Verfolgung Unschuldiger

Verfolgung Unschuldiger

Die Verfolgung Unschuldiger ist in Deutschland gemäß § 344 des Strafgesetzbuches (StGB) ein Verbrechen, welches mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren bestraft wird.

Inhaltsverzeichnis

Wortlaut

§ 344 StGB hat folgenden Wortlaut:

(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren, abgesehen von dem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen Unschuldigen oder jemanden, der sonst nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung berufen ist.

(2) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Verfahren zur Anordnung einer nicht freiheitsentziehenden Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8) berufen ist, absichtlich oder wissentlich jemanden, der nach dem Gesetz nicht strafrechtlich verfolgt werden darf, strafrechtlich verfolgt oder auf eine solche Verfolgung hinwirkt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Satz 1 gilt sinngemäß für einen Amtsträger, der zur Mitwirkung an

  1. einem Bußgeldverfahren oder
  2. einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahren

berufen ist. Der Versuch ist strafbar.

Systematik

Während Abs. 1 als Verbrechenstatbestand formuliert ist, der minder schwere Fälle kennt, handelt es sich bei Abs. 2 - ein eigenständiger Tatbestand - nur um ein Vergehen.

Tatbestand

Das geschützte Rechtsgut ist die Rechtspflege. Der subjektive Tatbestand erfordert Absicht oder Wissentlichkeit. Ein bedingter Vorsatz genügt nicht.[1]

Die Tat ist ein echtes Amtsdelikt. Sie wird durch einen Amtsträger der öffentlichen Verwaltung begangen, der willkürlich absichtlich oder wissentlich dienstlich im Rahmen eines Strafverfahrens, Bußgeldverfahrens, Disziplinarverfahrens oder eines ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahrens gegen jemanden tätig wird. Tatopfer ist bei diesem besonderen Fall der Rechtsbeugung derjenige, gegen den sich die rechtswidrige Verfolgungsmaßnahme richtet. Der Begriff Unschuldiger ist jedoch irreführend, weil zahlreiche Verfahren einbezogen sind die nichts mit Schuld zu tun haben.[2] Strafrechtlich verfolgt wird auch der Versuch.

Durch Unterlassen kann § 344 StGB ebenfalls verwirklicht werden, wenn z.B. eine Freilassung nicht erfolgt.[3] Auch aus sachgerechtem Vorverhalten kann die notwendige Garantenstellung gegeben sein. Der Tatbestand kann auch durch Einstellungsverfügungen nach § 153a StPO oder §§ 45 Abs. 2, 47 JGG verwirklicht werden.

Ordnet beispielsweise der Dezernatsleiter in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren die Zusendung eines Anhörungsbogens an eine Person an, von der er weiß, dass diese nicht an einem Verkehrsunfall beteiligt ist, so verstößt er gegen § 344 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB.[4] Die Anordnung molekulargenetischer Untersuchungen beim Nichtverdächtigen ist jedoch zulässig, wenn dieser Kontakt zum Tatopfer gehabt haben könnte.[5]

Weiterführende Literatur

  • Gerd Geilen, Rechtsbeugung durch Verfolgung - § 344 StGB im Spiegel eines Fehlurteils, S. 507ff., in: Thomas Weigend (Hrsg.), Festschrift für Hans-Joachim Hirsch, de Gruyter, ISBN 3-11-015586-9
  • Il-Tae Hoh, Die Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB), Diss. Würzburg, 1984

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Harro Otto: Grundkurs Strafrecht, S. 549 ff., 7. Auflage, de Gruyter, ISBN 3-89949-228-5
  2. Friedrich Geeds: Festschrift für Günter Spendel zum 70. Geburtstag am 11. Juli 1992, Verfolgung Unschuldiger, S. 503 ff., Gruyter, 1992, ISBN 3110128896
  3. Thomas Fischer: Strafgesetzbuch, § 344 StGB Rn. 3, 57. Auflage, C.H. Beck, ISBN 978-3-406-59422-9
  4. Landgericht Hechingen, Urteil vom 6. Juni 1984 - 126/83
  5. Beschluss des Landgerichts Frankenthal, II Qs 363/99 vom 6. Oktober 1999
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