Dawid Borissowitsch Rjasanow

Dawid Borissowitsch Rjasanow
Rjasanow um 1923

Dawid Borissowitsch Rjasanow (russisch Давид Борисович Рязанов, eigentlich Dawid Borissowitsch Goldendach, Давид Борисович Гольдендах; * 10. März 1870 in Odessa, Ukraine; † 21. Januar 1938 in Saratow) war in seiner Jugend ein Narodnik und später Marxist.

Von 1920 bis 1930 war er Leiter des Marx-Engels-Instituts in Moskau und arbeitete seit 1924 an der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA). Mitte Februar 1931 wurde Rjasanow, der schon seit 1922 mehrfach in Konflikt mit Stalin geraten war, wegen Kontakten zu im Exil lebenden Menschewiki verhaftet, aus der Partei ausgeschlossen und nach Saratow verbannt. Rjasanow konnte in der Verbannung zunächst weiter wissenschaftlich arbeiten, fiel dann aber dem Großen Terror (1936–38) zum Opfer. Er wurde am 21. Januar 1938, unmittelbar nach einer viertelstündigen geschlossenen Gerichtsverhandlung, erschossen.

Seine Frau Anna Lwowna Rjasanowa kämpfte seit 1931 für eine Rehabilitierung ihres Mannes. Sie wurde 1937, als „Frau eines Volksfeindes“, zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt und auch nach ihrer Freilassung nicht über das Schicksal Dawid Rjasanows informiert. Erst unter Chruschtschow konnte der Fall aufgerollt werden. Beide Rjasanows wurden 1958 rehabilitiert. Aber erst 1989/90 wurden Rjasanows Ausschlüsse aus der Partei und der Akademie der Wissenschaften rückgängig gemacht.

Von Rjasanow, der seinerzeit in Deutschland mit Karl Kautsky und Carl Grünberg in Kontakt stand, ist ein Kommentar zu dem in der Marx-Engels-Werkausgabe unterschlagenem Text: Karl Marx Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts. Über den asiatischen Ursprung der russischen Despotie, Verlag Olle & Wolter, Berlin 1977[1] erhalten, der Marx-Text erschien später im Suhrkamp Verlag.

Zitat

„Ich bin kein Bolschewik, ich bin kein Menschewik, ich bin kein Leninist. Ich bin einzig ein Marxist, und, als Marxist, bin ich ein Kommunist.“

Dawid Rjasanow: Moskau 1924 [2]

David-Rjazanov-Preis [3]

Der Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition e.V. vergibt seit 2002 jährlich den David-Rjazanov-Preis für die „beste Nachwuchsarbeit auf dem Gebiet der Marx-Engels-Forschung und -Edition“. Bisherige Preisträger waren Roberto Fineschi (2002), Jana Swiderski (2003), Seijiro Kubo (2004), Falko Schmieder (2005), Marcello Musto (2006) und Ingo Stützle (2008).[4]

Schriften

Als Herausgeber

  • Gesammelte Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels 1852-1862. 2 Bde., Dietz, Stuttgart 1917
  • Karl Marx als Denker, Mensch und Revolutionär. Ein Sammelbuch. Verlag für Literatur und Politik, Wien 1928

MEGA

  • Vorwort zur MEGA 1927; in: UTOPIE kreativ, H. 206 (Dezember 2007), S. 1095-1011. (PDF-Datei; 123 kB)
  • Marx, Karl: Werke und Schriften bis Anfang 1844 nebst Briefen und Dokumenten. Jugendarbeiten, Nachträge, Briefe und Dokumente, 1929.
  • Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels 1844 - 1853, 1929.
  • Friedrich Engels: Werke und Schriften bis Anfang 1844 nebst Briefen und Dokumenten, 1930.
  • Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels 1854 - 1860, 1930.
  • Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels 1861 - 1867, 1930.

Als Autor

  • Karl Marx über den Ursprung der Vorherrschaft Rußlands in Europa. Kritische Untersuchungen. (Ergänzungshefte zur Neuen Zeit 5). Dietz, Stuttgart 1909
  • Karl Marx über China. Labour Monthly, February 1926
  • Karl Marx and Friedrich Engels. Internaltional Publishers, New York 1927 (auch unter dem Titel Marx und Engels nicht nur für Anfänger. Rotbuch, Berlin 1973)
  • Anti-Djuring ; Fridrich ·Engel's.Perevorot v nauke, proizved. g. Evgeniem Djuringom. Pod red. i s vved. D. Rjazanova. Gos. Izd., Moskva Leningrad 1929
  • The Relations of Marx with Blanqui. Labour Monthly, August 1928

Literatur

  • David Rjasanow - Marx-Engels-Forscher Humanist Dissident. Hrsg. u. m. e. biogr. Essay vers. von Volker Külow und André Jarooslawski. Dietz Verlag, Berlin 1993 ISBN 3-320-01798-5
  • David Borisovič Rjazanov und die erste MEGA. Beiträge zur Marx-Engels-Forschung. Neue Folge. Sonderband 1. Argument, Hamburg 1996 ISBN 3-88619-681-X
  • Jakow Rokitjanskij / Reinhard Müller: Roter Dissident. Akademiemitglied Rjasanow. Lenins Opponent - Stalin Opfer. Biographische Skizze und Dokumente. Academia, Moskau 1996 (russisch)
  • Jürgen Rojahn: Aus der Frühzeit der Marx-Engels-Forschung: Rjazanovs Studien im Licht seiner Briefwechsel im IISG. In: MEGA-Studien 1996/1, Berlin 1996 ISBN 3-320-01925-2 S. 3-65
  • Rolf Hecker: Dawid Borisowitsch Rjasanow (1870-1938). In: Günter Benser und Michael Schneider (Hrsg.): Bewahren Verbreiten Aufklären. Archivare, Bibliothekare und Sammler der Quellen der deutschsprachigen Arbeiterbewegung. Bonn-Bad Godesberg 2009, S. 258-267 ISBN 978-3-86872-105-8. online (pdf)
  • Hugo Cerqueira: David Riazanov e a edição das obras de Marx e Engels, Cedeplar/UFMG, Belo Horizonte 2009 (Texto para discussão n° 352, portugiesisch), Online-Version (21 Seiten pdf)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der letzte Wille des Tschingis Khan. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1977 (online).
  2. UTOPIE kreativ, H. 206 (Dezember 2007), S. 1095
  3. Der Stifter verwendet diese transliterierte Umschrift des Namens Давид Рязанов
  4. Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition e.V.: Auslobung und Verleihung des Rjazanov-Preises



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