- Die Schrecken des Krieges
-
Desastres de la Guerra oder Die Schrecken des Krieges ist eine berühmte Folge von 82 Grafiken des spanischen Malers Francisco de Goya, die in den Jahren 1810 bis 1814 entstand. Das Elend des Krieges wird von ihm besonders schonungslos und eindringlich in dieser Serie dargestellt. Die Radierungen schildern die Gräueltaten der Soldaten Napoleons im Kampf mit der aufständischen spanischen Bevölkerung gegen die französische Besatzung. Dennoch bezieht Goya nicht Stellung für die spanischen Guerillakämpfer: Er zeigt auch die Grausamkeiten, die an den französischen Invasoren begangen wurden.
Goya zeichnet somit ein Bild des Kriegs, welches sich jedes staatspolitischen Urteils enthält. Allein das irrational wütende Grauen wird thematisiert. Der Krieg als übermenschliche Dynamik reißt unterschiedslos Soldaten wie Zivilisten, vor allem aber die Armen und Rechtlosen in die Abgründe menschlicher Perversion. Die Bilder zeigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Vernunft als solche gegen den Staat Spanien, nämlich Vergewaltigungen, Erschießungen, Massakrierungen, Leichenberge, Halbtote, in einander verbissen und mit tumben Blick. Auch der Klerus wird demaskiert - als opportuner Kriegstreiber verkommt sein Pathos zur Heuchelei.
Goya unterscheidet sich damit vom französischen Zeichner und Radierer Jacques Callot, der 1633 die Invasion Lothringens durch Kardinal Richelieus Truppen in einer Serie von 18 Radierungen unter dem Titel Les misères de la guerre (Die Kriegsgräuel) veröffentlichte. Callot nämlich bezog sehr wohl Stellung: Nicht nur in seinen bühnenartig arrangierten Bildkompositionen, die bereits auf die Rechtmäßigkeit der notariell zur Schau gestellten Gräuel verweisen, sondern auch in den die Bilder kommentierenden Texten, die in festgelegter Reihenfolge die Vergehen, die Gefangennahme und schließlich die Hinrichtung krimineller Taugenichtse zu bezeugen vorgeben.
Goya verzichtet auf legitimatorische Kommentare, nimmt keine Wertung vor. Die teils surrealen Motive beschreiben die Kriegsgräuel auf einer abstrakteren Ebene, deren gesellschaftspolitische Bezugnahme vage bleibt. Die Radierung Nr. 81 (Wildes Ungeheuer!) etwa zeigt einen verendenden Tapir, der als letzten Atem ein Bündel menschlicher Leiber auswürgt. Das Bild wird gedeutet als Hoffnung auf ein liberaleres Spanien, das nach dem Tod des archaischen Spaniens 1812 möglich schien. Christliche Bildmotive (Jonas im Bauch des Wals) sowie die Darstellungen des Jüngsten Gerichts durch Pieter Breughel d. Ä. lassen den Tapir als Graböffnungsszene erscheinen. Die ausgewürgten athletischen Körper hingegen als hoffnungsfrohen und im Kern gesunden Volkskörper. Diese Deutung erscheint umso plausibler, als dass „Wildes Ungetüm“ zwischen zwei Radierungen eingereiht ist, die einerseits den Tod wie auch die Auferstehung der Wahrheit, also wiederum die liberale Verfassung Spaniens verbildlichen.
Zu Goyas Lebzeiten wurden die Radierungen nicht veröffentlicht. Die fehlende Parteinahme hätte Goya als unpatriotisch ausgelegt werden können. Goya übergab jedoch seinem Freund Bermudez einen Probedruck, der auch die Seitenzahlen vorschrieb - spätere Abzüge von den Druckplatten konnten dementsprechend in angedachter Form gebunden werden. Die erste Auflage erschien erst 1863 (Hrsg. Akademie San Fernando), weitere folgten 1892, 1903 und 1906.
1983 entstand ein Orchesterwerk gleichnamigen Titels des Komponisten Michael Denhoff, welches sich auf sieben Bilder dieses graphischen Zyklus' von Goya bezieht.
Siehe auch
Weblinks
- http://www.denhoff.de/werkkommentare.htm#op36 - (zu "Desastres de la guerra" – Orchesterbilder nach Goya)
Wikimedia Foundation.