Zweitmeinungsverfahren in der Arzneimittel-Richtlinie

Zweitmeinungsverfahren in der Arzneimittel-Richtlinie

Das „Verfahren zur Einholung einer Zweitmeinung“ wurde in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (§ 73d SGBV [1]) aufgenommen. Details regelte ab Oktober 2008 der Gemeinsame Bundesausschuss [2] in der Arzneimittel-Richtlinie (AMR) [3]. Das Verfahren betrifft die Verschreibung von sogenannten „besonderen Arzneimitteln“, die im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Ein Vertragsarzt darf nur in Ausnahmefällen von den Festlegungen in der Arzneimittel-Richtlinie abweichen.

Inhaltsverzeichnis

Besondere Arzneimittel

Besondere Arzneimittel sind „insbesondere Präparate mit hohen Jahrestherapiekosten oder Arzneimittel mit erheblichem Risikopotential, bei denen aufgrund ihrer besonderen Wirkungsweise zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit ihrer Anwendung – insbesondere hinsichtlich der Patientensicherheit und des Therapieerfolges – besondere Fachkenntnisse erforderlich sind, die über das Übliche hinausgehen“.[3]

Pulmonale arterielle Hypertonie

Derzeit (Stand März 2010) sind nur folgende Präparate zur Behandlung der Pulmonalen Arteriellen Hypertonie von dem Verfahren betroffen:

Das Zweitmeinungsverfahren findet keine Anwendung, falls diese Arzneimittel bei anderen Erkrankungen als der PAH oder im Off-Label-Use eingesetzt werden.

Verfahren

Vor Behandlungsbeginn mit einem der genannten Arzneimittel muss eine Abstimmung zwischen dem behandelnden Arzt und einem Arzt für besondere Arzneimitteltherapie stattgefunden haben. Der Versicherte muss sich zuvor mit dem Verfahren einverstanden erklärt haben. Diese Abstimmung zwischen den Ärzten darf in der Regel höchstens zehn Werktage dauern. Der behandelnde Arzt kann von der Zweitmeinung seines Kollegen nur in Ausnahmen abweichen, muss dann aber eine solche Abweichung besonders begründen.

Arzt für besondere Arzneimitteltherapie

Die Anforderungen an den Arzt für besondere Arzneimitteltherapie werden arzneimittelbezogen festgelegt und gelten zurzeit nur für die oben genannten Arzneimittel in der Indikation PAH. Sie sind in der Anlage 13 zum Abschnitt Verordnung besonderer Arzneimittel spezifiziert [3]:

  • Facharzt für Innere Medizin Schwerpunkt Pneumologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt Pneumologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie
  • Facharzt für Innere Medizin Schwerpunkt Kardiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Schwerpunkt Kardiologie
  • Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie

Der Arzt für besondere Arzneimitteltherapie muss in der Behandlung der PAH erfahren sein. Dafür muss er

  • mindestens 10 Patienten pro Jahr (im Vorjahr der Benennung) behandelt haben und
  • jährlich mindestens 10 Zertifizierungspunkte an krankheitsspezifischen Fortbildungen dokumentieren.

Kritik

Während der G-BA durch das Zweitmeinungsverfahren eine verbesserte Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Arzneimitteltherapie erwartet [4], wurde das Verfahren im Vorfeld seiner Einführung durch ärztliche Fachgesellschaften, aber auch durch die deutsche PH-Patientenselbsthilfeorganisation kritisiert [5]. Die Kritik fokussierte vor allem darauf, dass

  • die Zweitmeinungs-Ärzte aufgrund der gesetzlichen Vorgaben keine ausreichende Erfahrung für das seltene und komplexe Krankheitsbild PAH haben müssen,
  • eine ausreichende Struktur nicht aufzubauen sei (zu wenige Zweitmeinungsärzte in vielen Regionen),
  • rechtliche Mängel bestünden (kein Widerspruchsverfahren, keine Schiedsstelle bei widersprüchlichen Befunden von behandelndem Arzt und Zweitmeinungsarzt).

Aktueller Stand

Eine ausführliche Beschreibung des Zweitmeinungsverfahrens und eine Liste der Zweitmeinungsärzte findet sich auf einer Website der Medizinischen Hochschule Hannover [6].

Einzelnachweise

  1. http://bundesrecht.juris.de/sgb_5/__73d.html
  2. http://www.g-ba.de/informationen/aktuell/pressemitteilungen/263/
  3. a b c http://www.g-ba.de/downloads/39-261-730/2009-01-22-AMR13-Zweitmeinung_BAnz.pdf
  4. http://www.g-ba.de/downloads/34-215-263/2008-10-16-Zweitmeinung.pdf
  5. Gemeinsame Pressemitteilung von pulmonale hypertonie e.v. (ph e.v.) und dem Wissenschaftlichen Beirat im ph e.v., sowie der gemeinsamen Arbeitsgemeinschaft Pulmonale Hypertonie der medizinischen Gesellschaften, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie (DGP), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK)
  6. http://www.zweitmeinung-pah.de

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