Rechtspfleger

Rechtspfleger

Rechtspfleger sind in Deutschland und Österreich Beamte des gehobenen Dienstes, die nach den jeweiligen Rechtsordnungen vielfältige Aufgaben bei den Gerichten sowie in Deutschland auch bei den Staatsanwaltschaften wahrnehmen. In beiden Ländern werden ihre Zuständigkeiten hauptsächlich im Wege der Übertragung von ursprünglich dem Richter zustehenden Entscheidungen und sonstigen Aufgaben geregelt. In Deutschland trifft diese Regelungen das Rechtspflegergesetz. Entscheidungen der Rechtspfleger erfolgen zumeist in Form von Beschlüssen. Aufgabenbereiche, rechtliche Stellung und Ausbildung unterscheiden sich in beiden Staaten erheblich voneinander.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Rechtspfleger sind in Deutschland Beamte des gehobenen Justizdienstes an Gerichten und Staatsanwaltschaften, die die durch das Rechtspflegergesetz (RPflG) übertragenen Aufgaben wahrnehmen. Die meisten dieser Aufgaben waren früher von Richtern zu erledigen und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in immer größerem Umfang auf Rechtspfleger übertragen.

Ebenso wie Richter sind Rechtspfleger in ihren Entscheidungen nicht von Weisungen eines Vorgesetzten abhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden („sachliche Unabhängigkeit“). Eine Ausnahme dazu bildet die Arbeit in der Strafvollstreckung bei den Staatsanwaltschaften. Im Gegensatz zu Richtern sind Rechtspfleger nicht „persönlich“ unabhängig. So ist beispielsweise die Versetzung an ein anderes Gericht auch ohne Zustimmung des Rechtspflegers möglich, wenn die beamtenrechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

Mit den Aufgaben eines Rechtspflegers kann ein Beamter des gehobenen Justizdienstes betraut werden, der einen Vorbereitungsdienst von drei Jahren abgeleistet und die Rechtspflegerprüfung bestanden hat (§ 2 Abs. 1 RPflG). Wer Rechtspfleger werden will, muss Deutscher im Sinne des Grundgesetzes oder Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sein. Einige Bundesländer haben allerdings von der Möglichkeit des Art. 45 Abs. 4 AEUV (früher: Art. 39 Abs. 4 EG-Vertrag) Gebrauch gemacht und lassen zum Vorbereitungsdienst ausschließlich Bewerber mit deutscher Staatsangehörigkeit zu. Mit den Aufgaben eines Rechtspflegers kann auf seinen Antrag auch betraut werden, wer die Befähigung zum Richteramt besitzt (§ 2 Abs. 3 RPflG). Referendare können mit der zeitweiligen Wahrnehmung der Geschäfte eines Rechtspflegers beauftragt werden (§ 2 Abs. 5 RPflG).

Aufgaben

Einen Schwerpunkt der rechtspflegerischen Tätigkeit stellt die freiwillige Gerichtsbarkeit dar, in der Richter – von Ausnahmen abgesehen – nur noch in der Rechtsmittelinstanz tätig werden. Die Aufgaben ergeben sich aus dem Rechtspflegergesetz.

Zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören beispielsweise:

Darüber hinaus werden Rechtspfleger unter anderem mit folgenden Aufgaben betraut:

Beamte des gehobenen Justizdienstes, die in der Gerichtsverwaltung in Bereichen wie Geschäftsleitung, Personalverwaltung, Haushalt, Informationstechnik und Planung/Organisation oder ähnlichem beschäftigt werden, sind nicht als Rechtspfleger tätig. Als Verwaltungsbeamte sind sie nicht unabhängig, sondern an Weisungen Vorgesetzter gebunden.

Ausbildung

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Tätigkeit als Rechtspfleger regelt § 2 des Rechtspflegergesetzes. Die Einstellung in den Vorbereitungsdienst erfolgt durch eine Einstellungsbehörde, in den meisten deutschen Ländern sind das die Oberlandesgerichte (in Berlin: Kammergericht). Rechtspfleger absolvieren ein rund dreijähriges Studium an einer staatlichen Fachhochschule mit berufspraktischen Ausbildungsabschnitten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften. Sie haben dabei noch den Status eines Beamten auf Widerruf und führen die Dienstbezeichnung Rechtspflegeranwärter. Seit einigen Jahren wird erwogen, das Rechtspflegerstudium in ein Vollzeitstudium umzuwandeln, mit der Folge, dass keine Ernennung zum Beamten auf Widerruf mehr erfolgt.

Das Studium wird mit der Rechtspflegerprüfung abgeschlossen. Diese Prüfung ist beamtenrechtliche Voraussetzung einer entsprechenden Einstellung im Staatsdienst. Darüber hinaus wird für die Verleihung des akademischen Grads Diplom-Rechtspfleger/in (FH) (Dipl.-Rpfl. (FH)) die Anfertigung einer wissenschaftlichen Diplomarbeit verlangt, teils wird dieser auch ohne Ablieferung einer solchen verliehen. Nach bestandener Prüfung besteht üblicherweise keine Übernahmegarantie in den Staatsdienst.

Die Amtsbezeichnung lautet im Eingangsamt Justizinspektor (Besoldungsgruppe A 9). Im weiteren wird die Laufbahngruppe des gehobenen Dienstes durchlaufen, darüber hinaus ist auch der Aufstieg in den höheren Dienst theoretisch möglich.

Die Ausbildung erfolgt, teils für die Einstellungsbehörden verschiedener Bundesländer an acht Fachhochschulen:

Mit dem Rechtspflegerrecht befassen sich die Fachzeitschrift Der Deutsche Rechtspfleger und die Rechtspfleger Studienhefte [1]. Rechtspfleger organisieren sich in der Fachgewerkschaft Bund Deutscher Rechtspfleger.

Österreich

In Österreich sind Diplomrechtspfleger Gerichtsbeamte, denen als Organen des Bundes auf Grund der Bestimmungen des Art. 87a B-VG und des Rechtspflegergesetzes die Besorgung von Geschäften der Gerichtsbarkeit übertragen ist. Sie fassen Beschlüsse und erledigen die ihnen übertragenen Agenden der Rechtsprechung eigenverantwortlich und sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit nur an die Weisung des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden. Das im Rechtspflegergesetz geregelte Weisungsrecht des zuständigen Richters hat in der gerichtlichen Praxis jedoch keine Bedeutung.

Aufgabengebiete

Der Diplomrechtspfleger kann für eines oder mehrere der folgenden Arbeitsgebiete bestellt werden:

Typische von Rechtspflegern durchgeführte Verfahren sind:

  • Mahnverfahren
  • Exekutionsverfahren (auf das bewegliche Vermögen, zwangsweise Pfandrechtsbegründung sowie zur Sicherstellung)
  • Privatkonkursverfahren (bei Aktiva von voraussichtlich nicht mehr als 50 000 Euro)
  • Verlassenschaftsverfahren (bei Aktiva von voraussichtlich nicht mehr als 150 000 Euro)
  • Kindschafts- und Sachwalterschaftsverfahren (teilweise)
  • Grundbuchsverfahren (hier gibt es praktisch keinerlei Tätigkeiten, die Richtern vorbehalten sind)
  • Firmenbuchverfahren (teilweise)

Ausbildung

Zum Rechtspfleger zugelassen werden können Gerichtsbedienstete, die die Erfordernisse für die Ernennung auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe B (Gehobener Dienst) erfüllen, österreichische Staatsbürger sind und die Gerichtskanzleiprüfung sowie die Prüfung für den Fachdienst bei Gericht erfolgreich abgelegt haben.

Die Ausbildung des Gerichtsbediensteten zum Rechtspfleger umfasst die Verwendung bei einem oder mehreren Gerichten mit der Vorbereitung von Erledigungen auf dem angestrebten Arbeitsgebiet, die Teilnahme am Grundlehrgang sowie am Lehrgang für das angestrebte Arbeitsgebiet (Arbeitsgebietslehrgang) und die erfolgreiche Ablegung der Prüfung über die Stoffgebiete des Grundlehrganges sowie die Prüfung über das Arbeitsgebiet.

Die Dauer der Ausbildung beträgt drei Jahre. Der Arbeitsgebietslehrgang und die Prüfung über das Arbeitsgebiet können auch noch innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Ausbildungsdauer absolviert werden.

Literatur

  • für Deutschland:
    • Egon Arnold, Klaus Meyer-Stolte u.a.: Rechtspflegergesetz. 7. Auflage. Verlag Gieseking, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-7694-1052-5.
    • Peter Bassenge, Herbert Roth u.a.: FamFG/RPflG: Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Rechtspflegergesetz. Kommentar. aus der Reihe Heidelberger Kommentare, 12. Auflage. Verlag C.F. Müller, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-8114-3607-7.
  • für Österreich:
    • Manfred Buric, Johannes Etz, Michael Lackenberger, Walter Szöky (Hrsgb): Kommentar Rechtspflegergesetz, Weka-Verlag, Wien u.a. 2007, ISBN 978-3-7018-4465-4.

Weblinks

Einzelnachweise


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