Dinge an sich

Dinge an sich

Das Ding an sich ist eine Begriffsbildung Immanuel Kants, der damit ein Seiendes bezeichnet, welches unabhängig von der Tatsache existiert, dass es durch ein Subjekt wahrgenommen wird und somit für dieses zum Objekt würde (vgl. Noumenon).

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte

In der Folge der Einführung der Kategorien durch Aristoteles wird in der Scholastik zwischen dem unterschieden, was einer Sache nur aufgrund äußerer Umstände (Akzidenz) und per se, aufgrund einer inneren Notwendigkeit, zukommt (Essenz). Der Begriffsteil an sich ist dabei eine Übersetzung des griechischen kath’auto, bzw. des lateinischen per se, womit das bezeichnet wurde, was einem Seienden von sich aus, d. h. seinem Wesen nach, zugehört. Dieser Begriff wurde im 18. Jahrhundert in den Sprachgebrauch der deutschen Philosophie aufgenommen. Kant übernimmt diese Übersetzung von Alexander Gottlieb Baumgarten und verwendet den Begriff in seinen Schriften in der üblichen Bedeutung. Innerhalb seiner Transzendentalphilosophie erweitert Kant die ursprüngliche Bedeutung des an sich um den Begriff des Dinges, zum terminus technicus des Dinges an sich.

Begriffserläuterung

Dem Ding an sich kommen demnach nach Kant nicht die Erkenntnisformen des Subjekts zu, z. B. Raum und Zeit. Der Begriff des Dinges an sich ist für Kant nur im transzendentalen Sinne zu gebrauchen. Hierin liegt für ihn auch eine deutliche Kritik an der Metaphysik: diese übertrage unzulässigerweise Erkenntnisformen des Subjekts auf das Objekt.

In den Prolegomena beschreibt Kant den Begriff (Prolegomena § 13, Anmerkung II) in Abgrenzung von einer idealistischen Position:

Ich dagegen sage: es sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affizieren. Demnach gestehe ich allerdings, daß es außer uns Körper gebe, d. i. Dinge, die, obzwar nach dem, was sie an sich selbst sein mögen, uns gänzlich unbekannt, wir durch die Vorstellungen kennen, welche ihr Einfluß auf unsre Sinnlichkeit uns verschafft, und denen wir die Benennung eines Körpers geben, welches Wort also bloß die Erscheinung jenes uns unbekannten, aber nichtsdestoweniger wirklichen Gegenstandes bedeutet. Kann man dieses wohl Idealismus nennen? Es ist ja gerade das Gegenteil davon. [1]

Gegenpositionen

Die Position Hegels

Hegel erklärte die Annahme Kants, dass das "Ding an sich" grundsätzlich nicht zu erkennen sei und nur Erscheinungen erkannt werden können, für eine Absage an den Wahrheitsanspruch der Philosophie. Das "Ding an sich" bleibe so "jenseits des Denkens." [2] Er hält ihm entgegen, dass das an sich seiende Ding selbst ein Gedankending ist und als "subjektive Bedingung des Erkennens" [3] damit wieder ins Denken (ins Subjekt) zurück fällt.[4] Er hält es für einen sonderbaren Widerspruch Kants. Die Konsequenz wäre eine nicht weiter zu schließende Differenz. Das Ich bleibe so immer in seiner Subjektivität eingeschlossen und komme nicht zum "wahren Inhalt." Hegels philosophisches Denken bemühte sich darum, gerade dieses Problem zu überwinden. Im Erkennen der Erscheinung ist für Hegel schon die Wahrheit beider Momente (Subjektivität - Objektivität) enthalten. Doch Kant sieht dieses objektive Moment der Erscheinung nicht.

"Erkennen ist in der Tat ihre Einheit; aber bei der Erkenntnis hat Kant immer das erkennende Subjekt als einzelnes im Sinne. Das Erkennen selbst ist die Wahrheit beider Momente; das Erkannte ist nur die Erscheinung, Erkennen fällt wieder ins Subjekt.(...) Denn es enthält (bei Kant, Anm.) die Dinge nur in der Form der Gesetze des Anschauens und der Sinnlichkeit."[5]

Er wirft Kant also im Grunde vor seine Begrifflichkeiten nicht genau überprüft zu haben. Da es sich bei dem Ding an sich um eine Abstraktion von jeglichem Inhalt handele, sei nichts leichter als das Ding an sich zu wissen.[6] In den Antinomien der KrV habe Kant die in sich widersprüchliche Natur der Vernunft aufgedeckt.

"Die wahre und positive Bedeutung der Antinomien besteht nun überhaupt darin, dass alles Wirkliche entgegengesetzte Bestimmungen in sich enthält und dass somit das Erkennen und näher das Begreifen eines Gegenstandes eben nur soviel heißt, sich dessen als einer konkreten Einheit entgegengesetzter Bestimmungen bewusst zu werden."[7]

Kritik des Positivismus

Aus Sicht des Positivismus ist die philosophische Überlegung des „Dinges an sich“ ein klassisches „Scheinproblem“, wie alle Überlegungen des Kritizismus.

Immanente Kritik am Begriff des Ding an sich

Einige Kritiker des Ansatzes der Erkenntnistheorie Kants beziehen sich auf eine von ihnen gesehene Inkonsistenz der Begrifflichkeit Kants, insbesondere des Begriffs des Ding An sich. Als ein zeitgenössischer Kritiker Kants ist hier Gottlob Ernst Schulze zu nennen. Häufig orientiert sich die Kritik an folgender Argumentation:

Wenn der Begriff des Ding an Sich nicht empirisch begründet ist, muss er es apriori sein. Wäre er es apriori, wäre er nur eine dem Subjekt anhängende Bestimmung, hätte mithin keine Existenz ausserhalb des Subjekts. Es ist also nur das Subjekt, dass sich ein Ding als ausserhalb denkt. Ob ein solches Ding jedoch wirklich ausserhalb und unabhängig des Subjekts existiert, kann nicht bewiesen werden, ja wäre sogar zu verneinen, da es eine dem Subjekt anhängende Bestimmung ist, und mit dem hypothetischen Ende der Existenz des Subjekts auch das Ding an Sich nicht mehr existieren würde. Dies aber soll ja gerade das Ding an Sich sein: etwas was unabhängig des Subjekts existiert und die Ursache der Erscheinungen ist. Das Problem ist, dass wir apriori nicht über Dinge an Sich urteilen können, mithin ihre Existenz ausserhalb der Vorstellung (sei sie nun empirisch oder formal, Anschauung oder Begriff) gar nicht postulieren können. Eine solche apriorische Begründung wäre z. B. diese: Alles was in der Vorstellung ist, hat eine Ursache, die von der Wirkung verschieden ist; die Vorstellung ist die Wirkung einer grundverschiedenen Ursache, dem Ding an Sich, welches deswegen unabhängig von Vorstellungen und dem Subjekt existiert. Dafür müsste man sich der Kategorie der Kausalität bedienen, diese ist wiederum eine notwendige, dem Subjekt anhängende Bestimmung, die nur auf Vorstellungen, jedoch nicht auf etwas ausserhalb dieser angewandt werden darf. Hiermit wäre man wieder beim Subjekt angelangt, ohne die Existenz von etwas ausserhalb des Subjekts bewiesen zu haben.

Die Stoßrichtung dieser Kritik ist vielfältig und lässt sich nicht in allen Fällen einheitlich zusammenfassen. Problematisch wird sie nur dann, wenn sie sich nicht auf das Kernproblem bezieht, die grundsätzliche transzendentale Gestaltung der Erkenntnisfrage und vielleicht deren grundsätzliche Unbeantwortbarkeit, sondern innerhalb der Argumentation Kants eine logische Argumentationslücke aufzeigen will. Dies führt häufig zu einem Kategorienfehler, indem Begriffe mit Wirklichkeit verwechselt werden. In der oben genannten Argumentation wird suggeriert, als wolle Kant über das Ding an sich urteilen - dieses macht er aber nicht; er urteilt über den Begriff. Also postuliert er auch nicht deren Existenz, sondern sagt nur, dass wenn Erkenntnis möglich sein sollte, und dieses so, wie er es in der Kritik der reinen Vernunft darstellt, dann etwas die Sinne affizieren müsste. Damit bleibt das Problem des Begriffes des Ding An sich weiter bestehen - denknotwendig, aber ohne Existenz.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Quellenangaben

  1. Lit.: Kant, Prolegomena (1783), S.62-63.
  2. vgl. G.W.F. Hegel:Wissenschaft der Logik. stw, Frankfurt am Main, S. 37. "In diesem Verzichttun der Vernunft auf sich selbst geht der Begriff der Wahrheit verloren; sie ist darauf eingeschränkt, nur subjektive Wahrheit, nur die Erscheinung zu erkennen, nur etwas, dem die Natur der Sache selbst entspreche; das Wissen ist zur Meinung zurückgefallen." ebda, S. 38.
  3. vgl. G.W.F. Hegel:Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III. stw, Frankfurt am Main, S. 338.
  4. vgl. G.W.F. Hegel:Wissenschaft der Logik I. S. 26.
  5. vgl. und siehe G.W.F. Hegel:Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie III. S. 350f.
  6. vgl.  Hegel:Enzyklopädie I, § 44, S. 121.
  7. G.W.F. Hegel:Enzyklopädie der Philosophischen Wissenschaften.§48(Zusatz), S.128.

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