Die Sterntaler

Die Sterntaler

Die Sterntaler ist ein kurzes Märchen (ATU 779H*). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der Zweitauflage von 1819 an Stelle 153 (KHM 153), vorher als Das arme Mädchen an Stelle 83, und geht zum Teil auf Achim von Arnims Novelle Die drei liebreichen Schwestern und der glückliche Färber zurück.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Illustration der Grimms zum Märchen auf der Rückseite des 1000-DM-Scheins (ab 1992)

Ein armes Waisenkind, das außer einem Stück Brot nichts besitzt, geht in die Welt hinaus. Unterwegs verschenkt es sein Brot, dann seine Mütze, sein Leibchen, sein Röckchen und schließlich auch sein Hemdchen an andere Bedürftige. Da fallen die Sterne als Silbertaler vom Nachthimmel, und es hat ein neues, feines Leinenhemdchen an, in das es sie aufsammelt.

Herkunft

In Jacob Grimms Handschrift von 1810 ist Armes Mädchen eine kurze Notiz.[1] Grimms Anmerkung notiert ab 1812, es aus dunkler Erinnerung aufgeschrieben zu haben, nennt aber auch Jean Pauls Roman Die unsichtbare Loge (1793) und Achim von Arnims Novelle Die drei liebreichen Schwestern und der glückliche Färber (1812).[2] Letztere nimmt Grimms Fassung deutlich vorweg und ist vielleicht durch den fragmentartigen Einschub bei Jean Paul inspiriert.[3]

Allegorie

Vielfach wird dieses Märchen der Brüder Grimm als Allegorie eines vorbildlichen christlichen Menschen verstanden, der barmherzig und großzügig an bedürftige Menschen von dem Seinen gibt, auch wenn er selber dabei scheinbar „nichts“ mehr am „Ende“ hat. Diese „innere Einstellung“, als gelebte Grundhaltung, wird „vom Himmel“ durch „Sternthaler“ überreichlich „in himmlischer Währung“ belohnt und mit einem „schmückenden“ feinen „Seelenkleid“ in „Ewigkeit“ von einem „Unsichtbaren“ (aber nicht Unwirkbaren!) „bekleidet“. Das Märchen passt sehr gut in die Weihnachtszeit. Sterntaler erzählt von einem Mädchen, das zuerst auf sein Umfeld schaut, erst dann auf die eigenen Bedürfnisse.

Rezeptionen

Georg Büchner lässt in seinem Drama Woyzeck die Großmutter ein ähnliches, jedoch sehr pessimistisches, nihilistisch gefärbtes Märchen erzählen. Darin wandert das Mädchen erst zum Mond, dann zur Sonne und dann zu den Sternen. Die stellen sich aber als ein faules Stück Holz, eine welke Sonnenblume und aufgespießte Mücken heraus: so setzt sich das Mädchen schließlich allein auf einen Stein. Die Reise zu den Gestirnen erinnert z.B. auch an Das singende springende Löweneckerchen.

Das ZDF widmete dem Sterntaler-Märchen den dritten Teil der Doku-Reihe „Märchen und Sagen - Botschaften aus der Wirklichkeit“ (Erstsendung 23. Oktober 2005, 19:30 Uhr). Demnach werden Funde keltischer Goldmünzen, bekannt als Regenbogenschüsselchen, als Kern der Überlieferung angesehen: Diese wurden im süddeutschen Raum beim Pflügen an die Oberfläche gebracht und nach Regenfällen ausgespült. Die Märchenerzähler wurden durch die Münze Sterntaler inspiriert. Diese hatte Friedrich II. (Hessen-Kassel) in Umlauf gebracht. Auf ihr ist ein Stern zu sehen.[4]

2011 verfilmt Bavaria Film im Auftrag des Südwestrundfunks das Grimmsche Märchen für Das Erste. Die Verfilmung soll als Die Sterntaler im Rahmen der ARD-Märchenreihe „Sechs auf einen Streich“ im Weihnachtsprogramm 2011 im Ersten ausgestrahlt werden.[5]

Interpretation

Friedel Lenz deutet anthroposophisch Kappe, Weste und Rock als Denken, Fühlen und Wollen, das letzte Hemd als Lebenskraft oder Unbewusstes. Das allerfeinste Linnen ist gedankliche Vollendung, das Gold innerer Reichtum. [6]

Literatur

  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 666-668. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
  • Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. S. 250, S. 501-502. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  • Rölleke, Heinz (Hrsg.): Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812. Herausgegeben und erläutert von Heinz Rölleke. S. 60-61, 353-354. Cologny-Geneve 1975. (Fondation Martin Bodmer; Printed in Switzerland)
  • Rölleke, Heinz (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert. 2., verb. Auflage, Trier 2004. S. 248-251, 566-567. (Wissenschaftlicher Verlag Trier; Schriftenreihe Literaturwissenschaft Bd. 35; ISBN 3-88476-717-8)
  • Lenz, Friedel: Bildsprache der Märchen. 8. Auflage. S. 239-242, 249-250. Stuttgart, 1997. (Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus GmbH; ISBN 3-87838-148-4)

Einzelnachweise

  1. Rölleke, Heinz (Hrsg.): Die älteste Märchensammlung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812. Herausgegeben und erläutert von Heinz Rölleke. S. 60-61, 353-354. Cologny-Geneve 1975. (Fondation Martin Bodmer; Printed in Switzerland)
  2. Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. S. 250, S. 501-502. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
  3. Uther, Hans-Jörg: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Berlin 2008. S. 319-323. (de Gruyter; ISBN 978-3-11-019441-8)
  4. http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/22/0,1872,2387638,00.html
  5. Ute Korn-Amann: [http://www.schwaebische.de/region/sigmaringen-tuttlingen/sigmaringen/rund-um-sigmaringen_artikel,-Filmarbeiten-Donautal-wird-zu-Klein-Hollywood-_arid,5024884.html Filmarbeiten: Donautal wird zu Klein-Hollywood. Mehrere Szenen für das Märchen „Die Sterntaler“ werden bei Gutenstein gedreht. In: Schwäbische Zeitung vom 3. Februar 2011
  6. Lenz, Friedel: Bildsprache der Märchen. 8. Auflage. S. 239-242, 249-250. Stuttgart, 1997. (Verlag Freies Geistesleben und Urachhaus GmbH; ISBN 3-87838-148-4)

Filmografie

  • Märchen und Sagen - Botschaften aus der Wirklichkeit (3/3): Sterntaler und das himmlische Gold. Dokumentation. Produktion ZDF. Erstausstrahlung 23. Oktober 2005. 45 Min. [1]

Weblinks

 Commons: Die Sterntaler – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Wikisource: Die Sterntaler – Quellen und Volltexte

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