Epizykeltheorie

Epizykeltheorie

Die Epizykeltheorie wurde im ptolemäischen Weltsystem der Astronomie eingeführt, um Änderungen von Geschwindigkeit und Richtung der scheinbaren Bewegungen von Mond, Sonne und Planeten am Himmel zu erklären. Sie wurde vermutlich von Apollonios von Perge gegen Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. aufgestellt. Insbesondere versucht sie, die retrograde (rückläufige) Bewegung von Planeten zu erklären.

Das Weltbild der damaligen Zeit war durch die Lehre des Aristoteles bestimmt, nach der die Erde im Zentrum des Universums steht, die Planeten auf Kristallsphären befestigt sind und sich gleichförmig um den Mittelpunkt bewegen (geozentrisches Weltbild). Nach Aristoteles sind alle Bewegungen außerhalb der Mondbahnsphäre unveränderlich und vollkommen, und verlaufen damit auf perfekten Kreisbahnen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Schleifenbahn eines Planeten nach der Epizykeltheorie

Viele Rechenmodelle der Antike hat Ptolemäus im Almagest zusammen getragen. Damit schuf er ein benutzbares Handbuch, das für die nachfolgenden Wissenschaftsgenerationen im arabischen und lateinischen Mittelalter verbindlich war. Die Planetenbewegungen werden darin unter anderem auf Basis der epizyklischen Bewegung erklärt.

Nach der Epizykeltheorie bewegen sich die Planeten entlang eines kleinen Kreises, des Epizykels (griech. epíkyklos, Neben- oder Aufkreis), der sich seinerseits wiederum entlang eines größeren Kreises, des Deferenten (auch deferierender Kreis; von lat. deferre, wegtragen, mitnehmen), bewegt. Die Bewegung entlang der Kreise erfolgt jeweils in östlicher Richtung und etwa parallel zur Ebene der Erdumlaufbahn (Ebene der Ekliptik). Die Bahnen der Planeten in diesem System sind Epizykloiden.

Im Mittelpunkt des Deferenten befindet sich der Theorie nach die Erde. Von ihr aus gesehen würden sich nun die Planeten meist nach Osten in Richtung des Deferenten bewegen. Die Hälfte der Zeit summiert sich zu dieser Bewegung auch die ostwärts gerichtete Bewegung auf dem Epizykel. Die andere Zeit aber liefe der Planet auf dem Epizykel entgegengesetzt zur Bewegung des Deferenten, wodurch sich seine Bewegung am Himmel verlangsamen und schließlich in eine retrograde übergehen würde, durch die die Planetenbahn schließlich eine Schleife vollführte.

Dieser rechnerische Kunstgriff reichte aber nicht aus, die genauer beobachtete Bewegung der Planeten vollständig zu beschreiben. So war es notwendig, weitere Stufen von Epizykeln hinzuzufügen (Epizykel auf Epizykeln). Die Epizykeltheorie wurde außerdem spätestens von Ptolemäus mit der Exzentertheorie Hipparchs verbunden und die Erde damit aus dem Zentrum des Deferenten geschoben. Ferner führte Ptolemäus den Äquanten ein als den scheinbaren Mittelpunkt der gleichförmigen Kreisbewegung, der weder mit dem Mittelpunkt der Kreisbahn noch dem Standpunkt der Erde übereinstimmen muss. Die Berechnung der Planetenbahnen wurde durch diese zusätzlichen Bedingungen allerdings ziemlich kompliziert.

Ihrem Prinzip nach kann man die Epizykeltheorie als eine Approximation der tatsächlichen Planetenbahnen durch Fourier-Reihen betrachten. Diese Parallele wurde spätestens durch Giovanni Schiaparelli entdeckt und durch Giovanni Gallavotti formal bewiesen.[1][2]

Überwindung

Das heliozentrische Weltbild erklärt die Schleifen der Planetenbahnen durch Überlagerung mit der Erdbewegung und scheint deshalb auf Epizykel verzichten zu können. Da das neue Modell aber immer noch von kreisförmigen Umlaufbahnen für die Planeten ausging, mussten Unstimmigkeiten wieder durch Verwendung der Epizykel erklärt werden. Kopernikus verwendete in seinem Weltsystem immer noch 34 Epizykel, konnte aber eine schlüssige Erklärung liefern für die Bindung der Merkur- und Venusbahn an die Sonne.

Erst durch Johannes Kepler wurde die Epizykeltheorie überflüssig: Das „natürliche“ Modell der Planeten auf ellipsenförmigen „Keplerbahnen“ um die Sonne benötigt keine Korrektur durch überlagerte Epizykel.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Giovanni Gallavotti: Quasi periodic motions from Hipparchus to Kolmogorov. In: Rendiconti Lincei – Matematica e Applicazioni. Serie 9, Band 12, Nr. 2, 2001, S. 125–152 (PDF; 205 KB)
  2. Lucio Russo: The forgotten revolution. How science was born in 300 BC and why it had to be reborn. Springer, Berlin u. a. 2004, ISBN 3-540-20068-1, S. 91.

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