ern in psychologische Behandlung, um seine sexuelle Identität zu verändern. In den frühen 1960ern und in den frühen 1970ern unternahm er eine Aversionstherapie mit Elektroschocks.[1] Ferner war sein Leben immer wieder von künstlerischen Krisen und depressiven Phasen bestimmt, aufgrund deren er jahrelang weder auftrat noch aufnahm. So trat der als Genie gefeierte Pianist zwischen 1953 und 1965 nicht in der Öffentlichkeit auf. Auch das Leben mit seiner Frau Wanda gestaltete sich nicht immer einfach, da diese das gewaltige Temperament ihres Vaters geerbt hatte, wogegen Horowitz' Wesen Zeichen von Introvertiertheit und Verschlossenheit aufwies.

Am 5. November 1989 starb Vladimir Horowitz an den Folgen eines Herzinfarktes. Den Großteil seines auf acht Millionen Dollar geschätzten Vermögens hinterließ er seiner Frau Wanda.

Klavierkunst

Horowitz war berühmt für sein einerseits virtuoses, gewaltiges und andererseits durchdachtes, vom blanken Artistentum freies Klavierspiel. Schwerpunkt bildeten in seinem Repertoire vor allem die Werke von Frédéric Chopin, Franz Liszt und Robert Schumann sowie der russischen Komponisten Sergei Rachmaninow und Alexander Skrjabin. Seine Einspielungen einiger Sonaten von Domenico Scarlatti haben Referenzstatus. Daneben gilt Horowitz als tragender Pianist und Wiederentdecker der Werke von Muzio Clementi, den er als „Vater des modernen Klavierspiels“ bezeichnete.

Schon am Anfang seiner Karriere galt Horowitz als einer der virtuosesten Pianisten seiner Zeit und wurde häufig mit Franz Liszt oder Anton Rubinstein verglichen. Man lobte sowohl seine überragende Technik, die gewaltigen Bässe und dynamische Variabilität seines Spiels wie die breite Palette an Klangfarben.[2]

Für Joachim Kaiser war Horowitz der fesselndste Liszt-Interpret seiner Zeit. Eine frühe Aufnahme der h-Moll-Sonate zeige, wie Virtuosität umschlage „in wahnwitzige Gespanntheit“. Horowitz habe die berüchtigte Oktavpassage kurz vor dem Schluss nicht nur fabelhaft schnell und klangvoll gespielt, sondern gezeigt, wie sich in diesen „Oktaven ein gehetztes und grandioses Lisztsches Temperament“ ausgedrückt habe, ein Ringen „um Tod und Leben“. Sein rhythmisches Raffinement, mit dem er etwa die 19. Ungarische Rhapsodie spiele, sei unerlernbar. Seine Bewunderung für Horowitz hielt Kaiser nicht davon ab, gewisse Manierismen zu kritisieren, etwa in Mozarts A-Dur-Sonate und selbst in Schumanns Kreisleriana.[3]

Andere Kritiker warfen ihm seinen freien Umgang mit dem Notentext vor. So nannte ihn der amerikanische Komponist und Kritiker Virgil Thomson einen „Meister der Entstellung“.[4] Man verwies auf seine blumige und übertrieben eigenwillige Interpretation der Werke Mozarts und Beethovens. Claudio Arrau hielt dem für seine Oktaven berühmten Kollegen vor, gerade bei längeren Oktavpassagen zu verkrampfen und unmusikalisch zu werden.

Auch Horowitz sparte nicht mit Kritik an Kollegen; so bezeichnete er den britischen Pianisten und Beethoven-Interpreten Solomon als Langweiler und kritisierte immer wieder junge Virtuosen, denen es an Musikalität mangele.

Horowitz zählte zu den größten Pianisten des 20. Jahrhunderts und wurde, nach dem Titel eines amerikanischen Dokumentarfilms, als letzter echter Romantiker am Klavier bezeichnet („The Last Romantic“).

Horowitz als Bearbeiter

Horowitz transkribierte einige Werke von Mendelssohn, Liszt, Mussorgski, Sousa, Bizet und anderen Komponisten für Klavier. Dabei verzichtete er nicht auf eigene „Zutaten“ wie donnernde 16-Oktav-Passagen und perlende Läufe. Besonders hervorzuheben sind die Bearbeitungen der zweiten und fünfzehnten Ungarischen Rhapsodie von Franz Liszt sowie des Militärmarsches Stars and Stripes For Ever von Sousa. Neben kleineren Stücken und einer umstrittenen Transkription der Orchesterfassung von Mussorgskis Bildern einer Ausstellung von Ravel ist vor allem die Carmen-Fantasie zu erwähnen. Dieses sehr virtuose Stück wird von einigen Pianisten, wie etwa Arcadi Volodos, gelegentlich als Zugabe gespielt.

Zitate

„Es gibt nur drei Sorten von Pianisten: jüdische, homosexuelle und schlechte.“

„Klavierspiel besteht aus Vernunft, Herz und technischen Mitteln. Alles sollte gleichermaßen entwickelt sein. Ohne Vernunft sind Sie ein Fiasko, ohne Technik ein Amateur, ohne Herz eine Maschine.“

Einzelnachweise

  1. Plaskin, Glenn (1983), Biographie über Vladimir Horowitz. Vereinigtes Königreich: Macdonald, Seiten 52, 56, 353, 338–7. ISBN 0-356-09179-1
  2. Ingo Harden, Gregor Willmes, PianistenProfile 600 Interpreten: Ihre Biografie, ihr Stil, ihre Aufnahmen, Vladimir Horowitz S. 320, Bärenreiter, Kassel 2008
  3. Joachim Kaiser, Große Pianisten in unserer Zeit, Vladimir Horowitz, S. 98–112, München 2004
  4. Neue Zürcher Zeitung, Horowitz, Legende und Wirklichkeit

Weblinks

 Commons: Vladimir Horowitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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