Dom zu Wetzlar

Dom zu Wetzlar
Der Wetzlarer Dom
Luftaufnahme des Doms in der Altstadt

Der Wetzlarer Dom ist eines der Wahrzeichen von Wetzlar. Das in verschiedenen Baustilen erbaute Bauwerk gehört zu den ältesten Simultankirchen Deutschlands.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Der Dom zu Wetzlar[1] ist keine eigentliche Kathedrale, weil Wetzlar kein Bischofssitz ist. Die Bezeichnung „Dom“ für die Stifts- und Pfarrkirche bürgerte sich ab Ende des 17. Jahrhundert ein. Die Bezeichnung setzte sich in der Zeit des Reichskammergerichts (1693–1806) durch, als der Erzbischof von Trier immer der Stiftspropst war. Bis heute ist im Wertegefühl der Wetzlarer Bevölkerung das Verständnis der Kirche als Dom geblieben.

Eine weitere Besonderheit des Doms ist, dass in ihm sowohl Stile mehrerer Epochen (z. B. Romanik, Gotik, Barock) vertreten sind, als auch, dass er bis heute unvollendet ist (siehe Bild; Fehlen des linken Turmes in der Hauptfassade).

Vorgängerbauten

Im Jahre 897 ließ der Konradiner Bischof Rudolf von Würzburg durch Gebhard[2].[3]., Graf in der Wetterau und ab 904 Herzog von Lothringen, eine Salvatorkirche (Erlöserkirche) weihen, einen Neubau, der die an dieser Stelle bestehende Vorgängerkirche ersetzte. Die Kirche wurde mehrfach umgebaut und vergrößert. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts erfolgte die Gründung des Marienstifts, eines Kollegialstifts, durch Gebhards Söhne Hermann I., einen späteren Herzog von Schwaben, und Udo, Graf in der Wetterau. Um 1170/80 errichtete man eine spätromanische Pfeilerbasilika mit zweitürmigem Westbau, deren Nordturm und westliches Portal als „Dom im Dom“ (Ricarda Huch) noch innerhalb des gotischen Westbaus zu sehen sind.

Heutiges Bauwerk

Der Dom inmitten der Altstadt und der Lahnbrücke

Baubeginn des heutigen Domes, der aber bis zum heutigen Tage nicht vollendet ist, war 1230. Immer wieder behinderten zahlreiche Baustillstände den Ausbau, so dass der Südturm erst um 1490, also fast 250 Jahre nach Baubeginn, vollendet werden konnte. Der Turmhelm bestand aus Holz und fiel 1561 einem Brand zum Opfer. Er wurde durch die „heutige“ barocke Turmhaube ersetzt. Mit dem Bau des Nordturms wurde zwar begonnen, dieser wurde jedoch niemals fertiggestellt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude durch Bomben stark beschädigt konnte aber nach dem Krieg bis auf den Lettner völlig wiederhergestellt werden. Allerdings sind zahlreiche wertvolle Teile der Ausstattung, wie z. B. die bunten Glasfenster oder die Orgel, verloren gegangen.

Baubeschreibung und Sehenswürdigkeiten

Eines der wertvollsten unter den erhaltenen Stücken ist die Pietà, die aus der Zeit um 1380 stammt und in der Johanniskapelle zu sehen ist. Weiter sind noch vorhanden ein spätgotischer Kreuztragender Christus mit Simon von Kyrene (im Nordquerhaus), eine Madonna im Chor aus dem 3. Viertel des 15. Jahrhundert sowie eine Maria mit sieben Engeln im Mittelschiff (Anfang 16. Jahrhundert).

Das Bauwerk wirkt wie ein steingewordenes Buch über mittelalterliche Baustilkunde. Es bietet trotz seiner über die Jahrhunderte dauernden Bauzeit heute ein geschlossenes Bild. Es ist eine dreischiffige, rippengewölbte Hallenkirche mit Doppelturmfront, von denen nur ein Turm, der südliche, verwirklicht wurde. Der mächtige dreigeschossige, aus rotem Sandstein bestehende Turm im Südwesten ist beherrschend, er wurde endgültig erst im 16. Jahrhundert mit (provisorischer) barocker Turmhaube fertiggestellt. Besonders bemerkenswert ist der vom „Neubau“ umschlossene aber noch vorhandene niedrigere und etwas zurückgesetzte romanische Nordturm der Vorgängerkirche, einer Pfeiler-Basilika mit breitem Querhaus und anschließender großer Rundapsis. Daher besteht auch noch ein romanisches Westtor, das Heidenportal, mit Doppelbogen über einer Säule und einem ungedeuteten Tympanonmotiv, das einem Widderkopf ähnelt.

Es gibt weitere sehenswerte Portale, von denen das Westportal, ein Doppelportal mit Mittelsäule und reichem Figurenschmuck, besonders hervorzuheben ist. Im Inneren übernehmen die mächtigen, schön geschmückten Pfeiler eine beherrschende Rolle. Die in den Jahren 1904-1915 bei einer Restaurierung wiederhergestellten Wandmalereien konnten auch bei der Beseitigung der Kriegsschäden zum Teil wieder berücksichtigt werden.

Stilistische Einordnung

Sürquerhaus und spätgotischer Westturm

Im wesentlichen lassen sich am bestehenden Bau drei Hauptbauphasen ablesen: 1. der stehengebliebene Teil der romanischen Westfassade mit einem von ursprünglich zwei Türmen mit byzantinisch anmutendem Helm in der Art romanischer Turmhelme in Rheinhessen (vgl. Worms, Alsheim, Dittelsheim, Guntersblum usw.); 2. die Hallenkirche des 13. Jahrhunderts und 3. die (unvollendete) spätgotische Westfassade (14. Jh.).

Der Bau des 13. Jahrhunderts verbindet Elemente der rheinischen Spätromanik mit fortschrittlicher hochgotischer Architektur. So wird der Giebel des Südquerhauses von Türmchen flankiert, wie sie auch am Limburger Dom zu finden sind, und die Fenster der Giebel des Chorhauptes haben Rundbögen mit eingestellten Säulchen (ähnlich gestaltete Chorhäupter finden sich in Gelnhausen und Münstermaifeld). Die Gewölbe, Pfeiler und Maßwerkfenster sind dagegen auf den Einfluss der Marburger Elisabethkirche zurückzuführen, die überhaupt bestimmend war für die Entwicklung gotischer Hallenkirchen in Hessen, allerdings ist das Maßwerk bereits weiter entwickelt als in Marburg. Auch im Inneren finden sich teils romanische, teils gotische Bauformen. Vermutlich wurde nach einem romanischen Plan begonnen, der in gotischen Formen weitergeführt wurde, ohne das bereits gebaute wieder zurückzunehmen.

Die unvollendete Westfassade, die sich durch die Verwendung von rotem Sandstein auch farblich vom Langhaus absetzt, spricht mit ihren hochwertigen Portalskulpturen die Sprache einer gotischen Kathedrale und könnte von der Frankfurter Dombauhütte beeinflusst worden sein. Daß nur ein Turm vollendet wurde, kann auch auf die Tendenz zur eintürmigen Fassade zurückgeführt werden, wie sie in ganz Süddeutschland im ausgehenden Mittelalter vorzufinden ist. Daß der zweite Turm unvollendet liegenblieb und die Fassade somit asymmetrisch wurde, störte das ästhetische Empfinden des Mittelalters nicht. (Genauso wenig wie in Straßburg, wo der eine Turm ganz bewusst dem Fassadenblock aufgesetzt wurde)

Der Dom als Simultankirche

Eine Besonderheit ist, dass der Dom seit dem 16. Jahrhundert als Simultankirche gemeinsam von Katholiken und Protestanten genutzt wird. Die Stadt wurde ab 1544 "Evangelischer Reichsstand", man einigte sich daraufhin, den Chorraum katholischen Stiftsherren und das Kirchenschiff der evangelisch-lutherischen Gemeinde für ihre Zwecke zu überlassen. Er ist heute das älteste Simultaneum im Bereich der Evangelischen Kirche im Rheinland (zweitältestes ist seit 1689 die Kirche in Hahn (Hunsrück)).

Siehe auch

  • Michaeliskapelle südlich des Domchores

Einzelnachweise

  1. [ http://www.wetzlar.de/index.phtml?NavID=370.967&La=1/
  2. [1]. In Barth Rüdiger E.: Seite 180, "Der Herzog in Lothringen im 10. Jahrhundert".
  3. [http://www.mittelalter-genealogie.de/konradiner_linie_konrad/konradiner.html.

Literatur

  • Eduard Sebald: Der Dom zu Wetzlar. 2., durchgesehene Auflage. Langewiesche, Königstein im Taunus 2001, ISBN 3-7845-5291-9
  • Eduard Brüdern: Der Dom zu Wetzlar , 2. Aufl. 2001, Verlag LANGEWIESCHE, ISBN-10: 3784551912 und ISBN-13: 9783784551913 aus der Reihe: Die Blauen Bücher

Weblinks

50.55588.50197Koordinaten: 50° 33′ 20,88″ N, 8° 30′ 6,84″ O


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