Enteignender Eingriff

Enteignender Eingriff

Der enteignende Eingriff ist ein gesetzlich nicht geregeltes Instrument des deutschen Staatshaftungsrechts. Grundlage ist der Aufopferungsgedanke der §§ 74, 75 Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts (PrALR).

Der enteignende Eingriff betrifft Sachverhalte, in denen das Eigentum auf Grund eines rechtmäßigen Verwaltungshandelns - im Gegensatz zum enteignungsgleichen Eingriff, wo das Verwaltungshandeln rechtswidrig ist - und den Eintritt nicht vorhergesehener Nebenfolgen dieses Verwaltungshandelns derartig stark beeinträchtigt wird, dass es dem betroffenem Eigentümer nicht zumutbar ist, diesen Eingriff entschädigungslos hinzunehmen. Maßgeblich ist daher die Beeinträchtigung einer durch Art. 14 GG geschützten Rechtsposition. In Abgrenzung dazu liegt bei einer nicht Art. 14 GG betreffenden hoheitlichen Maßnahme die Möglichkeit eines Aufopferungsanspruchs vor.

Kennzeichnend für den enteignenden Eingriff ist, dass die Haftung nicht auf dem rechtmäßigen Verwaltungshandeln fußt, sondern vielmehr auf den sich aus diesem rechtmäßigen Handeln weiterentwickelnden unzumutbaren Belastungen des betroffenen Eigentümers.

So findet der enteignende Eingriff Anwendung für den Fall der Ausführung von Straßenbauarbeiten, die, für sich genommen, rechtmäßig erfolgen, jedoch zu Verkehrsbehinderungen führen und auf Seiten der an der betroffenen Straße anliegenden Gewerbebetrieben zu Umsatzeinbußen führen, da die erforderliche Laufkundschaft wegbricht.

Inhaltsverzeichnis

Anspruchsvoraussetzungen

Voraussetzung für die Geltendmachung auf Ersatz des entstandenen Schadens nach Maßgabe des enteignenden Eingriffs ist, dass die Tatbestandsmerkmale vorliegen. Somit muss zunächst durch eine rechtmäßige hoheitliche Maßnahme unmittelbar in eine rechtlich geschützte Position des Betroffenen eingegriffen worden sein und diese ursächlich beschädigt oder beeinträchtigt haben.

Hoheitliche Maßnahme

Damit ein Anspruch aus dem enteignenden Eingriff geltend gemacht werden kann, muss ein Eingriff durch ein aktives hoheitliches Handeln erfolgt sein. Somit kommen als Hauptanwendungsfälle solche in Betracht, die durch einen Realakt hervorgerufen werden. Ein Beispiel für solch einen Realakt ist die auf Grundlage eines Bebauungsplans durchgeführte Straßenbaumaßnahme einer Stadt, die den Zugang zu anliegenden Geschäften beeinträchtigt und diese infolgedessen Umsatzeinbußen erleiden. Die hoheitliche Maßnahme ist hier in der städtischen Baumaßnahme zu sehen, die rechtmäßig erfolgt, da ein Bebauungsplan vorliegt. Wenn die Verwaltung in der Form eines rechtmäßigen Verwaltungsakts final in das Eigentum eingreift, handelt es sich demgegenüber um einen Fall der Administrativenteignung nach Art. 14 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 GG, der nach der Junktimklausel zu entschädigen ist. Ein Eigentumseingriff durch rechtswidrigen Verwaltungsakt ist seit der Nassaukiesentscheidung des BVerfG nicht mehr unter den Voraussetzungen des enteignungsgleichen Eingriffs zu entschädigen. Vielmehr muss sich der betroffene Eigentümer gegen die eigentumsbeschränkende Maßnahme selbst wenden.[1]

Unmittelbarkeit

Von der Unmittelbarkeit der streitgegenständlichen Maßnahme ist auszugehen, wenn schädigende Auswirkungen des eingreifenden Verwaltungshandelns vorliegen, die für die konkrete Betätigung der Verwaltung typisch sind und aus der Eigenart der hoheitlichen Maßnahme (Realakt) folgen. Weiterhin muss ein zumindest anzunehmender Kausalzusammenhang zwischen dem Realakt und der Eigentumsbeeinträchtigung vorliegen.[2]

Von einem unmittelbaren Eingriff ist auszugehen, wenn keine weiteren Ursachen vorliegen oder wenn durch das Handeln des Hoheitsträgers eine Gefahrenlage begründet wurde und der eingetretene Schaden der hoheitlichen Maßnahme entspricht.

Sonderopfer

Durch den Realakt muss es zu einer Beeinträchtigung der geschützten Eingetümerposition gekommen sein und dem Betroffenen ein Sonderopfer abverlangt werden. Vom Vorliegen eines solchen Sonderopfers ist auszugehen, wenn in die geschützte Eigentumsposition des Betroffenen nach Dauer, Art, Intensität und Auswirkung schwer und unerträglich eingegriffen wurde. Hierfür gilt jedoch, dass die Opfergrenze anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bewerten ist. Somit ist vom Vorliegen eines Sonderopfers auszugehen, wenn durch die rechtmäßige Maßnahme mehr eingegriffen wird, als sich aus den das Eigentum regelnden und begrenzenden Gesetzen ergibt. Für die Ermittlung eines solchen Sonderopfers wurden durch den BGH und das BVerwG verschiedene Theorien entwickelt. Der BGH hat insbesondere die Sonderopfertheorie durch den Begriff der Situationsgebundenheit ergänzt und fortentwickelt. Das BVerwG stützt sich in ständiger Rechtsprechung auf die Schweretheorie, die insbesondere auf die Schwere und Tragweite der Eigentumsbeeinträchtigung abzielt.

Rechtsfolge

Rechtsfolge im Falle des Vorliegens eines enteignenden Eingriffs ist die Entschädigung des Betroffenen, diese wird regelmäßig in Geld gewährt. Jedoch kann die Entschädigung auch durch Stellung eines gleichwertigen Grundstücks erfolgen.

Rechtsweg

Der Entschädigungsanspruch aus dem enteignenden Eingriff ist wegen des Aufopferungscharakters (§ 40 Abs. 2 S. 1 VwGO) vor den Zivilgerichten geltend zu machen (wird allerdings teilweise bestritten).

Einzelnachweise

  1. Naßauskiesungsbeschluss, BVerfG 58, 300 http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv058300.html>
  2. hierzu OLG Schleswig, NordÖR 2000, S. 128 ff.

Literatur

  • Andreas von Arnauld: Enteignender und enteignungsgleicher Eingriff heute. In: VerwArch. Bd. 93, 2002, S. 394–417.
  • Manfred Baldus, Bernd Grzeszick, Sigrid Wienhues: Staatshaftungsrecht – das Recht der öffentlichen Ersatzleistungen. C.F. Müller, Heidelberg 2005, ISBN 3-8114-1836-X.
  • Steffen Detterbeck, Kay Windhorst, Hans-Dieter Sproll: Staatshaftungsrecht. C.H. Beck, München 2000, ISBN 3-406-45837-8.
  • Fritz Ossenbühl: Staatshaftungsrecht. 5. Auflage. C.H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-41809-0.
  • Christoph Stein, Peter Itzel, Karin Schwalf: Praxis des Amts- und Staatshaftungsrechts. Springer, Berlin 2004, ISBN 3-540-20400-8.
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Siehe auch


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