- Der richter und sein henker
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Der Richter und sein Henker ist ein Roman des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt, der vom 15. Dezember 1950 bis zum 31. März 1951 in acht Folgen in der Wochenzeitschrift «Der Schweizerische Beobachter» erschien.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Hans Bärlach ist ein alter Kriminalkommissar in Bern. Sein bester Mitarbeiter, Ulrich Schmied, wird auf einer Landstrasse im Jura erschossen aufgefunden. Daraufhin lässt Bärlach, da er selber krank ist, die Ermittlungen hauptsächlich von seinem Assistenten, dem Kriminalbeamten Tschanz durchführen. Dieser aber ist der Mörder und bringt deshalb den Lobbyisten Gastmann in Verdacht, der in der Nähe des Tatortes ein Haus hat. Es ergibt sich, dass Schmied mit Gastmann unter falschem Namen in Kontakt stand und wohl auf eigene Faust gegen ihn ermittelte. Die Polizei gerät in Schwierigkeiten, weil Gastmann politische Gönner hat.
Bei einem Besuch bei Gastmann wird Bärlach von dessen riesigem Hund angegriffen, und Tschanz muss das Tier erschießen.
Bärlach und Gastmann kennen sich. Vor vier Jahrzehnten wettete Gastmann, er werde ein Verbrechen begehen, das Bärlach ihm nicht nachweisen könne, und tötete einen Unbeteiligten, dessen Tod er als Selbstmord darstellte. Bärlach machte Karriere als Polizist, Gastmann als Verbrecher, und Gastmann blieb Bärlach immer einen Schritt voraus. Als letztes legales Mittel hat der alte Kommissar mit Schmied seinen besten Mann auf Gastmann angesetzt, wiederum ohne Erfolg. Daher versucht er nun, indirekt Tschanz auf den Kriminellen anzusetzen; dieser muss Gastmann schließlich des Mordes bezichtigen, um sich selbst zu schützen, aber auch um den «falschen» Mordfall abzuschließen und durch diesen kriminalistischen Erfolg in Schmieds Fußstapfen treten zu können.
Als Bärlach weitere Ermittlungen gegen Gastmann ablehnt, ist Tschanz verzweifelt. Gleichzeitig hat Bärlach Gastmann gewarnt, er werde ihm einen «Henker» schicken. Damit meint er den zu allem entschlossenen Tschanz, der die Konfrontation mit Gastmann sucht; als dieser sich zur Wehr setzt, werden er und seine zwei Diener von Tschanz erschossen. Auf diese Weise gelingt es Bärlach, Gastmann zu richten – allerdings nicht für dessen begangene Verbrechen, sondern für einen Mord, den ein anderer beging.
Zum Schluss entlarvt Bärlach auch Tschanz als Mörder, was er ihm bei einem letzten Treffen – einem opulenten "Festessen" bei sich zu Hause – anhand von Indizien beweist. Tschanz ist erneut verzweifelt, gibt aber alles zu und wird von Bärlach hinausgeworfen. Am nächsten Tag findet man ihn tot unter seinem von einem Zug erfassten Wagen.
Personencharakteristik
Hans Bärlach
- Bärlach ist ein Kriminalkommissar in Bern. Er ist von „schweigsamer, bedächtiger und hintergründiger Wesensart“.[1] Der todkranke Kommissar treibt sozusagen ein doppelbödiges Spiel, in dem er sich im Hintergrund hält und von dort die Fäden zieht, um seinen alten Rivalen und Verbrecher Gastmann nach gut vier Jahrzehnten überführen zu können. Da er es nicht schafft, ihn mit legalen Mitteln fest zu nehmen, benutzt er Tschanz, seinen Assistenten, als «Henker» und kann seinen Widersacher so zur Strecke bringen.
Tschanz
- Tschanz ist ein Kriminalbeamter in Bern, den Bärlach zu seinem Assistenten in der 'Mordsache Schmied' machen lässt. Wegen seines krankhaften Ehrgeizes bringt er „seinen Kollegen Schmied um, dem er Fähigkeit, Erfolg, Bildung und sein Mädchen neidet“.[2] Bärlach kann ihn aber schnell entlarven und benutzt ihn regelrecht als seinen «Henker», um Gastmann zu erledigen. Am Ende wird Tschanz von einem Zug erfasst und stirbt.
Gastmann
- Gastmann, „ein kühler rechnender und selbstsicherer Verbrecherkönig“,[3] lebt in der Nähe von Bern. Er wird als Gelegenheitsphilosoph bezeichnet und wegen einer Wette, die er mit Bärlach in Istanbul in jungen Jahren geschlossen hatte, von dem Kommissar seit 40 Jahren erfolglos gejagt. Obwohl er beim letzten Treffen mit Bärlach noch selbstsicher seine Überlegenheit auszuspielen versucht, zeigt er sich zum Schluss von Bärlach überrascht, dem es schließlich tatsächlich gelingt, Gastmann in eine Falle zu locken, in der dieser zu Tode kommt.
Würdigung
Der Richter und sein Henker ist ein Kriminalroman, denn es liegt ein Verbrechen vor, und es wird ermittelt. Am Ende des Buches erfährt der Leser, wer der Täter war. Gleichzeitig ist das Buch aber eine Kritik am Kriminalroman und auch an der Kriminalistik, denn es wird von Anfang an falsch ermittelt: Der Kommissar kennt schon alle Hintergründe, und auch der Täter ist ihm bald bekannt; er setzt die Ermittlungen nur fort, um eine „Gerechtigkeit“ zu erzeugen, die sich auf kriminalistischem und legalem Wege nicht finden lässt.
Das Thema des Buches ist mithin weniger die kriminalistische Methode als vielmehr „das Abenteuer dieses Daseins“. Deshalb ist Der Richter und sein Henker auch und vor allem ein Charakterporträt eines desillusionierten Einzelgängers, der dem gewöhnlichen Lauf der Dinge keine Methode, sondern seine Persönlichkeit entgegensetzt. Neben Bärlachs Lebenserfahrungen ist auch seine Haltung als Schweizer gegenüber dem Nationalsozialismus bezeichnend, sowie der Kampf mit innerbehördlichen Hierarchien. Der rücksichtslose Einsatz der eigenen Person gipfelt in einem psychischen Zweikampf mit dem Mörder Schmieds, in dessen Verlauf Bärlach, der wirklich todkrank ist, vorgaukelt, seine Krankheit sei nur aus taktischen Gründen gespielt gewesen, woraufhin der Mörder, durch Bärlachs psychische Überlegenheit bezwungen, sich selbst tötet (zumindest wird der Suizid angedeutet).
Das Bärlach-Porträt setzt Dürrenmatt in dem Roman Der Verdacht fort. Die grundlegende Kritik an der Figur des Detektivs, der richtig ermittelnd zum falschen und falsch ermittelnd zum richtigen Ergebnis kommt, findet eine Fortsetzung in dem Roman Das Versprechen.
Adaptionen
- Eine vielbeachtete Adaption gelang 1975 Maximilian Schell mit dem Film Der Richter und sein Henker: Tschanz wird von Jon Voight und Bärlach von Martin Ritt verkörpert. Dürrenmatt schrieb am Drehbuch mit und ist in einer Nebenrolle als Schriftsteller zu sehen.[4]
- Am 8. November 2008 wurde „Der Richter und sein Henker“ als Oper in Erfurt uraufgeführt. Der Komponist ist Franz Hummel.
Siehe auch
- Walter Lüthi (wird im Roman erwähnt)
Literatur
Textausgaben
- Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker. Kriminalroman. 16. Auflage (Taschenbuch). Diogenes Verlag, Zürich 2002, 181 S., ISBN 978-3-257-22535-8
- Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker. Rowohlt, 2007. ISBN 978-3-499-10150-2
Sekundärliteratur
- Matzkowski, Bernd: Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 42). Hollfeld: C. Bange Verlag 2006. ISBN 978-3-8044-1733-5
- Walter Seifert: Friedrich Dürrenmatt, Der Richter und sein Henker. Interpretation, 5. Auflage, Oldenbourg, München 1996. ISBN 3-486-88616-9
Einzelnachweise
- ↑ Annemarie und Wolfgang van Rinsum: Lexikon literarischer Gestalten deutschsprachiger Literatur. Alfred Kröner Verlag. 2. Auflage 1993. S.36
- ↑ van Rinsum: Lexikon literarischer Gestallten deutschsprachiger Literatur S.464
- ↑ van Rinsum: Lexikon literarischer Gestalten deutschsprachiger Literatur S.150
- ↑ Der Richter und sein Henker in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
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