- Die Krankheit zum Tode
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Die Krankheit zum Tode (Dän.: Sygdommen til Døden), 1849 unter dem Pseudonym Anti-Climacus erschienen, ist eines von Søren Kierkegaards späteren Werken. Es beschäftigt sich aus der Perspektive des Christentums mit dem existenziellen Problem der Verzweiflung. Beim Buchtitel handelt es sich um ein Bibelzitat (Joh 11,4 EU). Das Werk ist in zwei Abschnitte unterteilt.
Erster Abschnitt (Die Krankheit zum Tode ist Verzweiflung)
Kierkegaard (wie Blaise Pascal in seinen Pensées) sieht den Menschen als Wesen zwischen zwei Extremen, dem Alles und dem Nichts. Zu diesen Extremen steht er in einem „Verhältnis“. Im Verhältnis zum Nichts, zum unendlich Kleinen, den Atomen oder zum Nichtleben ist er etwas beinahe erschreckend Großes. Im Verhältnis zum Universum oder zu Gott ist er ein Nichts.
Das Selbst des Menschen ist nun ein „Verhältnis, das sich zu sich selbst verhält“. Denn auch die Tiere befinden sich stets zwischen zwei Extremen, der Mensch jedoch ist sich seines Verhältnisses bewusst. Wie kann man sich aber ein Wesen zwischen dem unendlich Kleinen und dem unendlich Großen vorstellen? Wir sind Götter und gleichzeitig sind wir ein Nichts und dies, so Kierkegaard, treibt uns in die „Verzweiflung“.
Verzweiflung kommt nach Kierkegaard in drei Formen vor:
- Sich seiner Verzweiflung und seines Selbst nicht bewusst sein (uneigentliche Verzweiflung).
- Verzweifelt nicht man selbst sein wollen (Schwäche).
- Verzweifelt man selbst sein wollen (Trotz).
Die Formen werden im Sinne einer Steigerung gebraucht, so dass uneigentliche Verzweiflung die schwächste Form und Trotz die Stärkste ist. Kierkegaard sieht hieraus nur einen Ausweg: Ein Mensch kann sich nur als Wesen zwischen diesen Extremen denken, wenn er einsieht, dass er in ein bestimmtes Verhältnis „gesetzt“ wurde. Ohne diese „Setzung“ durch ein uns überlegenes Wesen verliert sich der Mensch zwischen Unendlichkeit und Nichts, er verzweifelt. Der Ausweg aus der Verzweiflung ist die Religiosität. „Indem er sich zu sich selbst verhält und indem er er selbst sein will, gründet das Selbst durchsichtig in der Macht, die er setzte.“
Während man aber zum Beispiel bei einer Grippe nur einmal angesteckt werden muss, entscheidet man sich für die Verzweiflung in jedem Moment, in dem man sich in ihr befindet, aufs neue. Trotzdem kann die Verzweiflung ein andauernder Zustand sein. Diese Verzweiflung, die Verzweiflung in ihrer höchsten Form, ist die Sünde.
In gewisser Weise ist die uneigentliche Verzweiflung jedoch auch die schwerste Form der Verzweiflung, als die Unwissenheit um den eigenen Zustand die Aufhebung der Verzweiflung, also den "wahren" Glauben, notwendig unmöglich macht. Es bedarf der Erkenntnis der (jeweils eigenen) Verzweiflung, um sie vorgängig aufzuheben. Entsprechend schreibt Kierkegaard vom Glück als dem vortrefflichsten Ort der Verzweiflung.
Zweiter Abschnitt (Verzweiflung ist die Sünde)
„Sünde ist: vor Gott oder mit der Vorstellung von Gott verzweifelt nicht man selbst sein wollen oder verzweifelt man selbst sein wollen.“ (S. 73) Die Sünde ist also eine Verzweiflung „vor Gott“. So ist nur für die Christen eine Sünde möglich. Denn nur für einen Christ, nach Kierkegaard, ist es möglich die „Offenbarung Christi“ zu kennen und trotzdem zu verzweifeln. Das Gegenteil der Sünde ist also der christliche "Glaube". Weshalb ist es jedoch möglich das man trotz der „Offenbarung“ verzweifeln kann?
Für Sokrates war die Sünde Unwissenheit. Kierkegaard erweitert nun den Sokratischen Sündenbegriff, indem er erklärt, dass Sünde eine gewollte Unwissenheit sei. Denn, wenn wir etwas für richtig erkennen, heißt dies noch lange nicht, dass unser Wille dies akzeptieren will. Unserem Willen kann das Erkannte auch überhaupt nicht gefallen. „Gefällt ihm [dem Willen] nun das Erkannte nicht, so folgt daraus wohl nicht, dass der Wille hingeht und das Entgegengesetzte tut von dem, was die Erkenntnis verstand, so starke Gegensätze kommen nur selten vor; aber dann lässt der Wille einige Zeit hingehen, es entsteht ein Interim, es heißt, wir wollen das doch bis morgen überlegen. Bei all dem wird die Erkenntnis dunkler und dunkler, und das Niedere siegt immer mehr; denn ach, das Gute muss gleich getan werden, gleich, indem es erkannt wird.“ (S. 89)
Quellen
- Søren Kierkegaard: Die Krankheit zum Tode. Rowohlt, München 1969.
Kategorien:- Philosophisches Werk
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