- Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte
-
Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte Georges Seurat, 1884–1886 Öl auf Leinwand, 207,6 cm × 308 cm Art Institute of Chicago Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte (französisch: Un dimanche après-midi à l'Île de la Grande Jatte) ist ein Gemälde des französischen Malers Georges Seurat (1859–1891) von 1884–1886. Es hängt heute im Art Institute of Chicago.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Das Bild zeigt Personen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten unter einem strahlenden Sommerhimmel am Ufer der Seine im Paris des späten 19. Jahrhunderts. Die Île de la Jatte ist eine etwa zwei Kilometer lange Seine-Insel im Westen von Paris.
Dargestellt sind von links vorn:
- Vordergrund
- ein Pfeife rauchender Kanufahrer,
- ein bürgerliches Paar mit Zylinder und Hut,
- ein schwarzer Hund,
- ein springender kleiner Hund,
- ein Paar in statuenhafter Strenge (die Frau mit einem Affen an der Leine)
- Mittelgrund
- Anglerin mit zuschauender Freundin,
- eine Amme und ein älterer Mann unter einem Sonnenschirm,
- eine junge Frau mit rotem Sonnenschirm und einem kleinen, weißgekleideten Kind
- zwei Mädchen (die eine mit Sonnenschirm, die andere mit Blumenstrauß)
- Hintergrund
- ein Mann mit Trompete,
- zwei Soldaten,
- ein seilhüpfendes Mädchen
- weitere, kaum erkennbare Figuren.
Kommentar
Seurat vermied weitgehend Überschneidungen der Dargestellten, sodass sie wie Silhouetten erscheinen. Aus dem Bild ist jegliche Spontaneität verbannt, sodass die Personen wie steife Puppen wirken. Der französische Autor Pierre Courthio bezeichnete Seurat als einen „Maler der Vertikalen“ und merkte zu seinem Stil an: „Man sagte mit Recht, fast jede Figur in Seurats Bildern sähe so aus, als sei ihr immer wieder gesagt worden: ‚Halte Dich gerade!‘“ [1]
Durch die Technik des Pointillismus besteht das Bild aus winzigen, wie im Raster gesetzten Punkten. Charles Angrand, der Seurat bei der Arbeit an dem Bild zusah, berichtet über dessen Malweise: „Auf Seurats Palette herrschte immer Ordnung: drei Stränge Weiß neben dem Daumen, jeder für die Mischung mit einer der drei Primärfarben Rot, Gelb, Blau bestimmt.“[1] Die Farben stimmte er nach Abstufungen von hell-dunkel, warm-kalt und nach den Komplementärfarben ab. Die Mischung, das Gesamtbild, entsteht erst im Auge des Betrachters.
In diesem Bild wandte Seurat zum ersten Mal mit wissenschaftlicher Strenge die Theorie der optischen Mischung durch die Zerlegung der Farben an. Der Kunstkritiker Jules Christophe schrieb 1890 in der Seurat gewidmeten Nummer 368 der Zeitschrift Les Hommes d'aujourd'hui (deutsch: Die Menschen von heute) in einem von Seurat persönlich mitgestalteten Artikel:
„An einem Nachmittag unter flimmerndem Sommerhimmel sehen wir die glitzernde Seine, elegante Villen am gegenüberliegenden Ufer, kleine, auf dem Fluß dahingleitende Dampfschiffe, Segelboote und ein Ruderboot. Unter den Bäumen, ganz in unserer Nähe, gehen Leute spazieren, andere sitzen oder liegen faul im bläulichen Gras. Einige angeln. Wir sehen junge Mädchen, ein Kinderfräulein, eine alte Großmutter unter einem Sonnenschirm, die aussieht wie Dante, einen Bootsmann, der faul hingestreckt seine Pfeife raucht und dessen Hosenbeine von der hellen Sonne regelrecht verschlungen werden. Ein dunkelvioletter Hund schnuppert am Gras, ein roter Schmetterling fliegt umher, eine junge Mutter geht mit ihrer kleinen Tochter spazieren, die ganz in Weiß gekleidet ist und eine lachsfarbene Schärpe trägt. Nahe dem Wasser stehen zwei Kadetten der Militärschule Saint-Cyr. Ein junges Mädchen bindet einen Strauß; ein Kind mit rotem Haar und blauem Kleid sitzt im Gras. Wir sehen ein Ehepaar mit seinem Baby und ganz rechts das hieratische, aufsehenerregende Paar, einen jungen Geck mit seiner eleganten Begleiterin am Arm, die einen purpur-ultramarinfarbenen Affen an der Leine führt.“[1]
Geschichte
Seurat vollendete im Jahr 1884 Die Badenden in Asnières (Baigneurs à Asnières), die von der Jury des Pariser Salons zurückgewiesen wurden. Im Sommer des gleichen Jahres begann er mit seinen Vorstudien zu Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte. Im Dezember stellte er bei den Indépendants noch einmal Die Badenden zusammen mit Studien zur Grande Jatte aus.
Seurat erklärte selbst in einem Brief, dass er am Himmelfahrtstag 1884 sowohl die Studie wie das Bild Grande Jatte begann. Er hielt seine Eindrücke auf kleinen Holztafeln fest und übertrug sie im Atelier auf die Leinwand. Doch bis zur endgültigen Fassung war noch ein langer Weg. Manche Elemente wurden entfernt, andere verändert, wieder andere hinzugefügt. So trat an die Stelle der sitzenden Frau im Vordergrund später die Spaziergängerin mit dem Affen an der Leine.
Im März 1885 vollendete er das Bild der Grande Jatte, an dem er den ganzen Winter über gearbeitet hatte. In der endgültigen Fassung ist der liegende Mann mit Jockeymütze weiter ausgeführt wie auch die Figuren des Hintergrundes. Das Bild hat an Klarheit und an exakter Gestaltung gewonnen, dafür fehlt aber jegliche Spontaneität.
Von 15. Mai bis 15. Juni nahm Seurat an der letzten Gruppenausstellung der Impressionisten teil, wo Grande Jatte für Aufregung sorgte. Arsène Alexandre berichtete über die Reaktion der Öffentlichkeit auf dieses Bild:[1]
„Beim ersten Anblick erschraken die Betrachter. Alles war neu an diesem riesigen Bild: die kühne Konzeption und die Technik, von der bisher niemand eine Vorstellung hatte. Das also war der berühmte Pointillismus.“
Das Bild wurde im Salon des Indépendants gezeigt, wo die Reaktionen ebenfalls heftig waren:
„Es gab viel Geschrei, auf dem Kampfplatz aber wartete schon der Sieg. Der Erfolg wurde unverzüglich in La Vogue gefeiert, in einem klugen, logischen und kenntnisreichen Aufsatz von Félix Fénéon.“
Im Frühjahr 1885 überarbeitete Seurat das Gemälde. 1888 schloss er die große Fassung von Die Modelle ab, die im Hintergrund La Grande Jatte zeigt.
Literatur
- Pierre Courthion: „Georges Seurat“. Köln DuMont, 1991. ISBN 3-7701-2701-3
- Jean-Louis Ferrier: „Die Abenteuer des Sehens. Eine Kunstgeschichte in 30 Bildern.“ München: Piper Verlag, 1998. ISBN 3-492-04019-5
- Rolf H. Johannsen: „50 Klassiker. Gemälde. Die wichtigsten Gemälde der Kunstgeschichte“. Hildesheim: Gerstenberg Verlag, 2001. ISBN 3-8067-2516-0
- Wieland Schmied (Hg.): „Harenberg Museum der Malerei. 525 Meisterwerke aus sieben Jahrhunderten“. Dortmund: Harenberg Lexikon Verlag, 1999. ISBN 3-611-00814-1
Quellennachweis
- ↑ a b c d Pierre Courthion: Georges Seurat. DuMont. Köln 1991. ISBN 3-7701-2701-3
Weblinks
Kategorien:- Gemälde (19. Jahrhundert)
- Impressionismus
Wikimedia Foundation.