Ergänzungspflegschaft

Ergänzungspflegschaft

Unter einer Ergänzungspflegschaft versteht man die gerichtliche Übertragung eines Teilbereiches der elterlichen Sorge für einen Minderjährigen auf eine andere Person nach deutschem Familienrecht (§ 1909 BGB); im Gegensatz zur Vormundschaft, die einen vollständigen juristischen Ersatz für die elterliche Sorge darstellt. Wegen der hohen Voraussetzungen, die bei einem Entzug der gesamten elterlichen Sorge (§ 1666 BGB) vorliegen müssen, erfolgt oft zunächst nur ein Teilentzug und die Bestellung eines Ergänzungspflegers.

Inhaltsverzeichnis

Bestellungsmöglichkeiten

Bei einer Kindeswohlgefährdung kommt in Betracht:

  • Ergänzungspflegschaft bzgl. der Ausübung des Aussageverweigerungsrechts im Strafverfahren,
  • Ergänzungspflegschaft aufgrund eines familiengerichtlichen Eingriffs in das Sorgerecht,

Gemeinsam ist diesen Konstellationen, dass das Sorgerecht weiterhin beim Sorgerechtsinhaber – Eltern oder Elternteil – verbleibt, jedoch eine bestimmte Aufgabe bzw. ein Wirkungskreis dem Pfleger per Gerichtsbeschluss übertragen wird.

Sind die Eltern jedoch kraft Gesetzes, also z.B. aufgrund von § 52 Abs. 2 Satz 2 Strafprozessordnung von der Vertretung ihres Kindes ausgeschlossen, bestellt der Rechtspfleger des Familiengerichts (§ 151 Nr. 5 FamFG) einen Ergänzungspfleger. Da die Befugnis allein zur Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts den Anforderungen einer ausreichenden rechtlichen Vertretung des Kindes in Fällen der familiären Gewalt kaum gerecht wird, hat die Ergänzungspflegschaft eine marginale Bedeutung. In aller Regel wird ein weiter gehender Eingriff in das Sorgerecht erforderlich.

Ergänzungspflegschaft infolge § 1666 BGB

Abgesehen von dem bereits genannten Fall, bei dem ein Elternteil bzw. beide Eltern von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen sind, beruht die Einrichtung der Ergänzungspflegschaft stets auf einer das Sorgerecht beschränkenden Entscheidung des Familiengerichts.

Die Ergänzungspflegschaft kann auch für die elterliche Sorge oder Teile der elterlichen Sorge wie z.B. das Aufenthaltsbestimmungsrecht, angeordnet werden (Sorgerechtspflegschaft). Dies kann dann sinnvoll sein, wenn die gemeinsame elterliche Sorge nicht mehr funktioniert, beide Eltern Anträge auf alleiniges Sorgerecht gestellt haben, aber zu befürchten ist, dass die Alleinsorge eines Elternteils zu einer Konflikteskalation, Ausgrenzung des anderen Elternteils oder zu schädlichen Auswirkungen auf das Kind führen. In diesem Fall kann das Gericht Teile des Sorgerechtes, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind, auf einen Sorgerechtspfleger übertragen, der dann gegenüber dem Kind das Bestimmungsrecht bezüglich des vom Gericht benannten Aufgabenkreises innehat.

Die elterliche Sorge bei einer Pflegerbestellung regelt § 1630 BGB. Sie erstreckt sich nicht auf diejenigen Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist. Vor dem Jugendamt soll vorrangig eine geeignete Einzelperson als Pfleger bestellt werden (§ 1915 Abs. 1 in Verbindung mit § 1779 Abs. 1 BGB).

Amtspfleger oder Einzelpfleger

Für die Übertragung einer Pflegschaft auf das Jugendamt spricht aus Sicht der Eltern, dass eine Pflegschaft beim Jugendamt kostenlos geführt wird (§ 1836 Abs. 3 BGB), eine Einzelperson als Ergänzungspfleger kann dagegen entstehende Kosten gegen die Justizkasse geltend machen (§ 1835, § 1835a BGB), diese wiederum kann die Eltern mit den entstandenen Kosten belasten. Der Nachteil der Bestellung des Jugendamtes als Ergänzungspfleger ist darin zu sehen, dass das Jugendamt gegenüber den Eltern gleichzeitig in einer beratenden und unterstützenden Rolle auftreten muss (§ 16 bis § 18 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII)), dies kann im Einzelfall zu unzulässigen Vermischungen von Bestimmungs-, Kontroll- und Helferrolle führen. Mit der Bestellung einer geeigneten Einzelperson wäre dies ausgeschlossen.

Siehe auch

Literatur

  • Thiel, Peter: "Zwischen Hilfeleistung und Zwang: Begleiteter Umgang und Umgangspflegschaft: "Das Jugendamt", 2003, 449
  • Zur Frage der Auswahl und Entlassung eines Ergänzungspflegers und der Prüfung der Interessen des Kindes bei einem Antrag auf Entlassung des Pflegers - Bayerisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12. Mai 2004 - 1 Z BR27/04, FGPrax 2004, 239

Weblinks

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