Agnete Fingerin

Agnete Fingerin

Agnes Finger auch Agnes oder Agnete Fingerin, († um 1514 in Görlitz) ist eine der wenigen Frauen aus dem Görlitzer Mittelalter, die aus der Stadtgeschichte hervortritt. Sie war Pilgerreisende nach Rom.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sie war verheiratet mit einem Tuchmacher, Kaufmann in Görlitz und wird nach kurzer Ehe 1465 Witwe. In den historischen Unterlagen wird sie als vermögend und von schöner Gestalt beschrieben. Sie hat entgegen den Gepflogenheiten nie wieder geheiratet und keine Kinder bekommen. 1471 gründet sie die „Fromme Stiftung von Brot und Salz“ für arme Leute, die bis 1563 das „Agnetenbrot“ austeilen sollte.

Frauen im Mittelalter

Weil sie von Natur aus nicht waffen- und wehrfähig waren, besaßen Frauen im Mittelalter keine Rechts- und Handlungsfreiheit, sondern standen unter der Vormundschaft eines Mannes. „Die Fingerin“ hatte einen wesentlich größeren Handlungsspielraum, da sie als Witwe von der Vormundschaft ihres Mannes befreit war. Da sie die Geschäfte eigenständig fortführte, war sie hier nicht schlechter gestellt als die männlichen Kaufleute. Es war aber nicht selbstverständlich, dass Frauen in dieser Zeit ihre Wege so konsequent alleine gegangen sind, wie dies Agnete Fingerin getan hat.

Angebliche Pilgerreise in Heilige Land

Sie hatte als Geschäftsfrau im Handel ihre Abgaben zu leisten. Und so kam es, dass sie sich in Vorbereitung ihrer Pilgerreise von den Abgaben "freikaufen" musste, da man befürchtete, dass sie nicht wiederkommen werde. Sie ordnete ihre Vermögenswerte und überließ ihrem Schwager ihr Haus unter der Bedingung, dass sie nach der Rückkehr im "Arbeitsgemach" frei wohnen könne. Durch den Warenverkauf an ihren Schwager hatte sie Vorsorge getroffen, für den Fall, dass ihr auf dem Wege etwas zustoßen sollte. Das Geld war für verschiedene fromme Werke vorgesehen.

In der populären Literatur heißt es: 1476 reiste sie vermutlich mit der Reisegesellschaft von Herzog Albrecht von Sachsen ins Heilige Land. In der Reisebeschreibung des Hans von Mergenthal wird von „zwey Eheleut von Görlitz“ gesprochen, die die Baupläne des Heiligen Grabes von Jerusalem mitgenommen haben. Wer ihr Begleiter war, ist nicht belegt. Georg Emmerich, der zur selben Zeit Bürgermeister von Görlitz war und ebenfalls eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternahm, war es nicht. Mit dem Bau des Heiligen Grabes zu Görlitz ist erst nach ihrer Rückkehr 1481 begonnen worden. Auch trat sie weiterhin als Stifterin für die Kirche St. Peter und Paul und Krankenhäuser auf. Sie starb hochbetagt 1515.


Nach den Görlitzer Quellen stellt sich die Sache aber so dar:

Dass Agnes Finger auf Romfahrt gegangen ist, ergibt sich nicht aus ihrem Testament, sondern aus dem darauf folgenden Eintrag im Görlitzer Stadtbuch. Dort bestätigt ihr Schwager Hans Schmidt, dass er der Fingerin Waren im Wert von 500 fl. ung. abgekauft habe. Neuerdings versucht Katrin Schreyer (Das Leben der Agnes Fingerin im Spiegel der zeitgenössischen Quellen, in: Görlitzer Magazin 18 [2005], S. 74–85) eine Neuinterpretation der von Richard Jecht (Urkundliche Nachrichten über Georg Emerich, in: NLM 68 [1892], S. 85–164) gebrachten Quellenstellen und behauptet, dass Agnes Fingerin mit einem gewissen Gabriel (vgl. Christian Speer, Von Görlitz nach Rom. Regesten zur Geschichte der Pilgerfahrt in der Oberlausitz nach den Görlitzer Stadtbüchern, Ratsrechnungen und Testamenten [1358–1545], in: NLM N. F. 10 [2007], S. 93–132, S. 118 f, Nr. 105) nach Jerusalem gepilgert sei. In den Quellen lässt sich dieser Zusammenhang aber nicht nachweisen. Problematisch in seiner Beurteilung ist allerdings der Tagebucheintrag bei Johannes Frauenburg (Das Tagebuch des Görlitzischen Stadtschreibers Johannes Frauenburg 1470–1480, nach der Abschrift und mit Anmerkungen des Bartholomäus Scultetus, hrsg. von Moritz Oskar Sauppe, in: NLM 65 [1889], S. 151–189, hier S. 176): Alte Fingerin, so anno 1465 Juli 11. zu Jerusalem da Georg Emmerich zu Ritter geschlagen, mitte darbey gewesen. Durch die fehlerhafte Edition dieses Tagebuchs (vgl. Richard Jecht, Quellen zur Geschichte der Stadt Görlitz bis 1600, Görlitz 1909, S. 132) ist nicht klar, ob der Eintrag tatsächlich von Frauenburg stammt, dann wäre an ihrer Jerusalemreise nicht zu zweifeln, oder ob es sich um einen Nachtrag von Bartholomäus Scultetus handelt, der eine literarische Fiktion tradiert, wie sie in Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, in: NLM 40 (1863), S. 1–475, hier S. 332 ff. erscheint. Dass Agnes Finger vielleicht weiter nach Jerusalem gepilgert ist, macht eine Stelle in den Annalen (Görlitzer Ratsannalen des Mag. Johannes Hass, 1. und 2. Bd. [1509–1520] [Scriptores Rerum Lusaticarum N. F. 3], hrsg. von Theodor Neumann, Görlitz, S. 550) wahrscheinlich: (anno 1519) Dieselbige [A. Fingerin] hat sich zur zeit dieweile sie jr furgesatzt, wie den geschehen ist mit Herzog Albrechten […] zum heiligen lande zu zihen […]. Gegen die Jerusalemreise spricht als gewichtigstes Argument ein Stadtbucheintrag im Görlitzer Ratsarchiv. Dort heißt es, als sie ihrem frund Marcus Michler einen Teil seiner Schulden erlässt, zum Zeitpunkt des Geldverleihs: ehedem sy gen Rome geczogen ist (Liber actorum 1478–1487, fol. 48v [9. Juli 1479]). Wäre sie bis Jerusalem gereist, hätte man dies mit Sicherheit vermerkt.

Fazit: Agnes Finger ist nach Rom aber sehr wahrscheinlich nie nach Jerusalem gepilgert!

Literatur

  • Lausitzer Jerusalem. 500 Jahre Heiliges Grab zu Görlitz. Herausgegeben von Ines Anders und Marius Winzeler für die Städtischen Sammlungen für Geschichte und Kultur Görlitz (Schriftenreihe N.F. 38) und für den Aktionskreis Görlitz e.V. - Begleitpublikation zur Ausstellung. Verlag Gunter Oettel Görlitz-Zittau 2005. ISBN 3-932693-89-2

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