Eubulides von Milet

Eubulides von Milet

Eubulides aus Milet (Mitte des 4. Jh. v. Chr.) war ein griechischer Philosoph und Logiker, und zwar ein Vertreter der megarischen Schule. Er ist ein Schüler oder Enkelschüler von Euklid von Megara.

Schriftliches ist von Eubulides nicht erhalten. Unsere Kenntnisse über seine Person und seine Lehren verdanken wir im wesentlichen Berichten von Diogenes Laertios (II 108), Sextus Empiricus (Adversus mathematicos, VII 13) und Athenaios (VIII 354 C). Danach soll er sich hauptsächlich mit Problemen des logischen Syllogismus beschäftigt und eine Schmähschrift gegen Aristoteles verfasst haben.

Eubulides formulierte eine ganze Reihe (insgesamt 7) von Paradoxien wie den Sophismus vom Verhüllten, das Paradoxon vom Haufen und den Sophismus vom Gehörnten, mit deren Hilfe er zu beweisen versuchte, dass Erkenntnis unmöglich sei, weil sie widersprüchlich ist. Manche dieser Paradoxien waren in ähnlicher Formulierung schon vor ihm bekannt.

Im Sophismus vom Gehörnten und vom Verhüllten unterstellte er einen Fehler, der in der Folgezeit von der Logik analysiert und quaternio terminorum genannt wurde.

  • Sophismus vom Verhüllten (lat.: velatus):
Erkennst Du diesen Verhüllten? Nein! Es ist Dein Vater! Daraus folgt: Du erkennst Deinen Vater nicht.
Dieser Sophismus ist ein quaternio terminorum. Er beruht auf einer unklaren Verwendung des Wortes erkennen.
  • Sophismus vom Gehörnten (lat.: cornutus):
Was du nicht verloren hast, das hast du noch. Hörner hast du nicht verloren. Daraus folgt: Du hast Hörner.
Ein quaternio terminorum liegt auch hier vor. Er basiert auf der Unbestimmtheit des Mittelbegriffes Verlust. Im Obersatz wird als Verlust das Verschwinden von etwas bezeichnet, das wir haben, im Untersatz wird unter Verlust der Nichtbesitz einer Sache verstanden.
  • Der Lügner ist ein klassisches Paradoxon des Eubulides. Es ist nicht im originalen Wortlaut überliefert, aber über spätantike Quellen gut rekonstruierbar, und zwar in Dialogform: [1]
„Wenn ich lügend sage, dass ich lüge, lüge ich oder sage ich Wahres?“
„Du sagst Wahres.“
„Wenn ich Wahres sage und sage, dass ich lüge, lüge ich.“
„Du lügst offenbar.“
„Wenn ich aber lügnerisch sage, dass ich lüge, sage ich Wahres.“
Das Lügner-Paradox kursiert in allerlei späteren Varianten, etwa in folgender Form: Wenn ein Lügner sagt, dass er lügt, dann bedeutet das, dass er sowohl lügt als auch die Wahrheit sagt. Denn wenn er die Wahrheit sagt, so lügt er, und wenn er lügt, so sagt er die Wahrheit. Es hat Logiker zu allen Zeiten beschäftigt, weil es auf ein grundlegendes Sprachproblem hinweist, indem es die Aussagenebene (Aussagenlogik) und die semantische Ebene mit den Begriffen „wahr“ und „falsch“ (Metalogik) miteinander verknüpft.

Inhaltsverzeichnis

Literatur

  • Döring, K.: Die Megariker. Kommentierte Sammlung der Testimonien, 1972.
  • Theodor Gomperz: Griechische Denker: eine Geschichte der antike Philosophie. - Frankfurt/M.: Eichborn, 1996 (vol. 1-3) - ISBN 3-8218-0502-1 (Repr. d. Ausg. Berlin 1922-1931) - Darin: Bd. II, S. 154 ff
  • Rüstow, Alexander: Der Lügner. Theorie, Geschichte und Auflösung, Leipzig 1910

Einzelnachweise

  1. Rüstow, A.: Der Lügner, S. 40. Zitat griechisch, oben übersetzt

Siehe auch

Weblinks


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