- Dentalamalgam
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Amalgamfüllungen sind in der Zahnmedizin Füllungen aus Quecksilberlegierungen, die eine breite Anwendung in der Füllungstherapie haben.
Inhaltsverzeichnis
Verwendung als Zahnfüllung
Eine häufige Anwendung der Amalgame ist die Verwendung als Füllung für Zähne, heute ausschließlich in der Form von Silberamalgam. Die erste Verwendung zu diesem Zweck wird dem Zahnarzt I. Regnart im Jahre 1818 zugeschrieben, wobei das umstritten ist und auch die Namen Thomas Bell und Taveau genannt werden. Ab 1820 wird es massenhaft als Füllungsmaterial verwendet [1]. Zahnärztliches Amalgam entsteht durch das Vermischen, sog. Triturieren, von jeweils etwa 50 % reinem Quecksilber und einer Feilungsmischung verschiedener Metalle zu einer plastischen Masse, die nach kurzer Zeit (ca. 3-5 Minuten) erhärtet. Die Feilungsmischung setzt sich heute aus mindestens 40 % Silber, maximal 32 % Zinn, maximal 30 % Kupfer, maximal 5 % Indium, maximal 3 % Quecksilber und maximal 2 % Zink zusammen. (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) 2005, S.6 [2]). Diese seit den 1980er-Jahren in der Zahnheilkunde üblichen Non-Gamma-2-Phasen-Silberamalgame enthalten etwas mehr Kupfer und weniger Zinn als frühere Mischungen und sind dadurch korrosionsbeständiger. Kupferamalgam enthält als zweiten Hauptbestandteil Kupfer anstatt Silber und wurde bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ebenfalls als Material für Zahnfüllungen verwendet. Wegen seiner geringeren chemischen Beständigkeit und der umweltschädlichen Verarbeitung (es wurde vorgemischt geliefert und musste zur Verarbeitung durch Erhitzen erweicht werden) wurde es später durch Silberamalgam ersetzt.
Der Vorteil von Amalgam als Füllungsmaterial liegt in der relativ einfachen, auch unter schwierigen Bedingungen im Mund weitgehend fehlertoleranten Verarbeitung und in seiner Haltbarkeit, die bei vergleichbar korrekter Verarbeitung auch heute noch mit keinem anderen plastischen Material erreicht werden kann. Zudem ist Amalgam erheblich preisgünstiger als moderne Füllungskunststoffe, die ihre Vorteile hauptsächlich in der zahnähnlichen Farbe und in der Möglichkeit einer adhäsiven Befestigung an der Zahnhartsubstanz haben.
Gesundheitliche Bedenken
Die Verarbeitung von reinem Quecksilber und der hohe Quecksilbergehalt (etwa 50 %) haben bereits sehr früh eine Diskussion über mögliche Gesundheitsgefährdungen bewirkt, die von der Verwendung von Amalgam als Füllungsmaterial ausgehen könnten. Bereits 1833 brach in den USA nach der forcierten Einführung von Amalgam als Füllmaterial der sogenannte „Amalgamkrieg“ aus, der zu einem zeitweiligen Verbot des Amalgam als Füllmaterial führte. In Deutschland flammte eine ähnliche Diskussion in den 1920er Jahren auf. [3] Während dieser sich mittlerweile über fast zweihundert Jahre hinziehenden Debatte konnte eine wesentliche Gesundheitsgefährdung nicht direkt nachgewiesen werden. In der Theorie werden zwei verschiedene Mechanismen der Schädigung angenommen: Intoxikation (Vergiftung) und Allergie.
Menschen, die mehrere verschiedene (Schwer-)Metalle im Mund haben (etwa Gold, Amalgam, Silber), weisen erhöhte Quecksilberwerte auf, da durch die elektrochemische Korrosion im Mund Quecksilberionen aus dem Amalgam gelöst werden können. Durch Abrasion gelangen auch die Schwermetalle Kupfer und Zinn in den Organismus. Quecksilber wird vor allem in Form von Quecksilberdampf aufgenommen (BfArM 2005, S. 8 [2]). Bei der Aufnahme von Quecksilber kommt es zu vermehrter Ausscheidung im Urin und zur Einlagerung von Quecksilber im Körper, vor allem im Fettgewebe. Dies ermöglicht die neurotoxische Wirkung des Schwermetalls, denn Nervengewebe ist u. a. von Fett umgeben. Das BfArM empfiehlt, bei Schwangeren und Nierengeschädigten auf die Verwendung von Amalgam zu verzichten (BfArM 2005, S. 17 [2]).
Amalgam gilt als das Füllungsmaterial mit dem niedrigsten Allergiepotential. Eine Allergie auf Amalgam wird sehr selten festgestellt, verschiedene Quecksilberallergien häufiger, zum Beispiel bei im Säuglingsalter (Alter < 1 Jahr) durch quecksilberhaltige Impfungen (siehe oben) sensibilisierten Menschen. Amalgam- und Quecksilberallergien sind in der Regel zelluläre Sensibilisierungen vom Typ IV (Spättyp), aus diesem Grund können sie mittels Kurzzeitepikutantest auf der Haut in der Regel nicht festgestellt werden, jedoch mit einem Langzeitepikutantest oder einem Lymphozytentransformationstest.
Im Jahre 1997 wurde zum Umgang mit Amalgam ein Konsenspapier des Bundesgesundheitsministeriums, des BfArM sowie diverser zahnärztlicher Gesellschaften und Institutionen veröffentlicht [4]. Ähnliche Empfehlungen kamen in den letzten Jahren von der EU. Im Dezember 2004 erschien eine Studie des „Life Sciences Research Office“ der USA: Eine Auswertung aller Forschungsarbeiten seit 1996 fand keinen Nachweis der Gefährdung durch Amalgamfüllungen [5]. Eine Literaturstudie des Instituts für Krankenhaushygiene der Universitätsklinik Freiburg kam dagegen zu dem Schluss: „Aufgrund der Berücksichtigung aller verfügbaren Daten kann Amalgam weder medizinisch, arbeitsmedizinisch noch ökologisch als sicheres Zahnfüllungsmaterial bezeichnet werden.“ [6]
Die Diagnostik von Quecksilbervergiftungen umfasst Blut-, Urin- und/oder Stuhluntersuchungen. Speicheltests und Haaranalysen gelten als unzuverlässig und werden nicht empfohlen. [7] [8] [9] Bei einer nachgewiesenen akuten Quecksilbervergiftung sollte der Einsatz von Chelatbildnern wie DMPS und DMSA erwogen werden. Diese bilden mit Quecksilber- und anderen Metallatomen wasserlösliche Komplexe, die dann über den Urin oder Stuhl ausgeschieden werden können. Diese Behandlung kann jedoch zu massiven Nebenwirkungen durch Ausscheiden notwendiger Spurenelemente führen.
Eine neuere Studie der Technischen Universität München kommt zu dem Ergebnis, dass eine Amalgamentfernung die Spiegel an anorganischem Quecksilber senkt, die subjektiven Beschwerden jedoch sowohl durch die Entfernung als auch durch allgemeine Gesundheitsmaßnahmen ohne Amalgamentfernung positiv beeinflusst werden können. Eine zusätzliche „biologische Detoxifikation“ mit Vitaminen und Spurenelementen erbrachte in der Amalgamentfernungsgruppe keine zusätzliche Verbesserung. [10]
Gesundheitliche Unbedenklichkeit
Zahnfüllungen aus Amalgam werden seit Jahrzehnten weltweit massenhaft verwendet. Die überwiegende Mehrzahl der epidemiologischen und toxikologischen Studien haben keine Gesundheitsgefahren gezeigt. In Deutschland übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Füllungen im „kaudrucktragenden Seitenzahnbereich“ nur, wenn „im Regelfall Amalgam“ verwendet wird. Das wurde auch 1994 höchstrichterlich bestätigt. Im Bereich der Kassenzahnärztlichen Versorgung gilt Amalgam jedoch als „absolut kontraindiziert, wenn der Nachweis einer Allergie gegenüber Amalgam oder dessen Bestandteilen gemäß den Kriterien der Kontaktallergiegruppe der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie erbracht wurde bzw. wenn bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz neue Füllungen gelegt werden müssen.“[11] In diesem Fall sind „Kompositfüllungen im Seitenzahnbereich (...) entsprechend der Adhäsivtechnik“ Kassenleistung. [12]
Ein Austausch intakter Amalgamfüllungen fällt nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wie das Bundessozialgericht wiederholt festgestellt hat. [13] [14]
Alternative Kunststofffüllungen (Komposit, Ormocere) sind statistisch nicht so lange haltbar wie Amalgamfüllungen. Ihre ausschließliche Verwendung würde die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung für Zahnfüllungen wesentlich erhöhen, da die Füllungen häufiger gewechselt werden müssen bzw. häufiger mit Zahnverlust zu rechnen ist. Weiterhin würden die Kosten steigen, da Kunststofffüllungen einen höheren Zeitaufwand bei ihrer Anfertigung benötigen und die verwendeten Materialien um ein Vielfaches teurer sind. Kompositfüllungen sind toxikologisch möglicherweise auch bedenklich, da sie 200 noch nicht sehr detailliert untersuchte chemische Verbindungen umfassen. Goldfüllungen (Inlay) sind aus toxikologischer Sicht dagegen unbedenklich. Auch Keramikfüllungen sind toxikologisch unbedenklich, sie werden jedoch nicht wie Goldfüllungen zementiert, sondern mit Kunststoff (chemisch identisch mit Kunststofffüllungen) eingeklebt, wobei theoretisch wieder ein Allergiepotenzial besteht.
Eine Multizenter-Studie konnte keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Amalgamfüllungen bei Patienten und deren subjektiven Beurteilungen ihres Gesundheitszustands feststellen. [15]
Als weitere Einschränkung für die Anwendung von Amalgamfüllungen in Deutschland gelten:
- keine Amalgamfüllungen bei Schwangeren
- keine Amalgamfüllungen bei verringerter Nierenfunktion
- sorgfältige Abwägung der Indikation bei Kindern
Alle diese Einschränkungen wurden ohne gesicherte Erkenntnisse als reine Vorsichtsmaßnahme empfohlen.
Eine ältere Empfehlung, bei „Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter“ keine Amalgamfüllungen zu legen, besteht nicht mehr.
Die aktuelle Stellungnahme der Weltgesundheitsorganisation kommt zu dem Schluss: „Laut aktuellem Kenntnisstand sind die derzeit vorhandenen Restaurationsmaterialien, einschließlich Dentalamalgam, als sicher und zuverlässig zu betrachten. Allerdings kommt es gelegentlich zu biologischen Gegenanzeigen. Diese sind jedoch individuell bedingt und demgemäß individuell zu behandeln. Die WHO erkennt die Notwendigkeit einer fortgesetzten Sicherheits- und Wirksamkeitsüberwachung aller dentalen Restaurationsmaterialien an.“[16]
Amalgamabscheider in Zahnarztpraxen
In Deutschland müssen Zahnarztpraxen ihre Abwässer über einen Amalgamabscheider reinigen. Schwermetall-belastete Abwässer führen zu erhöhtem Aufwand in Klärwerken. So unterliegen Zahnarztpraxen wie andere Schwermetall verarbeitende Betriebe besonderen Gewässerschutzauflagen.
Die in der Praxis gesammelten Abfälle aus den Amalgamabscheidern müssen kostenpflichtig bei Recyclingunternehmen entsorgt werden. Über die Entsorgung ist ein Nachweis zu führen, sie ist jährlich bei der unteren Wasserbehörde nachzuweisen. Die Recyclingunternehmen finanzieren sich neben den Gebühren auch durch die Rückgewinnung der wertvollen Metalle in den Füllungsresten (Silber im Amalgam und Goldspäne).
Amalgam-Verwendung im Ausland
In Schweden wurde die Verwendung von Silberamalgam stark eingeschränkt, um die Belastung der Umwelt zu reduzieren – 20 bis 40 Tonnen Amalgam gelangen jährlich in den Mund und mit dem Tod des Patienten (falls er verbrannt wird) wieder in die Umwelt.
In den letzten Jahrzehnten der Sowjetunion wurde überwiegend Kunststoff für Seitenzahnfüllungen verwendet. Amalgam wurde dabei allerdings nicht thematisiert.
Quecksilberverbot
Laut Pressemitteilung vom 15. Januar 2009 entschied das Umweltministerium in Schweden, den Gebrauch von Quecksilber generell zu verbieten. Das Verbot bedeutet, dass der Gebrauch von Amalgam in Zahnfüllungen eingestellt wird und dass quecksilberhaltige Produkte nicht mehr in Schweden vermarktet werden dürfen. Andreas Carlgren, der schwedische Umweltminister, sagte: „Das Verbot ist ein starkes Signal für andere Länder und der Beitrag Schwedens zu den Zielen von EU und UN, Gebrauch und Emission von Quecksilber zu reduzieren.“ Die neuen Regelungen treten am 1. Juni 2009 in Kraft.[17]
Im Februar 2009 einigten sich die Umweltminister der Vereinten Nationen bei ihrem Treffen in Nairobi darauf, ab spätestens 2013 weltweit kein Quecksilber mehr zu verwenden, da es ein tödliches Gift ist.[18] Der Beschluss soll in eine Verordnung umgesetzt werden, die 2011 in Nairobi beim Treffen des UNEP-Verwaltungsrates (UN-Umweltprogramm) beschlossen werden soll. Entscheidend war, dass die USA ihre bisherige Blockade eines Quecksilberverbotes aufgegeben hatten.
In der EU sind die Zahnärzte die zweitgrößten Anwender von Quecksilberamalgam, sie verarbeiten jährlich in Europa 70 bis 90 Tonnen Quecksilber. Die Europäer haben insgesamt nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts rund 2000 Tonnen Quecksilber im Mund. Alleine die Deutschen haben rund 200 bis 300 Millionen Amalgamfüllungen. Mit dem Quecksilberverbot ergäbe sich automatisch auch ein Aus für die quecksilberhaltigen Amalgamfüllungen.
Weblinks
- Arbeitsgemeinschaft Zahngesundheit des Rhein-Neckar-Kreises: „Informationen zu Amalgam“
- ALLUM: Gute, verständliche Informationen zum Thema Amalgam
- Artikel über Unbedenklichkeitsstudie
Einzelnachweise
- ↑ Zur Geschichte der Amalgamvergiftung
- ↑ a b c Broschüre des BfArM: „Amalgame in der zahnärztlichen Therapie“
- ↑ Ingrid Müller-Schneemayer: „Die Amalgamkontroverse in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts“
- ↑ Konsenspapier „Restaurationsmaterialien in der Zahnheilkunde“
- ↑ Pressemitteilung der LSRO zur Studie „LITTLE EVIDENCE TO LINK MERCURY FILLINGS TO HUMAN HEALTH PROBLEMS“
- ↑ J. Mutter, J. Naumann, H. Walach, F. Daschner: „Amalgam: Eine Risikobewertung unter Berücksichtigung der neuen Literatur bis 2005“
- ↑ Merkblatt zur BK Nr. 1102: Erkrankungen durch Quecksilber oder seine Verbindungen
- ↑ Laborlexikon: Amalgam
- ↑ AWMF: Umweltmedizinische Leitlinie: Quecksilber
- ↑ Melchart D et al. Treatment of health complaints attributed to amalgam. J Dent Res. 2008 Apr;87(4):349-53. PMID 18362317
- ↑ Protokollnotiz zum Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses für zahnärztliche Leistungen vom 17. April1996
- ↑ Einheitlicher Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen gemäß § 87 Abs. 2 und 2d SGB V, Pos 13 e – g
- ↑ BSG, Urteil vom 6. Oktober 1999 – B1 KR 13/97 R
- ↑ BSG, Urteil vom 30. Oktober 2002 – B1 KR 31/01 R
- ↑ Melchart D, Wühr E, Weidenhammer W, Kremers L: A multicenter survey of amalgam fillings and subjective complaints in non-selected patients in the dental practice. Eur J Oral Sci. 1998 Jun;106(3):770-7. PMID 9672099
- ↑ „WHO-Konsenserklärung zum Thema Dentalamalgam“
- ↑ http://www.sweden.gov.se/sb/d/11459/a/118550
- ↑ Dental Tribune: Globales Übereinkommen zu Quecksilber, 6. März 2009, Seite 1
DIN EN ISO 24234, Ausgabe:2005–01 Zahnheilkunde – Quecksilber und Legierungen für zahnärztliche Amalgame (ISO 24234:2004); Deutsche Fassung EN ISO 24234:2004
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