Dispositionskredit

Dispositionskredit

Der Dispositionskredit (umgangssprachlich „Dispokredit“, auch nur „Dispo“) ist die von Kreditinstituten in Deutschland seit 1968 auf einem Girokonto für Privatpersonen eingeräumte, betraglich begrenzte Überziehungsmöglichkeit für Zwecke des Zahlungsverkehrs.

Inhaltsverzeichnis

Rechtsgrundlagen

Ohne besondere Vereinbarungen müssen Verfügungen über Girokonten im Rahmen des Zahlungsverkehrs durch Kontoguthaben gedeckt sein. Das verlangt auch das Überweisungsrecht des § 676 Abs. 2 Satz 3 BGB, wonach ein zur Ausführung der Überweisung ausreichendes Guthaben vorhanden sein muss. Vom Überziehen des Kontos spricht man, wenn das Guthaben oder eine ausdrücklich eingeräumte Kreditlinie für diese Verfügungen nicht ausreicht, die Verfügungen aber vom Kreditinstitut dennoch ausgeführt werden. Es handelt sich um eine sog. „geduldete Kontoüberziehung“[1]. Die bloße Duldung einer Kontoüberziehung gibt dem Kunden gegenüber der Bank keinen Anspruch auf Kredit[2].

Der Dispositionskredit ist eine Form des unbefristeten Kontokorrentkredits und gestattet dem Kontoinhaber, Verfügungen im Rahmen des Zahlungsverkehrs auch ohne Kontoguthaben vornehmen zu dürfen. Der Dispositionskredit ist ein Darlehen im Sinne der §§ 488 ff. BGB, insbesondere § 493 BGB, wonach er als spezifischer Verbraucherdarlehensvertrag qualifiziert wird. Voraussetzung ist dann, dass außer den Zinsen keine weiteren Kosten in Rechnung gestellt und die Zinsen nicht in kürzeren Perioden als drei Monaten belastet werden. Dann hat das Kreditinstitut den Kontoinhaber vor der Inanspruchnahme über folgende Eckdaten zu unterrichten:

  • die Höchstgrenze des Darlehens,
  • den zum Zeitpunkt der Unterrichtung geltenden Jahreszins,
  • die Bedingungen, unter denen der Zinssatz geändert werden kann,
  • die Regelung der Vertragsbeendigung

Die beiden letzten Bedingungen dürfen auf einem Kontoauszug erwähnt werden.

Keine Anwendung auf den Dispositionskredit finden § 492 BGB (Verbraucherdarlehensverträge) und § 495 BGB (Widerrufsbelehrung). Beim Dispositionskredit geht der Auszahlung durch die Bank stets der Abruf durch den Kunden voraus, mit dem das Darlehensangebot angenommen und damit der Anspruch auf Auszahlung begründet wird[3].

Entscheidend ist zudem die Volljährigkeit des Kontoinhabers. Da Kinder unter achtzehn Jahren vor dem Gesetz als beschränkt geschäftsfähig gelten, wird ihnen nur das Führen eines Girokontos auf Guthabenbasis ermöglicht.

Arten des Dispositionskredits

Es haben sich in der Praxis der Kreditinstitute zwei Arten herauskristallisiert. Entweder erhält der Kontoinhaber lediglich ein Schreiben der Bank, in dem die Krediteinräumung einseitig mitgeteilt wird, oder es erscheint eine einfache Information auf dem Kontoauszug, dass ab sofort ein Dispokredit genutzt werden kann. Rechtlich gesehen handelt es sich bei beiden Formen eines Kreditangebots um eine „einseitige Willenserklärung“ der Bank[4]. Bei einem derartigen Dispositionskredit geht der Auszahlungshandlung der Bank stets der Abruf durch den Kunden voraus, mit dem die einseitige Willenserklärung angenommen und damit der Anspruch auf Auszahlung begründet wird[3]. Hier besteht – möglicherweise nur für kurze Zeit – rechtlich ein Darlehensanspruch, der mit dem Abruf als angenommen gilt[5]. Mit der Verfügung durch den Kontoinhaber kommt somit rechtswirksam ein Darlehensvertrag nach § 488 BGB zustande.

Bei der ungenehmigten Kontoüberziehung besteht dagegen vor der im Belieben der Bank stehenden Durchführung der Zahlungsanweisung – die zugleich die konkludente Annahme des Kundenangebots auf Abschluss des Darlehensvertrages darstellt[6] – kein Anspruch auf den Kredit.

Bedingungen

Die im einseitigen Schreiben der Bank oder im Kontoauszug genannte Kreditlinie ist die Grenze, bis zu der die Bank bereit ist, Verfügungen im Zahlungsverkehr auch ohne Kontoguthaben auszuführen. Voraussetzung hierfür sind regelmäßige Zahlungseingänge auf dem Girokonto (z. B. Nettogehalt, Unterhalt, Rente etc.), von denen dann meist der zwei- bis dreifache Wert als Kreditlinie vom Kreditinstitut festgelegt wird. In der Regel werden für diese Kreditgewährung keine Sicherheiten verlangt (Blankokredit). Von Kontoinhabern wird erwartet, dass sie die Kreditinanspruchnahme möglichst innerhalb von zwei bis drei Monaten problemlos zurückzahlen können, damit eine dauerhafte und wachsende Verschuldung vermieden wird und ein „Einfrieren“ des Dispokredits verhindert werden kann. „Einfrieren“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Sollsaldo für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten auf einem bestimmten Niveau verharrt und nicht durch Kontogutschriften wesentlich und nachhaltig vermindert wird. Weiterhin ist der Kontoinhaber verpflichtet, innerhalb des vereinbarten Rahmens zu disponieren. Beabsichtigte Überschreitungen des vereinbarten Limits sind nur statthaft, wenn sie vorher mit der Bank abgestimmt wurden. Der Dispokredit lebt automatisch wieder auf, auch wenn das Girokonto zwischenzeitliche Guthaben ausgewiesen hat.

Kreditzinsen

Für die Nutzung des Dispokredits werden tageweise Sollzinsen berechnet. Beim Überziehen des festgelegten Kreditlimits fallen zusätzlich Überziehungszinsen an. Die Zinsen werden im Rahmen des Rechnungsabschlusses meist quartalsweise dem laufenden Konto belastet.

Der Zinssatz für den Dispokredit ist variabel und richtet sich nach den aktuellen Marktzinsen. Zinsen werden nur für den Betrag fällig, der auch tatsächlich genutzt wurde. Der Dispokredit ist ohne vorherige Abrufnachricht einsetzbar und kann genauso ohne Ankündigung zurückgezahlt werden.

Die Zinsen sind im Vergleich zu anderen Kreditformen relativ hoch. Aus diesem Grund sollte eine Umschuldung in einen Ratenkredit vorgezogen werden, sofern eine dauerhafte Inanspruchnahme des Dispokredits absehbar ist.

Kündigung

Nach den AGB ist bei einer ordentlichen Kündigung eine Kündigungsfrist von 30 Tagen vorgesehen (Nr. 26 Abs. 1 AGB Sparkassen). Eine fristlose Kündigung des Kredits ist nur aus wichtigem Grund möglich, Beispielfälle hierfür sind in Nr. 26 Abs. 2 AGB – nicht abschließend – aufgezählt. Hierzu zählt auch eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse (Nr. 26 Abs. 2 a AGB) oder die Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen den Kontoinhaber (Nr. 26 Abs. 2 d AGB; etwa Kontopfändung). Nach den §§ 488, 489 BGB zu Verbraucherdarlehensverträgen muss eine Kündigungsfrist nicht eingehalten werden, wenn sich die Vermögensumstände so drastisch ändern, dass eine Kredittilgung gefährdet wird. Eine Kündigungsfrist gibt es in einem solchen Fall nicht. Nach der Kündigung werden geschuldete Beträge, also auch Inanspruchnahmen des Dispokredits, sofort fällig (Nr. 26 Abs. 3 AGB).

Pfändbarkeit

Bei einer Kontopfändung ist zwischen offen eingeräumten Dispokrediten und lediglich geduldeten Kontoüberziehungen zu unterscheiden. Pfändbar sind nur die freien Teile der im Rahmen einer vereinbarten offenen Kreditlinie bereitgestellten Geldmittel. Die Pfändung greift hier jedoch nur, wenn der Kontoinhaber diese freien Teile abruft (also durch Barabhebung oder Überweisung darüber verfügt). Verfügt der Kunde jedoch nicht, greift auch die Pfändung nicht[7].

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Dispositionskredit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Nr. 20.1 d) AGB Sparkassen
  2. BGHZ 93, 315, 325; 147, 193, 202
  3. a b BGHZ 147, 193, 195; 157, 350, 355
  4. BGH WM 2001, 898 ff.
  5. BGHZ 157, 350, 355 f; BGH WM 2004, 669, 670
  6. vgl. Ganter in Horn/Krämer, Bankrecht (2002), S. 135, 141; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB Neubearbeitung 2004 § 493 Rn. 33
  7. BGH WM 2004, 669, 670

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