Ely Cathedral

Ely Cathedral

Die Kathedrale der Heiligen Dreifaltigkeit von Ely in Cambridgeshire ist neben Peterborough ein bedeutendes Denkmal des reifen normannisch-romanischen Stils.

Der Westturm (1174-97)

Die heutige Anlage geht zurück auf eine benediktinische Gründung aus dem 7. Jahrhundert. Angeblich war die heilige Etheldedra, die damalige Königin von Northumbria, seit dem Jahr 673 Äbtissin. Hier auf einer Anhöhe der Isle of Ely in einem ehemaligen Sumpfgebiet hatten sich die Angelsachsen bis 1071 gegen die Normannen verteidigen können.

Inhaltsverzeichnis

Der normannische Neubau

Unter Wilhelm I. wurde 1083 der romanische Neubau als Abteikirche durch den normannischen Abt Simeon begonnen, einem Bruder des Abtes Walkelin von Winchester und ehemaliger Mönch von St. Ouen bei Rouen, der damals bereits 90 Jahre alt war. Man begann zunächst mit dem Chor.

Das östliche Querschiff wurde zwischen 1087 und 1093 erbaut mit ursprünglich auf drei Seiten der Flügel herumgeführten Seitenschiffen. Die Arkaden dieses Querhauses sind heute die ältesten Teile des ersten Bauabschnittes. Das heutige Hammerbalken-Gewölbe mit seinen bunten Engeln stammt aus dem 15. Jahrhundert. Der Chor ist gotisch erneuert.

1109 wurde der Bau weitergeführt, nun als Kathedrale eines Abtbischofs.

Der Grundriss

Das 12-jochige Langhaus stammt aus dem 12. Jahrhundert und besitzt das höchste Mittelschiff in England. Es war 1180 „vollendet“. Es hat einen dreiteiligen Aufriss mit Stützenwechsel und Emporen. Es herrscht weitgehende Gleichwertigkeit der beiden unteren Geschosse (Emporenbögen allerdings zweigeteilt), denen der Lichtgaden an Höhe aber kaum nachsteht (dreibogig). Die Anzahl der Bögen pro Joch nimmt also von unten nach oben im Verhältnis 1:2:3 zu. Die vom Boden aufsteigenden Dienste sind nur von zwei schmalen Horizontalbändern umkröpft. Sie sind trotz ihrer Größe nicht auf eine Wölbung hin angelegt, sondern als reine Wandgliederung. Die spätere, 1858-65 bemalte hölzerne Walmdecke verdeckt das Sparrendach. Ihr Schöpfer Henry Styleman le Strange orientierte sich an der Decke von St. Michael (Hildesheim) [1].

Aus der Zeit um 1140 stammt das Portal am südlichen Seitenschiff mit einer Darstellung der Majestas domini („Prior’s Door“). Ein Einfluss aus Südwestfrankreich ist wahrscheinlich. Die Pforte führte zum heute nicht mehr vorhandenen Kreuzgang (ähnlich die „Monk’s Door“ zum ehem. Ostarm des Kreuzgangs).

Um 1200-1215 wurde im Westen eine Galiläa angeschlossen – unter Bischof Eustache (1195-1215).

Das westliche Querschiff

Das westliche Querschiff folgte im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts. Es besitzt einen eigenen mächtigen Vierungsturm, der dominanter ist als der östliche Vierungsturm, der an seinem 'üblichen' Ort im östlichen Teil einer Kirchenanlage steht. Ely besitzt also zwei Vierungstürme. Der südliche Arm des westlichen Querschiffes wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts ausgebaut und besitzt einen eigenen kleinen Turm. Der nördliche Querhausarm ist zu Ende des 16. Jahrhunderts eingestürzt und wurde nicht rekonstruiert. Dadurch wurde die Fassade unsymmetrisch. Noch vor der Mitte des 13. Jahrhunderts treten hier und in Lincoln Scheitelrippen auf. Dieses westliche Querhaus ist einschiffig. Hier ist die spätromanische Schmuckfreudigkeit besonders intensiv: In sechs Geschossen übereinander reihen sich Blendarkaturen und Öffnungen, in den unteren Teilen zusätzlich abgetrennt von Schmuckbändern. Im zweiten Geschoss wird bei den Blendarkaden ein Motiv aufgegriffen, das in den Seitenschiffen von Durham zum ersten mal eingesetzt wurde: sich überschneidende Bögen. Dieses Motiv gehört von nun an zum klassischen englischen Schmuckrepertoire.

Die Bedeutung Elys in der englischen Architekturgeschichte

Innenansicht

Ely zeigt in seiner langen Baugeschichte einen Prozess, der sich auch an anderen englischen Kathedralen nachvollziehen lässt und ein generelles Kriterium der englischen Architektur darstellt: die Zunahme der Schmuckformen bis in extreme Formen hinein. In Durham hatte sich die Ausschmückung der reinen Architekturglieder noch auf die Bögen, Pfeiler und Rippen beschränkt. Die Gliederung des Baues wurde dadurch noch betont. Aber schon an den Sockelflächen der Seitenschiffe in Durham hatte sich ein Tendenz gezeigt, auch die Wandflächen mit Blendarkaden zu überziehen. Hier in Ely ist dann an den normannisch-romanischen Bauteilen zu beobachten, dass sich die Schmuckformen verselbständigen, nicht mehr die architektonische Gliederung unterstreichen, sondern Eigenwert gewinnen – teilweise gegen die Gliederung gerichtet. Ganze Wände werden mit Schmuckformen überzogen. Der Eindruck des Überwucherns entsteht, wenn jede noch so kleine Fläche mit kleinteiligen und in sich verschachtelten Detailformen überzogen wird (Ely, Westquerhaus, Südflügel).

Dieser Prozess geht soweit, dass die Architekturglieder selber "ornamentiert" werden, ihre ursprünglich stützende oder gliedernde Funktion ‚vergessen’ und im Spiel der Formen zu versinken drohen (hier in Ely besonders bei der Grabkapelle Bischof Alcocks im Chor). „Im später 12. Jahrhundert, in der Spätphase der romanischen Kunst, erfährt dies eine nicht mehr zu überbietende Steigerung“[2]. Das alte angelsächsische Schmuckbedürfnis, das mit der normannischen Eroberung der Insel 1066 abrupt aus der Architektur verschwand, bringt sich wieder unübersehbar zur Geltung. In Ely lässt sich dieser Prozess von Bauphase zu Bauphase nachverfolgen.

Der Neubau des Chores

Unter Bischof Hugh of Northwold (1229-1254) wird der romanische Chor abgebrochen und ab 1234 durch das sechsjochige Presbyterium ersetzt, 1252 vollendet. Es ist neben dem Engelschor von Lincoln das „reichste Beispiel englischer Frühgotik an der Schwelle zum Decorated Style[3].

Die neue Vierung im Osten

Das Oktogon der Kathedrale von Ely, ein Meisterwerk des Decorated Style.

1322 stürzte der östliche Vierungsturm ein. Damals wurde die Abtei von Bischof John Hotham (1316-1337) geleitet. Er ist verantwortlich für den kühnen Entschluss, nicht den alten Turm einfach zu rekonstruieren, sondern eine ganz neue Form zu wagen.

Nach 1322 werden die neue Vierung und die drei anschließenden Chorjoche errichtet (ca. 1328-40). Die Vierung selber ist ein achtseitiger, länglicher Kuppelraum in voller Langhausbreite einschließlich der Seitenschiffe mit 25 Metern Durchmesser. Über dem unteren Oktogon erhebt sich eine achtseitige komplizierte Holzkonstruktion des Meisters William Hurley, dem Zimmermann des Königs, der damit - dokumentarisch eindeutig belegt - ein Londoner Vorbild nachahmte. Er ließ von den acht Mauerpfeilern - nach dem Prinzip des Hammer-Gerüstes - 16 lange in Dreieckform gefaßte hölzerne Träger nach oben konvergierend zusammenlaufen und die mächtige Holzlaterne tragen (Holzgerüst um 22,5° zum steinernen Achteck gedreht). Jeweils zwei dieser Stämme ruhen auf einem der acht Pfeiler und tragen zusammen die Last von gut 400 Tonnen der Holzkonstruktion [4]. Hurley hat aber Rippen unter die Holzeindeckung gesetzt und damit eine Steinkonstruktion suggeriert.

Die Laterne ist mit hölzernem Maßwerk versehen, um den Vierungsraum ausreichend zu beleuchten. Die Ecken der Laterne entsprechen den Seiten des Oktogons.

Bekrönt wird dieser Raumteil mit einem hölzernen Sterngewölbe (vollendet 1335). Es hängt in einer Höhe von 43 Metern. Dort steigen von jedem Kämpfer sieben Rippen auf, während von den Kämpfern des großen Oktogons fünf zu den Gewölbekappen und sechs zu den Querscheitelrippen gehen.

Beleuchtet wird dieses Vierungsgewölbe durch allseitig umlaufende Fenster über einer Blendbogenfolge. Der ungewöhnliche Aufbau konnte nur aus Holz errichtet werden. Vollendet wurde diese in der ganzen gotischen Architektur einmalige Anlage 1342 (unter der Leitung des Sacristan Alan of Walsingham). In den oberen Diagonalflächen sind große Maßwerkfenster eingesetzt worden. Nikolaus Pevsner meint, hier habe eine „Preisgabe der klaren Trennungslinien zwischen Mittelschiff, Seitenschiffen, Querhaus und Chor, wie sie der hochgotischen Kathedrale in Grundriss und Aufbau zu Grunde lagen“ stattgefunden. Der heutige äußere Aufbau des „Octagon“ ist modern.

Der Aufriss der Chorjoche zeigt im Anschluss an die frühgotischen Joche reichere Schmuckformen. Es gibt breite Emporen- und Fensteröffnungen mit kurvenförmigen Maßwerkgittern und ein kompliziertes Sterngewölbe.

Die Lady Chapel

Die riesige Lady Chapel wurde wahrscheinlich zwischen 1321 und 1349 unter der Leitung von Bruder John Wysbeck errichtet. Sie ist ausnahmsweise ein separater Bau parallel zum Chor an der Ostecke des Nordquerhauses und ist ein einschiffiger Rechteckraum von fünf Jochen mit den Maßen 30 zu 14 Metern. Das flache Steingewölbe ist das weiteste von England [5]. Der Innenraum ist rings umgeben von Blendarkaturen mit geschneppten Kielbögen; in den Zwickeln dazwischen sind Figuren untergebracht; zahlreiche Flächen sind mit einer wuchernden Laubwerkdekoration überzogen („einer der reichsten und zierlichsten Räume der ganzen Gotik“, [6]).

Die westliche Vierung

Um 1380 wurden die Pfeiler der westlichen Vierung verstärkt. Dadurch wurde die westliche Vorhalle noch stärker vom Langhaus getrennt. Der westliche Vierungsturm repräsentiert die letzte Phase des spätromanischen Stils. Wie die ganze Fassade (=Westwand des Querhauses) ist er vollständig mit Nischen und anderen Öffnungen gegliedert, durchsetzt von gotisierenden Spitzbogenlanzetten. Dieses ursprünglich nur im Innenraum zur Wandgestaltung eingesetzte Motiv ist hier auf den Außenbau übertragen. Die gesamte Bauzeit des Westturms zieht sich von ca. 1200 bis 1400 hin. Der ehemalige zinnenbeschlagene Spitzhelm wurde 1757 abgebaut [7]. Der untere Teil der Fassade zeigt auf den Flächen das berühmte englische Waffelmuster (diaper-work).

Die Außenansicht

Bei den englischen Kathedralen ergibt sich für eine Ansicht von weitem ein grundsätzlich anderes Bild als auf dem Festland. Erstens liegen diese Gebäude häufig auf freiem Feld und nicht mitten in einer Stadt, sind also als bauliche Einheit deutlich wahrzunehmen. Zweitens gibt es hier ein dynamisches Verhältnis zwischen den ruhig gelagerten und langgestreckten Langhäusern und Chören einerseits und den reich gestalteten Turmgruppen im Westen und über der Vierung andererseits. Ely gilt in dieser Hinsicht als die „großartigste romanische Leistung“ [8].

Musik

Ely besitzt einen bekannten Kirchenchor für Knaben und Männer, der vor kurzem internationale Beachtung fand wegen seiner Zusammenarbeit mit den „Choirboys“: zwei seiner Mitglieder, Patrick Aspbury und CJ Porter-Thaw, sind Chorsänger der Kathedrale. Die Knaben werden erzogen in der Juniorabteilung der „King's School“ von Ely. Vor einiger Zeit hat die Kirchengemeinde begonnen, einen Erwachsenenchor aufzubauen, die „Octagon Singers“ und parallel dazu einen Knabenchor, die „Ely Imps“. Und 2006 kam schließlich der „Ely Cathedral Girls’ Choir“ hinzu.

Organisten

  • 1453 William Kyng
  • 1535 Thomas Barcroft
  • 1541 Christopher Tye
  • 1562 Robert White
  • 1567 John Farrant
  • 1572 William Fox
  • 1579 George Barcroft
  • 1610 John Amner
  • 1641 Robert Claxton
  • 1662 John Ferrabosco
  • 1681 James Hawkins
  • 1729 Thomas Kempton
  • 1762 John Elbonn
  • 1768 David Wood
  • 1774 James Rogers
  • 1777 Richard Langdon
  • 1778 Highmore Skeats (sen.)
  • 1804 Highmore Skeats (jun.)
  • 1830 Robert Janes
  • 1867 Edmund Thomas Chipp
  • 1887 Basil Harwood
  • 1892 Thomas Tertius Noble
  • 1898 Hugh Allen
  • 1901 Archibald Wilson
  • 1919 Noel Ponsonby
  • 1926 Hubert Middleton
  • 1931 Mamaduke Conway
  • 1949 Sidney Campbell
  • 1953 Michael Howard
  • 1958 Arthur Wills
  • 1990 Paul Trepte

Ely in der populären Kultur

  • Die Kathedrale erscheint auf dem Cover des Pink Floyd Albums The Division Bell von 1994.
  • Eine Reihe der Aufnahmen von Chormusik unter John Rutter zeigt auf dem Cover die Kathedrale von Ely als Referenz zu der Tatsache, dass frühe Aufnahmen seiner Musik hier in der Lady Chapel aufgenommen wurden.
  • Ely erscheint ebenfalls auf dem Kinderbuch Tom's Midnight Garden von Philippa Pearce.
  • Einige Passagen des Films "The Golden Age", dem Nachfolge-Film zu "Elizabeth", sind hier im Juni 2006 gedreht worden, wobei die Stars Cate Blanchett und Clive Owen unter der Regie von Shekhar Kapur agierten.

Literatur

  • Acland, James H.: Medieval Structure: The Gothic Vault. Toronto
  • Adam, Ernst: Vorromanik und Romanik. Frankfurt 1968., S. 115, 119;
  • Badr, Issam Eldin Abdou: Vom Gewölbe zum räumlichen Tragwerk. (Diss.) Dielsdorf 1962
  • Bock, Henning: Der Decorated Style. Untersuchungen zur englischen Kathedralarchitektur der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Heidelberg 1962
  • Durliat, Marcel: Romanische Kunst. Freiburg-Basel-Wien 1983. S. 498, Abb. 958, Farbtafel 34;
  • Erlande-Brandenburg, Alaine: Gotische Kunst. Freiburg-Basel-Wien 1984, S. 567, Farbtafel 30;
  • Hart, Franz: Kunst und Technik der Wölbung. München 1965
  • Hürlimann, Martin: Englische Kathedralen. Zürich 1948, S. 18-45
  • Pevsner, Nikolaus: Europäische Architektur von den Anfängen bis zur Gegenwart. München 3. Auflage 1973
  • Schäfke, Werner: Englische Kathedralen. Eine Reise zu den Höhepunkten englischer Architektur von 1066 bis heute. Köln 1983. (DuMont Kunst-Reiseführer), S. 81-87, Abb. 16-18; Farbtafel 2,22;
  • Swaan, Wim: Die großen Kathedralen. Köln 1969, S. 210, Abb. 244-249;
  • Toman, Rolf (Hrsg.): Die Kunst der Romanik. Architektur - Skulptur - Malerei. Köln 1996, S. 228

Einzelnachweise

  1. Schäfke (1983), S. 84
  2. Adam (1968), S. 115
  3. Hürlimann (1948), S. 18
  4. Schäfke (1983), S. 87
  5. Schäfke (1983), S. 85
  6. Hürlimann (1948), S. 18
  7. Hürlimann (1948), S. 18; laut Schäfke (1983) erst 1801, S. 84
  8. Adam (1968), S. 119

Weblinks

52.3986111111110.263333333333327Koordinaten: 52° 23′ 55″ N, 0° 15′ 48″ O


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