Die lykischen Bauern

Die lykischen Bauern

Die Lykischen Bauern wurden von der Göttin Latona in Frösche verwandelt, weil sie ihr das Trinken aus einem See verweigerten: „Quid prohibetis aquis? Usus communis aquarum est.“ (Warum verbietet ihr mir das Wasser? Der Gebrauch des Wasser ist allen erlaubt!) – wie Ovid in den Metamorphosen 6, 339-381 schildert.

Die Bauern sammeln an einem kleinen See Binsen und Schilf, als Latona und ihre Kinder, die wegen der Sommerhitze dem Verdursten nahe und völlig erschöpft sind, kommen und erbitten zu trinken. Die Bauern verbieten Latona, obwohl sie demütig bittet und überzeugend argumentiert, nicht nur zu trinken, sondern wirbeln dazu noch Schlamm im Wasser auf, um es untrinkbar zu machen. Daraufhin verflucht Latona sie, auf ewig in diesem See zu leben.

In ihrer Verblendung erkennen die Bauern ihre Sünde nicht, sondern „Quamvis sunt sub aqua, sub aqua maledicere temptant“ (obwohl unter Wasser, versuchen sie doch weiter zu schmähen) fahren in ihrem gotteslästerlichen Treiben fort. Dieser Satz stellt einen von Ovid geschickt geformten Sprachwitz dar, da man beim Vorlesen mit richtiger Betonung in "quamvis ... sub aqua, sub aqua..." lautmalerisch den typischen Lärm der Frösche zu hören glaubt ("quak-quak!"). Damit ist auch ohne jede Nennung der Tierart im Text klar, was geschehen ist. Erst danach erfolgt im Text die explizite Erklärung: „Terga caput tangunt, colla intercepta videntur, spina viret, venter, pars maxima corporis, albet, limosoque novae saliunt in gurgite ranae“ (für alle, die es noch nicht begriffen haben: dass die Göttin die Bauern in Frösche verwandelt hat; wörtl. Übersetzung: "Schulter berührt sich und Kopf, und der Hals scheint mitten zu fehlen. Grün ist der Rücken und weiß der Bauch, an dem Leibe das Größte, und so hüpfen sie nun als Frösche im schlammigen Wasser." ).

Der Latonabrunnen im Park des Schloss Versailles stellt den Moment der Verwandlung der Bauern dar.

Latonas Argumentationsvorgang ist folgender:

  • Sie hat einen Rechtsanspruch auf das Wasser, da Wasser allen gehöre. ("Die Natur machte weder Sonne, noch Luft, noch Wasser zu Eigentum" 6, 350-351a)
  • Sie will lediglich etwas trinken und nicht sich darin waschen. ("Ich will nicht unsere Körperteile und unsere Haut waschen, sondern den Durst stillen" 6, 352b-354a"
  • Sie kann kaum mehr sprechen, weil ihre Kehle zu trocken ist.
  • Die Bauern geben ihr neues Leben durch das Wasser.
  • Wenn die Bauern nicht mit ihr Mitgefühl haben, dann sollen sie wenigstens mit den kleinen Kindern Mitleid haben.

Man kann die Verwandlung in Frösche auch so interpretieren, dass die Bauern dadurch, dass sie keine menschlichen Gefühle (Mitgefühl, Mitleid) zeigen und sich nicht von den Argumenten Latonas überzeugen lassen, ihre Menschlichkeit aufgegeben haben und es so nicht mehr verdienen, Menschen zu sein. Hier zeigt sich ein Motiv, das Ovid schon in der vorhergehenden Niobegeschichte beschrieben hat: Das Innere kehrt sich nach außen. Die Tierhaftigkeit der Bauern kehrt sich nach außen, indem sie zu Tieren werden, und Niobes Hartherzigkeit äußert sich darin, dass sie in einen Stein verwandelt wird.

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