Corpsgeist

Corpsgeist

Korpsgeist oder auch Corpsgeist ist eine Ausformung des „Wir-Gefühls“ einer Eigengruppe.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Der Begriff leitet sich aus dem französischen „Esprit de Corps“ ab, das zunächst begrifflich neutral eine Gemeinschaft von Personen des gleichen Standes bezeichnet. Eine historische Definition findet sich im Brockhaus von 1911, der schreibt, Korpsgeist sei „die tätigste Teilnahme jedes einzelnen an dem gemeinschaftlichen Wohl aller, unter Beiseitesetzung aller egoistisch-persönlichen Rücksichten“.[1]

Von Korpsgeist spricht man nach heutiger Definition, wenn eine emotionale Gemeinschaft innerhalb einer objektiv abgrenzbaren Gesellschaftsgruppe entsteht, die nach außen hin einheitlich auftritt und untereinander solidarisch handelt und dadurch persönliche Bindungen über das rein gesellschaftliche Maß hinaus fördert.[2]

Im negativen Sinne wird mit diesem Begriff oft „Standesdünkel“ assoziiert.

Geschichtliches

Bereits die mittelalterlichen Ritterorden waren geprägt vom Korpsgeist, indem sie einheitliche Kleidung, Ordenszeichen, Banner und Siegel führten.[3] Weitere Bedeutung erlangte der Korpsgeist in der frühen Neuzeit beim Preußischen Militär, als adelige Offiziere als Angehörige einer vermeintlich exklusiven Schicht einen „Esprit de Corps“ mit eigenem Verhaltenskodex und einheitlicher rangunabhängiger Kleidung entwickelten.[4] Dieses Verhalten war im 19. Jahrhundert auch an deutschen Universitäten und bei den studentischen Burschenschaften zu beobachten. Der deutsche Jurist Ernst Wichert schrieb:[5]

„Auf den Universitäten wucherte der Korpsgeist und impfte sich nach und nach auch den Burschenschaften ein, die nicht minderwertig erscheinen wollten“

Ernst Wichert, 1899

Gegenwärtig ist der Korpsgeist überwiegend im Militärwesen, bei der Polizei[6], aber auch in der Politik[7] anzutreffen. Aus den Vereinigten Staaten von Amerika ist der Korpsgeist auch in die europäische Wirtschaft eingezogen und wird als Instrument der modernen Betriebsführung und Mitarbeitermotivation angesehen[8]. Als Beispiel gilt das Unternehmen Wal-Mart, wo die Beschäftigten zu Beginn jedes Tages Parolen rufen und dies durch Gestiken wie den sog. Squiggly unterstützen.

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu „Esprit“. Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon. Abgerufen am 27. März 2009.
  2. Rafael Behr: Polizeikultur: Routinen- Rituale- Reflexionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, ISBN 978-3-53-114584-6, S. 93. 
  3. Alain Demurger: Die Ritter des Herrn. Geschichte der geistlichen Ritterorden. C.H.Beck, 2003 (übersetzt von Wolfgang Kaiser), ISBN 3-406-50282-2, S. 213ff.. 
  4. Michael Busch, Karl-Volker Neugebauer: Grundkurs deutsche Militärgeschichte. Die Zeit bis 1914, R. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2006, ISBN 978-3-48-657853-9, S. 86. 
  5. Thomas Ormond: Richterwürde und Regierungstreue. In: Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte. Vittorio Klostermann, 1994, ISBN 978-3-465-02633-4, S. 443. 
  6. Dr. Falko Drescher: Wer kontrolliert die Polizei?. GRIN Verlag für akademische Texte, 2008, ISBN 978-3-638-92882-3, S. 32. 
  7. Leo Kissler: Der deutsche Bundestag. In: Gerhard Leibolz (Hrsg.): Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Neue Folge. Bd. 26, Mohr-Siebeck, 1977, ISBN 978-3-16-640382-3, S. 126ff.. 
  8. Kerstin Haase: Koordination von Marketing und Vertrieb. Gabler Edition Wissenschaft, 2006, ISBN 978-3-83-500501-3, S. 94. 

Literatur

  • Michael Ruck: Korpsgeist und Staatsbewusstsein. R. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, Mannheim 1996, ISBN 3-486-56197-9.  (Digitalisierte Fassung)
  • Giuseppe Bonazzi; Veronika Tacke (Hrsg.): Geschichte des organisatorischen Denkens. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, ISBN 978-3-531-14534-1, S. 188ff..  (Digitalisierte Fassung)

Siehe auch


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