Jugendgerichtsgesetz (Deutschland)

Jugendgerichtsgesetz (Deutschland)
Basisdaten
Titel: Jugendgerichtsgesetz
Abkürzung: JGG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Strafrecht, Rechtspflege
Fundstellennachweis: 451-1
Ursprüngliche Fassung vom: 4. August 1953
(BGBl. I S. 751)
Inkrafttreten am: 1. Oktober 1953
Letzte Neufassung vom: 11. Dezember 1974
(BGBl. I S. 3427)
Inkrafttreten der
Neufassung am:
1. Januar 1975
Letzte Änderung durch: Art. 3 Abs. 2 G vom 22. Dezember 2010
(BGBl. I S. 2300, 2303)
Inkrafttreten der
letzten Änderung:
1. Januar 2011
(Art. 7 G vom 22. Dezember 2010)
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) regelt mehrheitlich das formelle Jugendstrafrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Sein Kerngedanke ist „Erziehung vor Strafe“. Es ist lex specialis zum materiellen und formellen Strafrecht – wo keine besonderen Regeln des JGG greifen, ist das Strafgesetzbuch oder die Strafprozessordnung anwendbar.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das erste, von Gustav Radbruch entworfene Jugendgerichtsgesetz (RJGG) wurde am 16. Februar 1923 erlassen. Es trug bereits die Grundzüge des heutigen Jugendgerichtsgesetzes und verwirklichte Ideen des Strafrechtlers Franz von Liszt. Eine Erweichung des Erziehungsgedankens wurde durch die Neufassung des Reichsjugendgerichtsgesetzes am 6. November 1943 verordnet. Es wurde nicht nur die Altersgrenze auf 12 Jahre herabgesetzt, wenn „der Schutz des Volkes wegen der Schwere der Verfehlung eine strafrechtliche Ahndung fordert“. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu erwähnen, dass die ursprüngliche Fassung des Reichsstrafgesetzbuches (1871 – RStGB) eine relative Strafmündigkeit (abhängig von der sittlich-geistigen Reife) ab 12 Jahren vorsah. Zuvor war bereits die Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher (4. Oktober 1939) ergangen. Diese Vorschriften (damals § 20 Abs. 2 a. F. JGG) wurden durch eine Neufassung des Jugendgerichtsgesetzes am 4. August 1953 entfernt.

Anwendungsbereich

Das Jugendgerichtsgesetz ist auf alle strafmündigen (§ 19 StGB: mindestens 14 Jahre alten) Jugendlichen anwendbar. Heranwachsende (18- bis Unter-21-Jährige) können in den Bereich des Gesetzes nach § 105 JGG einbezogen werden, soweit sie nach Reifegesichtspunkten noch nicht die nötige Einsichts- und Verantwortungsfähigkeit aufweisen. Nach dem Jugendgerichtsgesetz ist die Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende dabei nicht die Regel, sondern es ist von Fall zu Fall durch eine Würdigung der Persönlichkeit und der Tat durch das Gericht zu entscheiden, ob im konkreten Fall Erwachsenenstrafrecht oder das Jugendgerichtsgesetz Anwendung findet.[1]

Eine wichtige Rolle im Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende spielt die Jugendgerichtshilfe, die das Verfahren vom Beginn bis zum Ende begleitet, in der Hauptverhandlung anregt, ob bei Heranwachsenden noch das Jugendstrafrecht, oder schon das allgemeine Strafrecht angewendet werden sollte, und auch Vorschläge zu den zu ergreifenden Maßnahmen macht.

Kerngedanke

Die Regelungen des JGG setzen auf einen Vorrang der Erziehung vor der Verhängung von Strafe. Gleichwohl haben die meisten Maßnahmen, die auf Grund des JGG verhängt werden können, Sanktionscharakter. Anders als beim allgemeinen Strafrecht steht dem Jugendgericht ein breiterer Sanktionskatalog zur Verfügung, um eine optimale Reaktion auf Jugenddelinquenz zu finden. Seit 2008 ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Jugendlichen möglich, seit 2011 jedoch nur dann, wenn sich das Gericht diese Möglichkeit im Urteil vorbehalten hat (§§ 7, 81a und 106 JGG).

Inhalt

Der sachliche Regelungsbereich ist das formelle Strafrecht. Straftatbestände finden sich nicht im JGG, sie sind durch das StGB und das Nebenstrafrecht geregelt. Materiell-rechtliche Regelungen beschränken sich auf die Rechtsfolgenseite.

Das Jugendgerichtsgesetz ist wie folgt gegliedert:

  1. Anwendungsbereich: Enthält die Definitionen des Begriffes Jugendlicher und Heranwachsender sowie den Subsidiaritätsgrundsatz des übrigen Rechts.
  2. Jugendliche
    1. Verfehlungen Jugendlicher und ihre Folgen: In diesem Abschnitt werden materiell-rechtlich auch die besonderen Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts geschildert: Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und die Jugendstrafe.
    2. Jugendgerichtsverfassung und Jugendstrafverfahren: Diese Vorschriften treten an die Stelle der Strafprozessordnung. Die Jugendgerichtsverfassung ist insofern von der üblichen Gerichtsverfassung zu unterscheiden, als dass man vom Jugendstaatsanwalt (statt Staatsanwalt), vom Jugendgericht, Jugendrichter, Jugendschöffengericht und Jugendkammer spricht. Die Zuordnung zum Amts- oder Landgericht bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln.
    3. Vollstreckung und Vollzug: Die Rechtsfolgen der Straftaten von Jugendlichen werden in eigenen Anstalten (Jugendstrafe, Jugendarrest) vollstreckt. Die gesetzlichen Grundlagen entstehen derzeit auf der Länderebene, nachdem diese die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug erhalten haben.
    4. Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit der Beseitigung des Strafmakels und den Jugendlichen vor Gerichten in allgemeinen Strafsachen.
  3. Heranwachsende: Dieser Abschnitt erklärt die vorhergehenden Vorschriften für anwendbar, sofern die Voraussetzungen des § 105 JGG vorliegen.
  4. Sondervorschriften für Soldaten der Bundeswehr: Für die Jugendlichen und Heranwachsenden bei der Bundeswehr, die üblicherweise nach dem Wehrstrafgesetz abgeurteilt und verurteilt, sind Sondervorschriften erlassen worden.
  5. Schluss- und Übergangsvorschriften: Diese Vorschriften ermöglichen die Bestellung eines Bewährungshelfers und die Ermächtigungsvorschrift für Verordnungen zum Vollzug.

DVJJ

Die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen e. V. ist die Einrichtung, die am stärksten auf das JGG und auf das Jugendstrafrecht im allgemeinen Einfluss ausübt.

Literatur

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 6. Dezember 1988, Az. 1 StR 620/88. Nachzulesen unter http://www.servat.unibe.ch/fallrecht/bs036037.html
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