- Corpus Iuris Canonici
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Das Corpus Iuris Canonici (CIC, CICa oder auch CICan) ist eine Sammlung von römisch-katholischem Kirchenrecht, die im Mittelalter nach und nach geschaffen wurde.
Das CICa besteht aus sechs Teilen:
- Decretum Gratiani, um 1140
- Decretales Gregorii IX. oder Liber Extra, 1234 (Abkürzung: X)
- Liber Sextus Bonifacii, 1298 (Abkürzung: VI.)
- Clementinae, 1314 (Abkürzung: Clem.)
- Extravagantes Johannis XXII. (Abkürzung: Extrav. Joh.XXII.)
- Extravagantes Communes (Abkürzung: Extrav.comm.)
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Decretum Gratiani
Am Anfang des Corpus Iuris Canonici stand das Decretum Gratiani oder – wie das Werk von Gratian selbst genannt wurde – die Concordantia discordantium canonum (frei übersetzt „das Werk, das die widersprüchlichen Kirchenrechtsquellen in Übereinstimmung bringt“). Bereits der Titel zeigt Gratians Ziel, Ordnung in die unübersichtliche Vielzahl an verschiedenen, sich teils widersprechenden kirchenrechtlichen Bestimmungen zu bringen. Gratian gliederte seine Rechtssammlung nach inhaltlichen Gesichtspunkten, ordnete die verschiedenen bestehenden Kirchenrechtsquellen wie Konzilsbeschlüsse und Papsterlasse systematisch zu und erklärte, wie die Rechtsquellen miteinander zusammenhängen. Dadurch schuf er eine gut handhabbare Rechtssammlung, die das Kirchenrecht wesentlich übersichtlicher machte.
Vor Gratian gab es auch schon andere Kirchenrechtssammlungen, zum Beispiel den Pseudoisidor und die Sammlungen von Burchard von Worms und Ivo von Chartres. Allerdings war die Sammlung Gratians besser als die anderen Sammlungen, sodass das Decretum Gratiani bald alle anderen Kirchenrechtssammlungen verdrängte und diejenige Kirchenrechtssammlung wurde, die von allen Juristen angewandt wurde. Bald auch begannen Glossatoren das Decretum Gratiani wissenschaftlich zu bearbeiten.
Compilationes Antiquae
In der Zeit nach Gratian fand in der Kirche ein Organisationswandel statt. Das Kirchenrecht war in der Spätantike und im frühen Mittelalter vor allem durch Bischofsversammlungen, die Konzilien, geschaffen worden (siehe auch Canones). Seit dem Hochmittelalter hatten aber die Päpste innerkirchlich so viel Macht erlangt, dass nun sie hauptsächlich die Rechtsetzung durchführten.
Die Weiterentwicklungen des Kirchenrechts nach Gratian sowie die immer wichtiger werdenden Dekretalen (päpstliche Rechtssprüche) wurden in fünf neuen Gesetzbüchern, den sogenannten Compilationes Antiquae, festgehalten:
- Breviarium extravagantium (Dekretalen 1187–1191), verfasst von Bernhard von Pavia
- Compilatio secunda, auch Decretales mediæ (Dekretalen 1191–1198), verfasst von Johann von Wales
- Compilatio tertia (Dekretalen 1198–1210), verfasst von Collivacinus von Benevent im Auftrag Innozenz III.
- Compilatio quarta (Dekretalen 1210–1215 und Ergebnisse des 4. Laterankonzils 1215), anonym
- Compilatio quinta, verfasst im Auftrag Honorius III.
Liber Extra
Um 1230 beauftragte Papst Gregor IX. den Dominikaner Raymund von Peñafort mit einer Sammlung des gesamten bisherigen Kirchenrechts, die die bisherigen Sammlungen ersetzen sollte. 1234 erschien seine in fünf Bücher gegliederte Sammlung, die mit fast 2000 Dekretalen das seit dem Decretum Gratiani neu geschaffene Recht enthielt. Die neue unbetitelte Sammlung wurde als Decretales Gregorii IX, manchmal auch in Anklang an die fünf früheren Sammlungen als Compilatio Sexta, meist jedoch als Collectio seu liber extra oder einfach Liber Extra bezeichnet.
Weitere Ergänzungen
Das nach dem Liber Extra entstandene neue Recht veröffentlichte Papst Bonifaz VIII. 1298 im Liber Sextus (Das sechste Buch), das als Ergänzung der fünf Bücher des Liber Extra konzipiert war und dessen Gliederung übernahm.
Wie der Liber Extra und der Liber Sextus versammeln auch die ergänzenden Clementinen (1317) und Extravaganten (1325–1327) hauptsächlich päpstliche Rechtssprüche (Dekretalen).
Alle Bücher des Corpus Iuris Canonici wurden durch Glossatoren und Kommentatoren wissenschaftlich bearbeitet (vgl. auch Gemeines Recht).
Das Corpus Iuris Canonici wurde im 16. Jahrhundert durch die sogenannten Correctores Romani einer amtlichen Bearbeitung unterzogen und 1582 neu veröffentlicht. Erst 1917 wurde es vom Codex Iuris Canonici abgelöst.
Literatur
- Johann Friedrich von Schulte: Die Geschichte der Quellen und Literatur des canonischen Rechts. 3 Bände. Enke, Stuttgart 1875/1877/1880; Nachdruck: Akademische Druck- und Verlags-Anstalt, Graz 1956.
Weblinks
- Ausgabe Rom 1582
- Corpus juris canonici emendatum et notis illustratum. Gregorii XIII. pont. max. iussu editum. Romae : In aedibus Populi Romani, 1582. Faksimiles, 3 Teile in 5 Bänden, Band 2 (Liber Extra) mit hypertextualisiertem Inhaltsverzeichnis
- Ausgaben nach Richter / Friedberg
- Decretum magistri Gratiani, ed. Emil Ludwig Richter / Emil Friedberg, Leipzig 1879. (= Corpus iuris canonici 1) (Digitalisat als Faksimiles und e-Text beim Münchener DigitalisierungsZentrum)
- Decretales Gregorii IX (Liber Extra), aus: Corpus Iuris Canonici, Pars Secunda: Decretalium Collectiones, Decretales Gregorii, ed. Richter / Friedberg, Leipzig 1881(e-Text der Bibliotheca Augustana)
- Corpus Iuris Canonici, Bd. 1 und Bd. 2, Bernhard Tauchnitz, Leipzig 1879/1881, Nachdruck Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1959.
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Kategorie:- Rechtsquelle (Kanonisches Recht)
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