- Voraussetzungen (Heißenbüttel)
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Voraussetzungen ist ein theoretischer Text, der erstmals in „Über Literatur“ 1966 von Helmut Heißenbüttel erschienen ist. Der Autor und Kritiker reflektiert in diesem, sein Grundverständnis vom Schreiben sowie das Verhältnis von Sprache und Weltbezug. Der Text gliedert sich in sieben Unterabschnitte, in denen Heißenbüttel aufeinander aufbauende Modalitäten der Literatur darlegt.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
- Literatur besteht aus Sprache und nicht wie vermeintlich angenommen, aus Strömungen der Psychologie (Bilder, Empfindungen…) oder der Tendenzliteratur, die politische Absichten verfolgt.
- Sowohl die Literatur als auch die Umgangssprache bedienen sich desselben Sprachmaterials. Die Umgangssprache ist jedoch die niedrigste Sprachstufe, wohingegen die Literatur sich durch besondere auswählende Prinzipien auszeichnet.
- Im Vergleich zur Musik und zur Malerei, ist Sprache stark durch feste Strukturen (z.B. satzmäßige Verknüpfungen) determiniert, um einen semantischen Kontext zu erzeugen. Lediglich auf der Urstufe der Sprache, indem sie aus Tönen oder Morphemen besteht, wäre Sprache mit abstrakten Farben oder Tönen vergleichbar.
- Literatur will mehr als bloß Orientierung in der Welt durch Verständigung schaffen. So kommt es zur Konstruktion von Sondermodellen, die den Sprachbereich durch Strukturen (z.B. Form des Sonetts) einschränken, um andere Möglichkeiten auszuschließen. Dennoch genügt diese äußere Form für Literatur nicht.
- „Der Sprachbereich wird nach Sonderregeln eingeengt. Diese reichen von der Beschränkung des Wortschatzes und der Vorschrift bestimmter syntaktischer Formen (in Dialog und Drama) bis zu den komplizierten metrischen Verengungen im Gedicht. […] Wer bestimmte Regeln (etwa des Sonetts) rein technisch zu erfüllen imstande war, hatte bereits ein Gedicht gemacht. Was nicht der Fall war.“[1]
- Literatur steht in Wechselwirkung mit der Geschichte, da sich Weltanschauungen mit der Zeit verändern. Deswegen kommt es dazu, dass einige Gattungen heute nicht mehr funktionieren, wohingegen neue Gattungen im Laufe der Zeit dazukommen (z.B. der Kriminalroman). Daneben führen Veränderungen der Sprache zu einer Veränderung der Weltinterpretation. So vermag es Sprache, um ein Beispiel zu nennen, beim Leser neue Blickwinkel zu schaffen.
- Das alte Grundmodell der Sprache (Subjekt-Prädikat-Objekt) hält nicht stand. Es kommt im Laufe der Zeit zu neuen Strukturen, wie z.B. die Computersprache. Außerdem, gibt es Begebenheiten, die durch veraltete Werkzeuge nicht transportiert werden können.
- Ziel ist es ins Innere der Sprache zu dringen, veraltete Strukturen und Vorgaben aufzubrechen. Zusammenhänge bilden sich nicht durch logisch-syntaktische Verknüpfungen, sondern durch Ambiguitäten und Uneindeutigkeiten. Als Konsequenz, muss die Syntax aufgebrochen werden, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und um Grenzen zu erreichen, die noch nicht definiert sind.
- „Satzsubjekte, Satzobjekte, Satzprädikate fallen weg, weil die Erfahrung, von der geredet wird, außerhalb der eindeutigen Subjekt-Objekt-Beziehung steht. […]Und die Grenze, die erreicht wird, […], es ist die Grenze zu dem, was noch nicht sagbar ist.“[2]
Literaturgeschichtliche Einordnung
Für die Epoche nach 1945 gilt, dass die Mehrzahl der Autoren vorwiegend die Ansicht teilte, dass ästhetische Grundsätze und bestehende Regeln neu gesucht und durch sprachliche Experimente geprüft werden sollten. Ein Großteil des literarischen Schaffens hatte stark experimentellen Charakter und verfolgte die Absicht das Subjekt-Objekt Gefüge aufzubrechen. Helmut Heißenbüttel wollte mit einer Vielzahl seiner Texte ins Innere der Sprache eindringen. Was dabei herausgekommen ist, ist keine neue Sprache. Es handelt sich vielmehr um eine Rede, die sich des Kontrasts zur überkommenen Syntax und zum überkommenen Wortgebrauch bediene.[3]
Literatur
- Herbert A. Frenzel/Elisabeth Frenzel: Daten deutscher Dichtung. Chronologischer Abriß der deutschen Literaturgeschichte. Bd. 2, 35. Auflage, München 2007.
- Helmut Heißenbüttel: Über Literatur. Stuttgart: Klett-Cotta 1995 (Erstausgabe 1966).
Einzelnachweise
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