Gottlob Ernst Schulze

Gottlob Ernst Schulze

Gottlob Ernst Schulze, bekannter als Aenesidemus-Schulze, (* 23. August 1761 in Heldrungen, Thüringen; † 14. Januar 1833 in Göttingen) war ein deutscher Philosoph.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Gottlob Ernst Schulze wurde am 23. August 1761 als Sohn des Verwalters auf Schloss Heldrungen in Thüringen geboren. Er besuchte von 1774–1780 die berühmte Sächsische Landesschule Pforta bei Naumburg an der Saale und begann 1780 ein Studium der Theologie, Logik und Metaphysik an der Universität Wittenberg. 1783 wurde er Magister der Philosophie und Dozent in Wittenberg. Der erste Bandes seines Werkes Grundriß der philosophischen Wissenschaften erschien im Jahre 1788 und verschaffte ihm einen Ruf als ordentlicher Professor der Philosophie an die Universität Helmstedt. Hier war er über 20 Jahre lang tätig und hat seine wesentlichen Schriften verfasst. 1810 wurde die Universität aufgelöst und mit der Universität Göttingen verbunden.

In Göttingen war Schulze weitere zweiundzwanzig Jahre hindurch als Professor tätig. Zu seinen Schülern zählte u.a. Arthur Schopenhauer, der in Göttingen zunächst Medizin studierte. Dieser hörte bei ihm sein erstes philosophisches Kollegium über Psychologie und Metaphysik. Über den Einfluss des Lehrers auf den Schüler berichtet Wilhelm von Gwinner, dass es Schulze war, der Schopenhauer „zuerst über seinen Beruf aufklärte und dadurch veranlaßte, von nun an alle seine Studien für den Dienst der Königin der Wissenschaften einzurichten“ (Schopenhauers Leben, 1910, S. 62). Schulze gilt als bedeutender Skeptiker seiner Zeit und als einer der scharfsinnigsten Kritiker Immanuel Kants[1]: Dieser spricht von dem uns unbekannten Ding an sich und bezieht sich dabei auf die Kategorie der Kausalität; da aber die Kausalität als bloße subjektive Denkform nach Kant selbst nur auf die Phänomene (bzw. Vorstellungen), nicht aber auf die Dinge an sich angewandt werden kann, können Dinge keine Vorstellungen bewirken. Schulze führt dies in seiner 1792 anonym erschienenen Schrift Aenesidemus an (S. 128–129, 263–264 und 304–306); Schopenhauer wiederholt diese Kritik. Der Aenesidemus (benannt nach dem Ainesidemos, einem pyrrhonischen Skeptiker und wahrscheinlich Zeitgenossen Ciceros) kritisiert aber vor allem (vernichtend) Karl Leonhard Reinholds Elementarphilosophie. Durch diese Demontage Reinholds und die Kritik an Kant verwirrt und verunsichert, sah sich Johann Gottlieb Fichte veranlasst, seine Wissenschaftslehre zu entwickeln, um der Philosophie so zu einem seiner Ansicht nach noch fehlenden Fundament als Wissenschaft zu verhelfen. Schulzes Skeptizismus hat also nicht unmaßgeblich zur Entstehung des sogenannten ‘Deutschen Idealismus’ beigetragen. In die Diskussionen, die sein Aenesidemus ausgelöst hat, hat er sich kaum eingemischt, später die Bedeutung der Skepsis abgeschwächt und sich – vor allem mit seinem „natürlichen Realismus“ – in erkenntnistheoretischer Hinsicht der sog. Glaubensphilosophie Friedrich Heinrich Jacobis angenähert.

Schulze beeinflusste auch Johann Friedrich Herbart und Jakob Friedrich Fries. Gestorben ist er am 14. Januar 1833 in Göttingen.

Werke (Auswahl)

  • Grundriß der philosophischen Wissenschaften, Wittenberg und Zerbst 1788 (Bd. 1) und 1790 (Bd. 2).
  • Aenesidemus oder über die Fundamente der von dem Herrn Professor Reinhold in Jena gelieferten Elementar-Philosophie. Nebst einer Vertheidigung des Skepticismus gegen die Anmassungen der Vernunftkritik, ohne Ort 1792.
  • Kritik der theoretischen Philosophie, 2 Bände, Hamburg 1801.
  • Grundsätze der allgemeinen Logik, Helmstedt 1802.
  • Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften zum Gebrauche für seine Vorlesungen, Göttingen 1814.
  • Psychische Anthropologie, 2 Bände, Göttingen 1816 .
  • Philosophische Tugendlehre, Göttingen 1817.
  • Über die menschliche Erkenntnis, Göttingen 1832.

Literatur

  • Eugen Kühnemann: Schulze, Ernst. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 32, Duncker & Humblot, Leipzig 1891, S. 776–780.
  • Heinrich Wiegershausen: Aenesidem-Schulze, der Gegner Kants, und seine Bedeutung im Neukantianismus, (Kantstudien: Ergänzungshefte 17) Berlin 1910; Nachdrucke: Würzburg 1970; Vaduz/Liechtenstein 1980.
  • Karel Eugeen Boullart: Gottlob Ernst Schulze (1761–1833). Positivist van het Duitse Idealisme. Mit deutscher Zusammenfassung. Brüssel 1978.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Fritz Mauthner z.B. nennt ihn den scharfsinnigsten und ebenbürtigsten Gegner Kants (in: Wörterbuch der Philosophie, Artikel Apperzeption)

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Gottlob Ernst Schulze — Gottlob Ernst Schulze, también conocido como Enesidemo (Aenesidemus Schulze), fue un filósofo alemán, nacido el 23 de agosto de 1761 en Heldrungen, Turingia y fallecido el 14 de enero de 1833 en Gotinga, a quien se recuerda principalmente por sus …   Wikipedia Español

  • Gottlob Ernst Schulze — (August 23 1761 mdash; January 14 1833) was born in Heldrungen, Thuringia, Germany. Schulze was a professor at Wittenberg, Helmstedt, and Göttingen [ Encyclopedia of Philosophy , Vol. 7, New York: Macmillan, 1972] . His most influential book was… …   Wikipedia

  • Schulze — ist ein, auf das mittelalterliche Schulzenamt zurückgehender Familienname. Herkunft und Bedeutung Schulze ist eine Variante des Familiennamens Schultheiß. Varianten Schulz, Schultz, Schultze, Schulzeck, Schulte, Schulten, Schuldt, Schultes… …   Deutsch Wikipedia

  • Gottlob — ist ein deutscher Vorname. Träger des Namens sind unter anderem: Gottlob Adolf Ernst von Nostitz und Jänkendorf (1765 1836), sächsischer Politiker Gottlob Adolph (1685 1745), deutscher Kirchenlieddichter Gottlob Banzhaf (1858 1930), deutscher… …   Deutsch Wikipedia

  • Schulze — is a common German family name. It may refer to: * August Schulze, Operation Paperclip * Edmund Schulze (1824 1878), German organ builder, or four previous generations of his family in the same profession * Ernst Schulze, (1789 1817), German poet …   Wikipedia

  • Gottlob Schulze — Pour les articles homonymes, voir Schulze. Gottlob Ernst Schulze (30 août 1761 – 14 janvier 1833) est un philosophe allemand qui exerçait une grande influence sur Arthur Schopenhauer quand ce dernier étudiait à l’Université de Göttingen, où il… …   Wikipédia en Français

  • Schulze [2] — Schulze, 1) Gottlob Ernst, Philosoph, geb. 23. Aug. 1761 zu Heldrungen in Thüringen, gest. 11. Jan. 1833 in Göttingen, studierte in Wittenberg, wurde daselbst Privatdozent, 1788 ordentlicher Professor der Philosophie in Helmstedt und 1810 in… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Schulze [2] — Schulze, 1) Joh. Ludwig, geb. 1734 in Halle, war Professor der Theologie, der Griechischen u. Orientalischen Sprachen daselbst u.st. 1799; er gab heraus: English originals, Halle 1760, 4. Ausg. ebd. 1784; Theodoreti opera. ebd. 1768–72, u. mehre… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Schulze [2] — Schulze, Gottlob Ernst, Philosoph und als solcher der Aenesidemus S. genannt, geb. 1761 zu Heldrungen in Thüringen, gest. 1833 als Professor der Philosophie zu Göttingen, erwarb einen Namen als Gegner der kant schen Philosophie, welche er zuerst… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Aenesidemus-Schulze — Gottlob Ernst Schulze, bekannter als Aenesidemus Schulze, (* 23. August 1761 in Heldrungen, Thüringen; † 14. Januar 1833 in Göttingen) war ein deutscher Philosoph. Inhaltsverzeichnis 1 Biografie 2 Werke (Auswahl) 3 Literat …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”