- Der Waldgang
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Der Waldgang ist ein 1951 erschienener Essay von Ernst Jünger. Darin geht es um die Frage: Wie verhält sich der Mensch angesichts und innerhalb der Katastrophe? (Sämtl. Werke 7 S. 317). Als "Waldgänger" beschreibt Jünger einen Menschen, der sich gedanklich unabhängig hält von der umgebenden Gesellschaft und zum Widerstand fähig ist, falls der jeweilige Staat ein verbrecherischer ist oder wird. Der Waldgang gehört mit Über die Linie, Der gordische Knoten, und Der Weltstaat in eine Reihe von Essays, in denen sich Jünger in den Fünfziger Jahren mit der politischen Situation seiner Zeit auseinandersetzte.
Inhalt
Ausgangspunkt ist eine Betrachtung von Wahlen, die so gelenkt sind, dass keine wirkliche Alternative mehr besteht und 98 Prozent Zustimmung erzielt werden. Einige angeführte Aspekte, wie uniformierte Wahlhelfer, staatliche Propaganda oder suggestiv gestaltete Wahlzettel, erinnern an Scheinwahlen in Diktaturen, doch schränkt Jünger die Beschreibung nicht explizit auf solche ein. Die zwei Prozent der Menschen, die mit Nein stimmen, stellen die möglichen Waldgänger.
Dass ein solcher Waldgänger tatsächlich Widerstand leisten muss, ist die Ausnahme. Für den Normalfall geht Jünger davon aus: "Im allgemeinen bilden die Institutionen und die mit ihnen verknüpften Vorschriften gangbaren Boden; es liegt in der Luft, was Recht und Sitte ist. Natürlich gibt es Verstöße, aber es gibt auch Gerichte und Polizei" (S. 361). Allerdings muss dieser „Waldgänger“ von vornherein mit der Möglichkeit rechnen und darauf vorbereitet sein, dass sich das ändert und er irgendwann einem verbrecherischen System gegenübersteht: "Man kann sich jedoch nicht darauf beschränken, im oberen Stockwerk das Wahre und Gute zu erkennen, während im Keller den Mitmenschen die Haut abgezogen wird" (S. 314).
In einer Diktatur wäre es dabei unklug, einen Widerspruch offen zu äußern, es brächte einen lediglich ins Gefängnis. Zugleich erleichtert es eine Diktatur durch die Vereinheitlichung des politischen Lebens dem Waldgänger, Aufmerksamkeit zu erzielen. "Gerade auf eintönigen Unterlagen leuchten Symbole besonders auf" (S. 295). Ein "Nein" an einer Hauswand kann als Provokation oder Aufruf bereits reichen. Oder ein bloßes "W" für Waldgänger oder Widerstand. Wenn Gewalt nötig wird, führt er einen Partisanenkrieg mit Anschlägen und Sabotagen. "Er kann selbst Heere lähmen, wie man es an der Napoleonischen Armee in Spanien gesehen hat" (S. 353).
Wenn der Waldgänger Widerstand leistet, steht er damit immer außerhalb der jeweiligen staatlichen Rechtsordnung, wie auch immer die beschaffen ist. Er kann also nicht erwarten, dass sich seine Motive strafmildernd auswirken. Er hat also ein Recht zu seinen Handlungen nur in einem ethischen Sinn, nie vor der Rechtsprechung des jeweiligen Staates (S. 344 f).
Literatur
- Ausgaben
- Der Waldgang, Klostermann, Frankfurt a.M. 1951
- Der Waldgang, in: Sämtliche Werke. Band 7. Essays I, S. 281-375 Klett-Cotta, Stuttgart 1980, ISBN 3-608-93477-4
- Der Waldgang, Hörbuch (ungekürzt), Edition Apollon 2011, ISBN 978-3-941940-08-6
- Sekundärliteratur
- Helmuth Kiesel, Ernst Jünger. Die Biographie, Siedler, München 2007, S. 598 ff., ISBN 3-886-80852-1
- Steffen Martus, Ernst Jünger. Stuttgart, Weimar 2001, S. 191 ff, ISBN 3-476-10333-1
Weblinks
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