Erfindungen

Erfindungen

Erfindungen sind schöpferische Leistungen auf technischem Gebiet, durch die eine neue Problemlösung, also ein neues Ziel mit bekannten Mitteln oder ein bekanntes Ziel mit neuen Mitteln oder ein neues Ziel mit neuen Mitteln erreicht wird. Wenn sie gewerblich nutzbar sind und vom Gesetzgeber nicht explizit nicht als Erfindungen angesehen werden, können sie durch Patent oder Gebrauchsmuster geschützt werden.

Inhaltsverzeichnis

Erfindung und Entdeckung

Die Begriffe Erfindung und Entdeckung werden vielfach verwechselt, obwohl sie ganz unterschiedliche Dinge meinen. Eine Entdeckung betrifft etwas zur Zeit der Entdeckung bereits Vorhandenes, das aber bislang unbekannt war und dessen Nutzen unbestimmt ist. Dadurch hat sich jedoch infolge der Entdeckung nichts geändert (außer der damit verbundene Wissenszuwachs eines Einzelnen oder der Allgemeinheit). So sprechen wir von der Entdeckung der Schwerkraft, eines Planetoiden, eines chemischen Stoffes, einer Tierart usw. Eine Erfindung dagegen betrifft stets eine neue Erkenntnis, die bisher nicht dagewesen ist. Diese Sache steht jedoch mit bereits Bekanntem in einem Zusammenhang, sie tritt nicht als etwas völlig Neues auf. Es werden an bekannten Gegenständen oder Verfahren Veränderungen vorgenommen, so dass ihre Wirkung qualitativ oder quantitativ verbessert wird.

Heute neigt man dazu, Erfindungen nur auf technische Verfahren oder Gegenstände zu beziehen und abstrakte Dinge, wie z. B. die Erfindung eines neuen Versmaßes, von den Erfindungen auszunehmen.

Exakter wäre die Definition: Entdeckung ist die erstmalige Beschreibung eines Naturgesetzes (z. B. elektrische Kraft zwischen Atomen, Coulombpotential) oder eines aus Naturgesetzen abgeleiteten Gesetzes (Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion). Erfindung hingegen ist die Anwendung der Naturgesetze in bisher nicht dagewesener Konstellation zur Lösung eines gegebenen Problems (Technik). Somit ist jede erstmalige Beschreibung/Anwendung einer Technik eine Erfindung, z. B. ein Sonnensegel für Raumschiffe. Ein neues Versmaß wendet keine Naturgesetze an und ist damit keine Erfindung, selbst wenn diese Schöpfung neu und genial sein mag.

Erste Erfindungen

Erste Erfindungen machte bereits der Naturmensch. Sie betrafen insbesondere Werkzeuge, die eine bessere Verwendung von Arm und Hand zur Folge hatten. Nachdem der Mensch die Entdeckung gemacht hatte, dass ein Stein in der Hand die Wirkung des Armes erhöhte, konnte er dem Stein eine besondere Form geben, um dessen Wirkungsweise zu erhöhen. Das führte u.a. zur Erfindung des Faustkeils, des Beiles, der Axt, des Hammers, der Sichel und des Schwertes.

Kritiker argumentieren, der Mensch könne sich nicht als der erste Erfinder bezeichnen. Heute sei aus der Zoologie bekannt, dass sogar „einfache“ Tiere, wie Vögel, die erforderlichen Fähigkeiten besäßen, um Erfindungen zu machen und diese an Artgenossen weiterzugeben. Höhere Säugetiere (Schimpansen, Gorillas) seien hierin sogar sehr gut. Allerdings ist es auch bei Bejahung dieses Ansatzes kaum möglich, ein solches Geschehen in den Bereich der Technik einzuordnen, was für echte Erfindungen definitionsgemäß erforderlich wäre.

Der Prozess des Erfindens (Geneplore Model)

Finke et al. (1992) beschäftigten sich mit den Prozessen des kreativen Erfindens unter Berücksichtigung des Geneplore Modells. Nach diesem Modell lassen sich bei Erfindungsprozessen zwei Phasen unterscheiden: In der generativen Phase werden so genannte preinventive forms entwickelt; in der explorativen Phase werden diese preinventive forms hinsichtlich ihrer Funktion interpretiert und verbessert. Finke et al. prüften diesen Ansatz, in dem sie Versuchspersonen unter verschiedenen Experimentalbedingungen drei unterschiedliche geometrische Figuren (beispielsweise ein Würfel, ein Halbkreis, eine Schnur) zu komplexen Objekten kombinieren ließen. Dabei stellte sich heraus, dass die Versuchspersonen bei Vorgabe der Figuren und der zu erstellenden Objektkategorie häufiger kreative Ergebnisse zustande brachten als ohne diese Vorgaben. Eine Beschränkung durch die Aufgabe führt also zu kreativeren Ergebnissen. In weiteren Experimenten stellte sich heraus, dass auch dann besonders kreative Ergebnisse erzielt werden, wenn Versuchspersonen zunächst nur die drei Objekte zu kombinieren, ohne Objektkategorie oder Funktion zu berücksichtigen (bzw. wenn sie zunächst preinventive forms synthetisierten). Die preinventive forms besitzen nach Finke et al. eine funktionsunabhängige Ästhetik und zeichnen sich außerdem durch 'implicit meaningfulness' aus, so dass sie vielseitig und flexibel interpretierbar sind. Diese Ergebnisse legen nahe, bei kreativen Aufgabenstellungen häufiger das Prinzip 'function-follows-form' anzuwenden.

Wirkung von Erfindungen

Unsere westliche Zivilisation beruht weitgehend auf dem Ge- und Verbrauch von Gütern (und Dienstleistungen). Diese müssen erarbeitet werden. Das wird im Allgemeinen zumindest in seiner Quantität als unangenehm erlebt, daher sind die Menschen weitgehend bestrebt, möglichst effektiv zu arbeiten (Werkzeuggebrauch) bzw. die nötige Arbeit von Maschinen verrichten zu lassen – ein Ziel, dem auch die meisten Erfindungen dienen.

Dazu bedurfte es – außer der Bewältigung der damit aufgeworfenen, oft tiefgreifenden Nebenwirkungen auf anderen Gebieten – der technischen Entwicklung auf dreierlei Stufen:

1.) Material: Man braucht vielerlei haltbare, belastbare Werkzeuge.

Seit Jahrtausenden weiß die Menschheit Eisen (und anderes) zu finden und zu verarbeiten.

2.) Energie: Die Werkzeuge müssen hergestellt, dann muss damit gearbeitet werden.

Nach dem Einsatz von Lasttieren, Wasser- und Windenergie ermöglichte die Einführung der Dampf- und anderer Wärmekraftmaschinen ab 1700 eine sprunghaft verbesserte Verfügbarkeit von Energie; dazu elektrischen Strom: die Arbeitszeiten konnten reduziert, die Menschen von schweren körperlichen Arbeiten entlastet werden.

3.) Information: Werkzeug-Bau und -Benutzung erfordern Wissen, Wissensverarbeitung, -weitergabe.

Das Aufkommen von zuerst analoger, dann digitaler Datentechnik ermöglicht seit rund 100 Jahren zunehmend eine automatisierte Produktion, d. h. eine Ermöglichung von Leistungsdruckverringerung und anderer Verschönerung der Arbeitsweise wie von teilweiser oder gänzlicher Freistellung von Menschen von Arbeit oder Umwidmung von Arbeit zu Erziehung, Pflege u. dgl.

Jedoch wird das Potential selbst großer Erfindungen gar nicht immer erkannt; z. T. nicht einmal vom Erfinder selbst. Das frappanteste Beispiel in der Geschichte ist wohl Heron von Alexandria, dessen Lebenszeit wir nur grob abschätzen können (so um die Zeitenwende herum): Er erfand mit seiner Aeolipile die erste geschichtlich bekannte Wärmekraftmaschine, konnte – wie auch seine Zeitgenossen – in seiner Erfindung aber nichts weiter als eine Spielerei sehen. Hätte man damals ihre Entwicklungsmöglichkeiten gesehen und verfolgt, so hätte es nicht bis zur Erfindung der Dampfmaschine um 1700 gebraucht, und Stufe 2 hätte schon 1500 oder 2000 Jahre früher beginnen können als geschehen. Dazu kommt noch, dass Heron sich auch noch in den Kinderschuhen der Programmierung betätigte. Hier war somit sogar Stufe 3 angekratzt! (Programmierung war aber wohl weniger interessant, solange es mangels Maschinen keine maschinellen Abläufe vorwegzusteuern gab; Stufe 3 setzt wohl die Entwicklung auf Stufe 2 voraus.) Es ist aber denkbar, dass mit der Ausarbeitung der Automatisierung im Altertum eine noch größere Zeitspanne „eingespart“ hätte werden können. (Offen ist allerdings natürlich, welchen Weg dann die Geschichte genommen hätte – technische Erfindungen zeitigen ja viele lebensweltliche „Nebenwirkungen“, die unter einander und auch wieder zurück wirken und oft zu gewaltigen Umwälzungen in der Welt führen – wohin auch immer.)

Patentfähige Erfindungen

Eine patentfähige Erfindung ist eine

  • gewerblich anwendbare,
  • neue,
  • nicht naheliegende Lehre zum
  • technischen Handeln, das heißt
    • eine Anweisung zum Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur unmittelbaren Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs


Erfindungen, welche die Natur bereits machte (aerodynamische Form von Flügeln um damit Auftrieb zu erhalten) sind dennoch für den Menschen patentierbar, obwohl hier ein mehr oder weniger Abschauen bei der Natur vorliegt. Solche Erfindungen wären eher als Entdeckungen anzusehen. Doch darin scheiden sich die Geister (s. unten z. B. bei Softwarepatente) (Ö.Y.)

Nicht patentfähige Erfindungen

Im Gegensatz dazu steht die Entdeckung, also das Auffinden von etwas, das schon zuvor dagewesen ist und nicht patentierbar ist, z. B. die Entdeckung einer Tierart oder eines Kontinents. Ebenso wenig werden wissenschaftliche Theorien, physikalische Gesetze oder mathematische Modelle als Erfindungen angesehen; auch sie werden entdeckt.

Weiterhin werden geistig-schöpferische (sprich kreative) Werke (siehe hierzu das Urheberrecht), wie etwa Literatur, Musik oder Kunst nicht als Erfindung eingestuft.

Computerprogramme sind (laut dieser Definition) sogar im mehrfachen Sinne keine patentfähigen Erfindungen. Anders sieht dies aus, wenn das Computerprogramm zur Steuerung von Naturkräften verwendet wird (z. B. Airbag, elektronische Motorsteuerung). Die genaue Abgrenzung wird derzeit sehr kontrovers diskutiert (siehe dazu Software-Patente).

Der juristische Term Erfindung ist keinesfalls mit dem Begriff der Innovation deckungsgleich, obwohl im politischen Diskurs diese Begriffe häufig vermischt werden.

Im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) werden in Artikel 52 die Ausschlüsse vom patentrechtlichen Erfindungsbegriff aufgeführt.

Gesetze und Abkommen

Literatur

  • Jörg Meidenbauer: DuMonts Chronik der Erfindungen & Entdeckungen. Dumont Kalenderverlag, Köln 2002, ISBN 3-8320-8764-8
  • Stephen van Dulken: Das große Buch der Erfindungen. Ideen, die Geschichte machten. Artemis & Winkler, 2. Aufl., 2005, ISBN 3-538-07187-X
  • Hans-Joachim Braun: Die 101 wichtigsten Erfindungen der Weltgeschichte. C.H. Beck, München 2005; ISBN 3-406-50859-6; 123 S. m. zahlr. Abb.
  • Christian Mähr: Vergessene Erfindungen. Warum fährt die Natronlok nicht mehr? 180 S., geb., Dumont 2006, ISBN 3-8321-7744-2
  • Finke R.A., Ward T.B. and Smith,S.M. (1992). Creative Cognition, Theory, Research and Applications. Bradford/ MIT Press, Cambridge Mass. (Kapitel 4)
  • Roland G. Zahn:Erfindung, Patent, Geld - Ein holpriger und ungewisser Hindernislauf, Rosamontis Verlag 2008, ISBN 3-940-21219-9

Siehe auch

Weblinks


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