Wohnhaus Ernst Cramer

Wohnhaus Ernst Cramer
Wohnhaus Ernst Cramer.
Grundriss
Neorenaissance, Hofgartenstraße 6

Das in den 1880er Jahren erbaute Wohnhaus Ernst Cramer an der Hofgartenstraße 6 und 7 in Düsseldorf spielte in der Wirtschaft (Baumwolle-, später Drahtindustrie) eine Rolle und war auch kunstgeschichtlich von Bedeutung (Historismus/Boldt & Frings bzw. Moderne/Aufseeser). So wird in den späten 1880er und 1890er Jahren Ernst Cramer, Vorsitzender der Gesellschaft für Baumwollindustrie, vorm. Ludwig & Gustav Cramer, dort erwähnt. In den 1910er und 1920er Jahren war es Sitz der Deutschen Drahtwalzwerke AG. Kunstgeschichtlich bedeutend war die Fassade im Stil der Monumentalarchitektur der italienischen Neorenaissance (Historismus) der Architekten Boldt & Frings und die von Ernst Aufseeser 1918 bis 1920 gestaltete Innenarchitektur, die dann Düsseldorfer Bürgern als zu modern galt. Das Gebäude erlitt bei einem Luftangriff vom 23. April 1944 Bombenschäden und wurde später abgebrochen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Lage und Umgebung

An der mit Ahornbäumen bepflanzten Hofgartenstraße – mit bester Aussicht auf den Hofgarten – war „eine Reihe gediegener Häuser des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts“[2] entstanden. Bereits vor dem Krieg gehörten diese Häuser großen Firmen und Banken der Stadt Düsseldorf sowie vermögenden Privatpersonen. Das benachbarte Haus Nr. 5 gehörte der Familie der Poensgens. Bei dem Luftangriff vom 23. April 1944 wurden die meisten Häuser der Hofgartenstraße stark zerstört.

Geschichte und Nutzung

Vorbesitzer

Für die Adresse Hofgartenstraße 6 werden in den Düsseldorfer Adressbüchern verschiedene Bewohner genannt: für das Jahr 1880 die Geschwister Vogts, für das Jahr 1883 Aloys Lücker, Stadt-Rentmeister, eine Witwe Haller mit Mädchennamen Brewer und eine Maria Brewer, für 1885 Lücker, Stadt-Rentmeister und Brewer, Maria sowie Greven, Kaufmann.[3][4][5]

Ernst Cramer, Vors. d. Gesellschaft f. Baumwollindustrie, vorm. Ludwig & Gustav Cramer (ab 1886)

Das historistische Haus an der Hofgartenstraße 6/7 wurde 1886 für Ernst Cramer erbaut, der dann dort als Fabrikant und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Gesellschaft für Baumwollindustrie erwähnt wird.[6][7][8][9] Die Gesellschaft hieß vorher Ludwig & Gustav Cramer, wobei G. Cramer als Siamoisenfabrikant Stoffe aus Seide und Baumwolle hergestellt hatte und stellvertretendes Mitglied der Handelskammer und zugleich Mitglied des Gemeinderats war; er war sowohl im Gewerberat als auch (zusammen mit dem Bankier Kommerzienrat Gerhard Baum vom Bankhaus Baum, Boeddinghaus & Co.) im Verwaltungsrat der Allgemeinen Versicherungsgesellschaft für See-, Fluß- und Landtransporte tätig.[10]

Die Inneneinrichtung und Nutzung wird bei Düsseldorf und seine Bauten des Düsseldorfer Architekten- und Ingenieurvereins wie folgt beschrieben: „es enthält im Erdgeschosse die Wohn- und Gesellschaftsräume, sowie die Küche mit Nebenräumen (Abb. 603) im Obergeschosse die Schlafzimmer“.[11] Die Nutzungsbeschreibung einer Grundrisszeichnung beschreibt die Nutzung im Detail: So befanden sich im Erdgeschoss der Thorweg, das Vestibül, das Empfangszimmer, das Wohnzimmer, der Salon, der Speisesaal, das Rauchzimmer, die bedeckte Terrasse, die freie Terrasse, der Wintergarten, die Küche, das Vorratszimmer, die Anrichte, die Dienertreppe, das Billardzimmer und ein Closet. Im Obergeschoss befanden sich das Fremdenzimmer, das Frühstückszimmer, die Toilette, das Schlafzimmer, das Badezimmer, ein Closet, ein Balkon, das Bügelzimmer, zwei Mägdezimmer, die Dienertreppe, das Dienerzimmer, die Bleiche, die Halle und die Loggia.

Sitz der Deutschen Drahtwalzwerke AG (1910er und 1920er Jahre)

Das Haus wird im Düsseldorfer Adressbuch von 1911 als der Sitz der Deutsche Drahtwalzwerke, A.-G. mit den Direktoren Dr. Buchmann u. C. Cyriax erwähnt.[12] Im Jahre 1929 wird das Haus im Almanach Handbuch des öffentlichen Lebens mit Sitz eines Verband der Eisen- und Stahlwarenindustrie (Deutsches Drahtgewerbe) mit Direktoren Hobrecker (i. Fa. Westfäl. Drahtindustrie, Hamm i. W.) und Wilhelm Moser erwähnt.[13] Gleichzeitig war sie die Verkaufsstelle der deutschen Drahtgeflecht-Fabriken GmbH mit den Direktoren Baldner und Cyriax.[14] Noch im Jahre 1933 war sie Sitz der Deutsche Drahtwalzwerke, A.-G.[15]

Die Düsseldorfer Drahtindustrie spielte dabei einen bedeutende Rolle in der Wirtschaft: „Geradezu den ersten Platz in der deutschen Industrie und noch weit darüber hinaus nimmt Düsseldorf mit der Herstellung [… von] Stahlrohren ein […] Dazu treten Stahlwerke […] und Drahtwalzwerke, Drahziehereien […]“[16]

Kunstgeschichtliche Bedeutung

Boldt & Frings – Monumentalarchitektur der italienischen Neorenaissance (1880er Jahre)

Das Haus Hofgartenstraße 6 in Düsseldorf wurde nach Entwürfen der Architekten Boldt & Frings in den 1880er Jahren für Ernst Cramer erbaut. Eine Aufriss- und Grundrisszeichnung stammt aus dem Jahre 1885. Es zeichnete sich dabei durch seine repräsentative Fassade im Stil der historistischen Monumentalarchitektur der italienischen Neorenaissance aus. Das Obergeschoss zeigte eine breite Loggia:

„Aus den 80er Jahren stammt das Haus Hofgartenstraße 6 von den Architekten Boldt & Frings (Abb. 602) … Die monumentale Fassade mit der breiten Loggia im Obergeschosse zeigt die Formen italienischer Renaissance[17]

Die Fassade im Obergeschoss zeigte weiter durch Karyatiden gegliederte und übergiebelte Zwillingsfenster.

Ernst Aufseeser – Innenarchitektur 1918/1920

In der Zeitschrift Feuer – einer „Rheinischen Kunstzeitschrift großen Stils“ – präsentierte Karl Koetschau 1918/20 eine Raumdekoration des Akademieprofessors Aufseeser für die Klubräume im Düsseldorfer Wohnhaus Hofgartenstraße 6. Es zeichnete sich dabei durch seinen modernen Stil aus[18]:

„Die vom Auftraggeber vorgegebene behutsame Umgestaltung der historischen Räume durch den Architekten Fritz August Breuhaus beschränkte sich auf die "bessere", d.h. hellere "farbige Gesamtgestaltung" und die Ausstattung mit schlichten Möbeln. Allein der von Aufseeser mit Wandmalereien versehene Spielraum kann als konsequent modern angesprochen werden: sattgrüne Decke, blaugrüne Gardinen, grünlicher Fußbodenbelag, hellbraune Samtvorhänge in den Türen und vor allem helle Wände in ockerfarbig gebrochenen Weiß, die von einer rahmenden grünen Borte begrenzt waren. Hier hinein setzte Aufseeser seine im wesentlichen aus Flecken der Primärfarben aufgebauten phantastischen Figuren, Blätter und Blumen.[19]

Wolfgang Schepers beschreibt, wie Koetschau zu Recht den konsequent modernen Stil bewunderte, der aber von der bürgerlichen Gesellschaft abgelehnt wird: „Zurecht sieht Koetschau den Hauptvorzug darin, dass hier einmal unter Vermeidung alles Bildmäßigen, aller perspektivischen Künste und Künsteleien reine Flächendekoration gegeben ist. Offenbar fiel dies aber bestimmten behäbigen bürgerlichen Düsseldorfer Kreisen doch zu modern aus, so dass kurz nach ihrer Fertigstellung die hellen leuchtenden Malereien wieder unter einer dunklen Tapete verborgen.“[19]

Weblinks

 Commons: Hofgartenstraße 6 (Düsseldorf) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/gestern_heute/data_bilddokumentation_detail/072_2.shtml
  2. http://www.duesseldorf.de/stadtarchiv/stadtgeschichte/gestern_heute/data_bilddokumentation_detail/072_2.shtml
  3. Adressbuch der Oberbürgermeisterei Düsseldorf für 1883, Erster Theil, S. 113.
  4. Adressbuch der Oberbürgermeisterei Düsseldorf für 1883, Zweiter Theil, S. 55.
  5. Adressbuch der Oberbürgermeisterei Düsseldorf für 1885, II. Theil, S. 57.
  6. Adressbuch der Oberbürgermeisterei Düsseldorf für 1886, II. Theil, S. 59.
  7. Adressbuch der Oberbürgermeisterei Düsseldorf für 1889, Erster Theil, S. 45.
  8. Adressbuch der Oberbürgermeisterei Düsseldorf für das Jahr 1890 Zweiter Theil, S. 121.
  9. vgl. Düsseldorfer Adressbücher 1888, 1889, 1893, 1895
  10. Hugo Weidenhaupt (Hrsg.): Düsseldorf. Geschichte von den Ursprüngen bis ins 20. Jahrhundert. Band 2: Von der Residenzstadt zur Beamtenstadt (1614–1900). Schwann im Patmos-Verlag, Düsseldorf 1988, S. 507 und 509.
  11. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Düsseldorf (Hrsg.): Düsseldorf und seine Bauten. L. Schwann, Düsseldorf 1904, S. 388f, 393 [Abb. 602 Hofgartenstrasse 6] [Abb. 603. Hofgartenstrasse 6. Erdgeschoss.].
  12. Düsseldorfer Adressbuch, 1911, Zweiter Teil, S. 96.
  13. Wirtschaftsverband des deutschen Drahtgewerbes. Düsseldorf, Hofgartenstr. 6, F. 7051/52. * Dir. Hobrecker, i.Fa. Westfäl. Drahtindustrie, Hamm i.W.; **Dir. Wilh. Moser.“

    Müller-Jabusch, Maximilian (Hrsg.): Handbuch des öffentlichen Lebens. Leipzig Koehler, Leipzig 1929, S. 397, Verbände der IndustrieEisen- und Stahlwarenindustrie

  14. Verkaufsstelle der Vereinigten Deutschen Drahtgeflecht-Fabriken, GmbH. Düsseldorf Hofgartenstr. 6, F. 7051/52. * Dir Baldner; ** C. Cyriax. RDL. “

    Müller-Jabusch, Maximilian (Hrsg.): Handbuch des öffentlichen Lebens, Leipzig Koehler, Leipzig 1929, S. 397

  15. Adreßbuch der Stadt Düsseldorf 1933 Zweiter Teil, S.103.
  16. Verkehrsverein Düsseidorf (Hrsg.): Führer durch Düsseldorf am Rhein und seine Umgebung, Düsseldorfer Verl.-Anst., Düsseldorf 1904, S. 49.
  17. Architekten- und Ingenieur-Verein zu Düsseldorf (Hrsg.): Düsseldorf und seine Bauten. L. Schwann, Düsseldorf 1904, S. 388f, 393 [Abb. 602 Hofgartenstrasse 6] [Abb. 603. Hofgartenstrasse 6. Erdgeschoss.].
  18. Karl Koetschau: Etwas von Düsseldorfer Raumkunst. In: Feuer. Bd. 1 (Okt. 1919 – März 1920), S. 173 und 174.
  19. a b Wolfgang Schepers: Ernst Aufseeser und die angewandte Kunst an der Düsseldorfer Kunstakademie. In: Am Anfang: das Junge Rheinland. Zur Kunst- und Zeitgeschichte einer Region; 1918–1945; (Städtische Kunsthalle Düsseldorf 9. Februar – 8. April 1985) Düsseldorf Claassen, Düsseldorf 1985, S. 79.

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