Elisabethkirche (Marburg)

Elisabethkirche (Marburg)
Ansicht von Südwesten

Die Elisabethkirche in Marburg wurde ab dem 14. August 1235 am Fuß des Marburger Schlossberges errichtet. Der Deutsche Orden baute sie unter maßgeblicher Förderung der Landgrafen von Thüringen zu Ehren der heiligen Elisabeth von Thüringen. Die Hallenkirche wurde über Elisabeths Grabmal errichtet, was die Kirche zu einem bedeutenden Wallfahrtsort des späten Mittelalters machte.

Inhaltsverzeichnis

Meisterwerk der deutschen Frühgotik

Die Elisabethkirche ist der erste rein gotische Kirchbau im deutschen Kulturgebiet. Besonders drei weitere Bauten werden in diesem Zusammenhang oft genannt:

  • Die Liebfrauenkirche in Trier (Baubeginn 1230) datiert noch vor der Elisabethkirche. Aufgrund ihres ungewöhnlichen und gänzlich „ungotisch“ rundlichen Grundrisses steht die Liebfrauenkirche aber nicht für den lupenreinen Beginn deutscher Baugotik. Gleichwohl diente sie den Erbauern der Elisabethkirche in einigen Punkten als Vorbild.
  • Der Dom zu Magdeburg (Baubeginn 1209) trägt zu viele romanische Bauelemente in sich, um schon als rein gotisch zu gelten.
  • Der Dom zu Köln wurde erst 1248 begonnen. Er orientiert sich aber kaum an der Elisabethkirche, sondern zitiert vielmehr die Baugotik Frankreichs.
Grundriss
Mittelschiff der Kirche von Westen

Die Türme der Elisabethkirche sind etwa 80 m hoch. Gekrönt werden die beiden Türme von einem Stern (Nordturm) und einem Ordensritter (Südturm). Der Sandsteinbau hat einen kreuzförmigen Grundriss, wobei die Halle aus drei Schiffen besteht, die jeweils über 20 m Gewölbehöhe erreichen, und in einen dreigliedrigen Chorbau aus Elisabethchor, Hohem Chor und Landgrafenchor mündet. Dazwischen befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Hochaltar die durch einen steinernen, 1343 errichteten Lettner vom Hauptschiff abgetrennte Vierung. Auf dem Kreuzaltar vor dem Lettner steht ein Kruzifix von Ernst Barlach, das der Kirche 1931 zum 700. Todestag Elisabeths gestiftet wurde.

Hochaltar

Der Hochaltar der Kirche aus dem Jahr 1290 ist aus Sandstein gefertigt. Er zeigt wie Maria von weiblichen Heiligen (rechts) und männlichen Heiligen (links) verehrt wird. Die mittleren Glasfenster hinter dem Hochaltar im hohen Chor gehören zu dem 1249 geweihten Teil der Kirche und sind bedeutende Werke der Glasmalerei.

Im nördlichen Kreuzarm befindet sich das um 1250 entstandene Mausoleum Elisabeths mit einem um 100 Jahre jüngeren Sarkophag, dessen Reliefschmuck die Aufbahrung Elisabeths im Beisein Christi und zahlreicher Würdenträger darstellt.

Goldener Schrein

Der gotische, reich geschmückte Elisabethschrein in der um 1326 errichteten Sakristei ist der wichtigste Schatz der Kirche, daneben können andere Exponate aus der Sakralkunst besichtigt werden. Der Schrein wurde 1235 begonnen. Das mit einem Satteldach geschlossene Gehäuse ist in der Mitte von einem Querschiff durchbrochen. Es befinden sich auf dem Querbalken Figuren von Christus, Maria, Elisabeth und eine Kreuzigungsgruppe, die Langseiten zeigen die zwölf Apostel sowie Darstellungen aus dem Leben der Landgräfin.

Geschichte

Elisabethfigur innerhalb der Kirche

Mit dem Bau wurde im Jahr der Heiligsprechung Elisabeths (1235) begonnen und er wurde 1283 geweiht, auch wenn die Arbeiten an den beiden Türmen sich noch bis 1340 hinzogen. Die Kirche gehörte dem Deutschen Orden; einige Gebäude des Ordens, das sogenannte Deutschhausgut, befinden sich noch heute an der Kirche. Dort sind jetzt u.a. das Mineralien-Museum und der Fachbereich Geographie der Philipps-Universität untergebracht. Ursprünglich sollte die Kirche Maria der Mutter Jesu geweiht werden.

In der Kirche soll der selige Christian von Preußen bestattet sein.

Bis ins 16. Jahrhundert war die Elisabethkirche Grablege der Landgrafen von Hessen. 1539 ließ Landgraf Philipp der Großmütige die Gebeine der Heiligen Elisabeth entfernen, um die Pilger aus dem protestantischen Marburg zu vertreiben. Reliquien der Elisabeth befinden sich heute im Elisabethkloster in Wien, im Stadtmuseum von Stockholm sowie in der slowakischen Stadt Košice.

Der vordere Bereich des Kirchenraumes war früher den Ordensrittern vorbehalten. Im Laufe des 16. Jahrhunderts konvertierten die einstmals katholischen Ordensbrüder fast alle zum Protestantismus, so dass in der Elisabethkirche nun der evangelische Gottesdienst gefeiert wurde. Den größten Teil des ursprünglich reichen Figurenschmucks ließ Landgraf Moritz 1605 zerstören. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Kirche kurzzeitig ein Simultaneum, d.h. es fanden räumlich getrennt sowohl katholische als auch protestantische Gottesdienste statt.

Zwischenzeitlich 1945 wurden die Särge der preußischen Könige Friedrich II. und Friedrich Wilhelm I. in einem thüringischen Salzbergwerk eingelagert und von der US-Armee von Thüringen in die Elisabethkirche verbracht und kamen 1952 – auf Initiative von Louis Ferdinand von Preußen – in die Kapelle der Burg Hohenzollern.

Seit dem Zweiten Weltkrieg stehen die Särge Paul von Hindenburgs und seiner Frau Gertrud in der Nordturmkapelle der Elisabethkirche. Ursprünglich waren beide im Tannenberg-Denkmal beigesetzt, aber im Januar 1945 wurden die Särge beim Rückzug der Deutschen Armee aus Ostpreußen umgebettet.

2004 erhielt die Kirche einen Ambo, den der Bildhauer Johannes Kirsch aus Petersberg geschaffen hatte. Er fertigte auch den Osterleuchter der Kirche.

Glocken

Die moderne Ergänzung des historischen Glockenbestandes geschah durch den Neuguss der vier Glocken der Glockengießerei Rincker aus Sinn (Hessen) in den Jahren 1965/66. Die älteste Glocke ist die Marienglocke aus der Zeit um 1280. Die um 1380 gegossene Elisabethglocke stellt eine der klangschönsten Glocken des ausgehenden 14. Jahrhunderts in Deutschland dar. Die kleine Silberglocke hängt im Dachreiter. Im Elisabethchor steht noch die ehemalige und derzeit gesprungene Paternosterglocke aus dem Jahre 1320.

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer
 
Durchmesser
(mm)
Masse
(kg)
Schlagton
(HT-1/16)
Läuteordnung
(solistisch)
1 Elisabethglocke um 1380 unbekannt 1770 3700 cis1 –2 Walpernläuten (30. April, 12:00/12:20/12;40 Uhr jeweils 10 Min. Das Mittagsläuten fällt aus)
2 Vesperglocke 1965 Glockengießerei Rincker 1220 1118 e1 ±0 Abendläuten (19 Uhr), Beerdigung
3 Friedensglocke 1965 Glockengießerei Rincker 1080 794 fis1 +1 Mittagsläuten (12 Uhr), Friedensgebet (8. Mai)
4 Vaterunserglocke 1966 Glockengießerei Rincker 950 491 a1 +3 Vaterunser
5 Marienglocke um 1280 unbekannt 990 670 h1 +3 Lichtmess (2. Februar)
6 Frühglocke 1965 Glockengießerei Rincker 790 343 cis2 +2 Morgenläuten (7 Uhr)
7 Bruder-Dietrich-Glocke um 1420 unbekannt 780 310 dis2 +3 Mittagsläuten an Festtagen
8 Taufglocke um 1420 unbekannt 192 fis2 Taufe/Taufhandlung
9 Silberglocke 1515 Hans Kortrog zu Homberg 85 fis2 Elisabethgedenktage (19. November/1. Mai, 15 Uhr)
10 Paternosterglocke 1320 unbekannt 470 (a1) (seit dem 30. Dezember 1965 gesprungen)

Orgel

Klais-Orgel

Die Orgel wurde 2006 von Johannes Klais Orgelbau fertiggestellt. Sie besitzt 57 Register auf 3 Manualen und Pedal. Die Spieltraktur ist mechanisch, die Registertraktur ist mechanisch/elektrisch. Die Orgelweihe fand am 5. November 2006 statt. Die Orgel steht am selbem Standort wie ihr Vorgängerinstrument, nämlich vor dem Meistermann-Fenster. Jedoch wurde die Orgelempore angepasst und das Instrument aus akustischen Gründen leicht nach vorne versetzt. Der Prospekt der Orgel nimmt einige Farben des Meistermann-Fensters auf. Die Disposition lautet folgendermaßen:

I Hauptwerk C–a³
Pricipal 16′
Bourdon 16′
Octave 8′
Gedeckt 8′
Flûte harmonique 8′
Gambe 8′
Octave 4′
Spitzflöte 4′
Quinte 22/3'
Octave 2′
Cornett V 8′
Mixtur V 2′
Trompete 16′
Trompete 8′
II Positiv C–a³
Quintatön 16′
Principal 8′
Holzgedackt 8′
Salicional 8′
Octave 4′
Rohrflöte 4′
Sesquialtera II 22/3
Octave 2′
Larigot 11/3
Mixtur III 11/3
Cromorne 8′
Klarinette 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–a³
Stillgedackt 16′
Geigenprincipal 8′
Hohlflöte 8′
Lieblich Gedackt 8′
Aeoline 8′
Vox coelestis 8′
Octave 4′
Traversflöte 4′
Violine 4′
Nasard 22/3
Flautino 2′
Tierce 13/5
Harmonia aetheria IV 22/3
Basson 16′
Trompette harmonique 8′
Hautbois 8′
Voix humaine 8′
Tremulant
Pedal C–g¹
Untersatz 32′
Contrabass 16′
Violon 16′
Subbass 16′
Quintbass 102/3
Octavebass 8′
Flötenbass 8′
Cello 8′
Octave 4′
Rauschpfeife IV 22/3
Posaune 16′
Fagott 16′
Trompete 8′
Clarine 4′
  • Koppeln: II/I, III/I, III/I elektr., III/I Super, III/I Sub, III/II, III/II elektr., III/II Super, III/II Sub, III/III Super, III/II Sub I/P, II/P, III/P, III/P Super.

Außenansichten der Kirche

Aktuelle Entwicklungen

Auf dem Gelände vor dem Hauptportal fanden ab Juni 2006, im Vorfeld einer geplanten Umgestaltung, umfangreiche archäologische Arbeiten statt, bei denen neben Überresten von Gebäuden des Deutschen Ordens zahlreiche Pilgergräber und Ruhestätten von Angehörigen des Ordens auf einem in Vergessenheit geratenen Begräbnisgrund freigelegt wurden.

2007 wurde aus Anlass des 800. Geburtstages von Elisabeth von Thüringen das „Elisabeth-Jahr“ begangen.

Kurioses

Die protestantische Paulskirche (Temple Saint-Paul), ein neugotischer Sakralbau in Straßburg, wurde von 1892 bis 1897 als protestantische Garnisonskirche nach Vorlage der Elisabethkirche errichtet.

Auch die Pfarrkirche St. Elisabeth im VII. Bezirk (Elisabethstadt, ung. Erzsébetváros) in Budapest, die zwischen 1891 und 1903 nach Entwürfen von Imre Steindl im neugotischen Stil in Backsteinbauweise errichtet wurde, orientiert sich in ihrem Äußeren erkennbar an ihrem Marburger Vorbild.

Am 16. Mai 2004 wurde in der St. Martin’s Gemeinde (einer Gemeinde der Episkopalkirche der Vereinigten Staaten von Amerika) in Houston (Texas) nach zweijähriger Bauzeit ein Nachbau der Elisabethkirche eingeweiht. Die 1500 Sitzplätze umfassende Kirche wurde in Stahlbauweise errichtet, ähnelt äußerlich allerdings sehr stark dem Original. Anlass des Neubaus war der Platzmangel in der vorherigen St. Martin's Church. Anlässlich des Projektes kam es zu Kontakten und Begegnungen zwischen den Mitgliedern der Gemeinden.

Siehe auch

Literatur

  • Atzbach, Rainer: Marburgs heiligster Ort. Ausgrabungen 1970/71 am Standort der Hospitalgründung der heiligen Elisabeth (mit Beiträgen von Katrin Atzbach, Matthias Bischof, Cathrin Hähn, Alissa Theiß und Felicitas Weiß). Marburger Stadtschriften zur Geschichte und Kultur 88. Rathaus-Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-923820-88-7.
  • Bauer, Hermann: Sankt Elisabeth und die Elisabethkirche zu Marburg. Hitzeroth, Marburg 1990, ISBN 3-89616-031-1.
  • Bierschenk, Monika: Glasmalereien der Elisabethkirche in Marburg. Die figürlichen Fenster um 1240. Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, Berlin 1991, ISBN 3871571326.
  • Fügen, Randolf: Highlights in Mittelhessen (1. Auflage). Wartenberg, Gudersberg-Gleichen 2003, ISBN 3-8313-1044-0.
  • Großmann, Dieter: Elisabethkirche Marburg (Große Baudenkmäler, Heft 296). Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1977, ISBN ???.
  • Köstler, Andreas: Die Ausstattung der Marburger Elisabethkirche. Zur Ästhetisierung des Kultraums im Mittelalter. Reimer, Berlin 1995, ISBN 3-496-01134-3.
  • Kramer, Kurt: Die Glocke und ihr Geläute. Deutscher Kunstverlag, München 1990, ISBN 3-422-06066-9.
  • Leppin, Eberhard: Die Elisabethkirche in Marburg an der Lahn, 4., überarbeitete und umgestaltete Aufl.. Langewiesche, Königstein i. Ts. 1998, ISBN 3-7845-2913-5.
  • Nussbaum, Norbert: Deutsche Kirchenbaukunst der Gotik (2. Auflage). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1994, ISBN 3-534-12542-8.
  • Parello, Daniel: Die mittelalterlichen Glasmalereien in Marburg und Nordhessen (CVMA Deutschland III,3). Berlin 2008, ISBN 978-3-87157-224-1.

Weblinks

 Commons: Elisabethkirche (Marburg) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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