- Übernahme nach der Ausbildung
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Werden Auszubildende nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung vom Ausbildungsbetrieb im erlernten Beruf auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags weiterbeschäftigt, spricht man von Übernahme nach der Ausbildung. Eine Übernahme kann befristet oder unbefristet erfolgen.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Für Auszubildende ist die Übernahme ein entscheidender Schritt in der Erwerbsbiographie. Sie müssen Berufserfahrung sammeln, sich qualifizieren und beruflich etablieren.
Aktuell ist die Übernahme die „zweite Schwelle“ beim Eintritt in den Arbeitsmarkt. Der nahtlose Berufseinstieg im eigenen Betrieb ist in den meisten Branchen heute eher die Ausnahme, nicht die Norm.[1] Für knapp die Hälfte der Auszubildenden eines Jahrganges endet die Betriebszugehörigkeit mit dem Ende ihrer Ausbildung. Laut DGB hatte zum Ende des Ausbildungsjahres 2009 lediglich gut ein Drittel der Auslernenden eine sichere Zusage für ihre Übernahme, die zudem immer häufiger zeitlich befristet ist.[2][3] Insgesamt gingen 2009 1,5 Millionen junge Menschen ihrer Ausbildung nach.
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat diesen Trend verstärkt. Junge Beschäftigte verlieren am schnellsten ihren Job – vor allem, weil sie aufgrund befristeter Arbeitsverträge einfacher kündbar sind. Im Juni 2010 waren 538. 000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren erwerbslos gemeldet. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 11 Prozent. Die Quote in der Gesamtbevölkerung liegt derzeit bei 7,7 Prozent.[4]
Übernahme erhöht die Chancen auf einen erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben enorm.[5] Arbeitslosigkeit, Befristung und die Beschäftigung in ausbildungsfremden Niedriglohnjobs erschweren es dagegen den jungen Menschen, Berufserfahrung zu sammeln. Fehlende Praxis über einen längeren Zeitraum hinweg kann den graduellen Verlust erlernter Fähigkeiten bedeuten. Fehlende Möglichkeiten der Weiterbildung führen zu einer „abgehängten“ Gruppe gering qualifizierter Beschäftigter.
Rechtliche Hintergründe
Die Übernahme nach der Ausbildung ist gesetzlich nicht geregelt. Es liegt im Ermessen des Arbeitgebers, ob und wie viele Auszubildende übernommen werden. Jedoch können im Rahmen von Tarifvereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften verbindliche Regelungen zur Übernahme von Auszubildenden getroffen werden.
Spezialfall Jugend- und Auszubildendenvertretung:Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) schreibt einen besonderen Schutz betriebsverfassungsrechtlicher Organe (betrieblicher Interessenvertretungen) vor. Deshalb sind Betriebe nach § 78a BetrVG dazu verpflichtet, Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung und des Betriebsrats nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung zu übernehmen.[6]
Tarifvereinbarungen
Tarifverträge können die Übernahme nach der Ausbildung regeln. Beispielhaft sind zwei Tarifabschlüsse der IG Metall und den Arbeitgeberverbänden in der Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen aus dem Frühjahr 2010.
Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“
Dieser Tarifvertrag soll die Übernahme in besonderer Weise sichern. Ist die Übernahme aus betrieblichen Gründen oder bei „Ausbildung über Bedarf“ gefährdet, prüfen demnach Arbeitgeber und Betriebsrat alle existierenden Möglichkeiten, zum Beispiel die Verschiebung der Übernahme. In diesem Fall leisten die Betroffenen zunächst ihren Wehrdienst ab oder legen ein freiwillig soziales oder ökologisches Jahr ein. Alternativen zur Nichtübernahme sollen ebenfalls in Betracht gezogen werden, wie Übernahme in Kurzarbeit oder Teilzeit.[7]
Tarifvertrag „Zukunft in Bildung“
Der Tarifvertrag soll die Chancen der Auszubildenden auf Weiterbildung während oder nach ihrer Ausbildung erhöhen. Ihm liegt das Konzept der Bildungsteilzeit zugrunde. Demnach können Auszubildende, die zwei Jahre mit zwei Dritteln des Entgelts arbeiten, im dritten Jahr eine Weiterbildung absolvieren, für die sie bezahlt freigestellt sind. Im Anschluss ist ihnen ein weiteres Jahr Beschäftigung im Betrieb bei vollen Entgeltbezügen sicher.[8]
Gesellschaftspolitische Initiativen: „Operation Übernahme“
Die IG Metall Jugend arbeitet seit zwei Jahren verstärkt zum Themenfeld Übernahme nach der Ausbildung. Seit Anfang 2009 läuft ihre bundesweite Kampagne „Operation Übernahme“. Sie richtet sich speziell an Auszubildende, Berufsschüler und Berufseinsteiger aller Branchen der IG Metall, darüber hinaus auch an Studenten entsprechender Studienrichtungen sowie junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren in unsicheren beruflichen Situationen.
Übergeordnete Kampagnenmotive sind soziale Sicherheit, Generationen-Gerechtigkeit und berufliche Perspektiven. Im Fokus steht die Forderung von Auszubildenden nach ihrer Übernahme in ein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis durch ihre Ausbildungsbetriebe zu fairen Bedingungen. Wirkungskreis der Kampagne sind die Betriebe und beruflichen Umfelder der Auszubildenden und Berufseinsteiger.[9]
Die IG Metall Jugend formuliert mit der Kampagne die Forderung nach gesellschaftlicher Anerkennung und Teilhabe, nach einer qualitativ hochwertigen Ausbildung, nach Sicherheit (Planbarkeit) und Perspektiven für Auszubildende und junge Beschäftigte. Die Kampagne gehört zu den erfolgreichsten Mobilisierungskampagnen der IG Metall Jugend in den letzten Jahren.[10]
Einzelnachweise
- ↑ Ausbildungsreport 2009 der DGB Jugend
- ↑ Ohne Perspektive, Frankfurter Rundschau vom 13. Dezember 2009
- ↑ Jung und Chancenlos, Süddeutsche Zeitung vom 15. Dezember 2009
- ↑ Fast jeder zweite 15- bis 24-Jährige ist erwerbstätig, Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 281 vom 11. August 2010
- ↑ Ungelöste Probleme trotz Entspannung: Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (vom 12. Mai 2009)
- ↑ BetrVG § 78a: Schutz Auszubildender in besonderen Fällen
- ↑ Tarifvertrag „Zukunft in Arbeit“ steht, Metallnachrichten des Bezirks NRW vom 19. Februar 2010
- ↑ Angesparte Arbeitszeit zur Weiterbildung nutzen, Nachrichtenarchiv: 2. Juni 2010
- ↑ Junge trifft es als erstes, Junge Welt vom 5. September 2009
- ↑ Aufstand der Jugend legte Frankfurt lahm, Bild vom 7. September 2009
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