Der weiße Dampfer

Der weiße Dampfer

Der weiße Dampfer ist eine tragische Novelle von Tschingis Aitmatow aus dem Jahr 1970.

Inhalt

Im Zentrum der Geschichte steht ein siebenjähriger namenloser Junge. Er lebt mit seinem Großvater Momun, seiner (Stief-)Großmutter, seinem Onkel Oroskul, dem Förster, Tante Bekej und dem Waldarbeiter Sejdachmat und dessen Frau Güldschamal in einer einsamen, abseits gelegenen kleinen Waldsiedlung in einem Naturschutzgebiet in den Bergen des Tianschan-Gebirges in Kirgisistan. Er wurde von seinen Eltern, als diese sich trennten, im Stich gelassen. Seine Mutter ist in der Stadt und hat eine neue Familie. Sein Vater soll Matrose auf einem weißen Dampfer auf dem nahen (aber für den Jungen doch zu weit entfernten) Issyk-Kul-See sein. Das sagt zumindest Großvater Momun, der sich um den Jungen kümmert. Sein Onkel Oroskul ist ein tyrannischer, böser Mensch, der unzufrieden mit seinem Leben ist und deswegen alle anderen schikaniert. Er ist außerdem frustriert, weil ihm seine Frau Bekej, eine Tochter Momuns, kein Kind schenkt.

Im Suff schlägt er sie deswegen regelmäßig. Er nutzt seine Machtposition als Stelleninhaber der Försterei (und Arbeitgeber der anderen) aus und alle müssen unter ihm leiden. Der Junge ist ohne Spielkameraden und lebt in seiner Phantasiewelt. Er glaubt an die Gehörnte Hirschmutter aus der kirgisischen Märchenwelt, die einst die kirgisischen Stämme beschützte und vor der Ausrottung bewahrte. Seine Gefährten sind Steine, Pflanzen, das Fernglas des Großvaters und seine Schultasche, die er vom Großvater geschenkt bekommt, da er im Spätsommer zur Schule kommt. Der Junge beobachtet mit dem Fernglas oft den weißen Dampfer auf dem Issyk-Kul-See und träumt davon, sich in einen Fisch zu verwandeln, um so zu seinem Vater zu gelangen, den er noch nie gesehen hat. Im Sommer übt er dazu fleißig Tauchen und Luftanhalten im Fluss nahe der Försterei.

Endlich beginnt die Schule. Der Junge hat sich schon lange darauf gefreut. Der Großvater bringt ihn mit dem Pferd hin und holt ihn immer wieder ab, denn die Schule liegt im entfernten Dorf. Der Junge liebt die Schule. So vergeht die Zeit. Es kommt der einsame Bergwinter, dann wieder ein Sommer, in dem oft Hirten mit ihren Herden in der Nähe der Waldsiedlung Rast machen. Onkel Oroskul, der Förster, macht dann oft krumme Geschäfte - Fleisch und Wodka gegen Bauholz, obwohl es ihm eigentlich verboten ist, die geschützten seltenen Bergkiefern im Naturschutzgebiet zu fällen. Im Herbst ist es wieder soweit: Oroskul muss liefern. Die Holzernte ist mangels vorhandener Technik eine harte Arbeit. Es kommt, nachdem dabei am Steilhang fast ein Unglück geschieht, zum Streit zwischen dem ansonsten sehr duldsamen alten Momun und seinem Schwiegersohn.

Anstatt sich weiter mit dem Stamm abzurackern, verlässt Momun Oroskul, um erstmal den Jungen von der Schule abzuholen. Das ist bereits zu viel für den cholerischen Oroskul. Da tauchen plötzlich die eigentlich in diesem Gebiet ausgerotteten Maralhirsche auf, die Nachfahren der "gehörnten Hirschkuh". Vermutlich sind sie aus einem Naturschutzgebiet im benachbarten Kasachstan eingewandert. Oroskul sind die seltenen Tiere egal. Er ist wütend auf seinen Schwiegervater, droht mit Entlassung und wirft am Abend nach einer Prügelorgie (mal wieder) seine Frau Bekej aus dem Haus. Doch die Bewohner der Försterei kuschen. Momun erzählte seinem Enkel auf dem Rückweg von der Schule von den Maralen. Dieser ist begeistert; glaubt die gehörnte Hirschkuh selbst sei zurückgekehrt, um ihnen zu helfen und Oroskul vielleicht endlich zu einem Kind zu verhelfen, dem Thema in der Siedlung, von dem sich alle eine Besserung versprechen...

Er trifft dann auch auf die Tiere, die, da sie noch nie einem Menschen begegnet sind, keine Furcht zeigen. Am Abend wird der Junge krank und muss mit Fieber und Schüttelfrost allein ins Bett, da alle anderen noch damit beschäftigt sind, den Tyrannen Oroskul irgendwie zu besänftigen. Als am nächsten Tag der Kunde kommt und seinen Stamm abholen will, müssen alle Männer zum Fluss, denn dort hat sich der Stamm verkeilt und war nach dem Streit der beiden Männer liegen geblieben. Die Marale tauchen wieder auf, alle sind erstaunt und ergriffen, doch statt sich an den Tieren zu erfreuen (wie man es von einem Revierförster im Naturschutzgebiet erwarten würde), plant man schon den Festbraten. Wenn man schon illegal Holz schlägt ... Momun ist empört. Dennoch wird gerade er gezwungen, die Hirschkuh zu schießen. Ein Triumph für Oruskul.

Momun ist am Ende; was gar nicht seiner Art entspricht, besäuft er sich am Abend, während alle anderen das Festmahl vorbereiten. Obwohl es ihm immer noch schlecht geht, kommt der Junge aus dem Haus des Großvaters. Er versteht nicht, was geschieht, wundert sich über seinen betrunkenen Großvater, über die Hektik. Dann bemerkt er den abgeschlagenen Maralschädel und sieht, wie die Reste des von ihm verehrten Tieres von seinem Onkel und dessen Gast ausgeschlachtet werden. Sein Großvater kann ihm nicht helfen. Für den Jungen bricht die Welt zusammen. Während die Menschen saufen, lachen, fressen und sich über Momun lustig machen, den man zwang, das Tier zu schießen, verlässt er ihm Fieberwahn das Forsthaus um zu brechen. Er sieht seinen Großvater im Hof liegen. Da der ihm, nicht ansprechbar, nicht helfen kann, läuft er - im Fieberwahn - zum Fluss. Er will wieder zum Fisch zu werden, um dieser Welt zu entfliehen, die ihn so sehr abstößt. Es ist Herbst, als der kranke Junge in das eiskalte Wasser aus den Bergen stieg. Mit seiner Vision "Ich werde ein Fisch. Großvater, sag den anderen, dass ich ein Fisch geworden bin.", starb er im Wasser. Mehr erfährt der Leser nicht.

Nachdenklich lässt Aitmatow den Leser am Ende der Novelle zurück.

Verfilmung

Die Geschichte wurde 1976 von Bolotbek Schamschijew verfilmt.

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