Feldscher

Feldscher

Der Feldscher (auch Feldscherer) (Mehrzahl Feldschere) war die unterste Stufe des früheren Militärarztes und arbeitete als so genannter Handwerksarzt beim Heer. Der Begriff wurde auch für ungelernte Landärzte verwendet und entstand im 14. Jahrhundert in der Schweiz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Diese Aufgabe übernahm ursprünglich der Scherer, der Barbier, der Bader, sogar der Hufschmied, der aber auch Zähne zog und allerlei Heilhilfe leistete und vor allem als chirurgischer Operateur tätig war. Die frühen Feldscherer hatten – sofern sie überhaupt ausgebildet waren – eine Lehre bei einem Scherer, Barbier oder Bader gemacht. Sie wurden schlecht bezahlt und rangierten in der Truppe hinter Trommlern und Pfeifern. Bis ins 18. Jahrhundert hinein waren sie auch zum Rasieren der Offiziere verpflichtet, woran man ihre berufliche Herkunft deutlich erkennen kann.

Die wesentlichen medizinischen Aufgaben der Feldschere waren neben Aderlass und Schröpfen das Ausbrennen von Wunden mit einem Glüheisen, das Herausziehen von Kugeln, das Einrenken von Gliedmaßen und das Amputieren. Noch in einem 1774 erschienenen Lehrbuch für Wundärzte heißt es: „Unsere Wundärzte werden leider größtenteils beim Barbierbecken gebildet. Drei Jahre stehen sie bei den Barbieren und Badern in der Lehre. Nach Verlauf dieser Zeit werden sie Gesellen und haben weiter nichts gelernt, als den Bart putzen, Pflaster streichen und Aderlassen (…) Viele können nicht einmal lesen.“

Später trat an seine Stelle der so genannte Kompaniechirurgus. Im 18. Jahrhundert wurde er häufig als Medicus bezeichnet. Auch der Dichter Friedrich Schiller wirkte einige Zeit als Medicus.

In den großen Massenschlachten wie im Ersten und im Zweiten Weltkrieg kam es oft vor, dass bei der Masse an Schwerverletzten häufig auch Sanitätssoldaten bzw. -Unteroffiziere Amputationen vornehmen mussten, weil das ärztliche Personal mit der Versorgung allein überfordert war. Die Folge dieser unfachmännischen Behandlung war eine hohe Sterblichkeitsrate der so Behandelten. Die Bezeichnung Feldscher ist auch heute noch mit einer umgangssprachlichen Bedeutung für Sanitätssoldaten oder -unteroffiziere, zumindest in den deutschen Streitkräften, gebräuchlich. Eine offizielle Bezeichnung für diese Angehörigen der Sanitätsdienste ist er jedoch nicht.

Durch die größere Anzahl an ausgebildeten Ärzten in den europäischen und amerikanischen Staaten sind die Feldscher nach und nach durch diese ersetzt worden.

Der Feldscher im 20. Jahrhundert

Russland

In der russischen Armee gibt es den Feldscher als unterste Stufe des Militärarztes noch heute.

In der Sowjetunion und im heutigen Russland war und ist der Feldscher auch im zivilen Bereich als medizinische Hilfskraft tätig – vorzugsweise in ländlichen Gebieten. Er hält selbständig Sprechstunden ab und ist damit in etwa dem deutschen Heilpraktiker vergleichbar (hinsichtlich seiner Ausbildung in evidenzbasierter Medizin). Auch in Deutschland gab es bis 1950 medizinisches Personal, das in seiner Ausbildung unterhalb des Arztes angesiedelt war und im Alltag selbständig Behandlungen durchführte: Arzthelfer und Dentisten. Analog dazu gibt es noch heute in den USA nurse practitioners. Das sind besonders ausgebildete Krankenschwestern, die in Ärzte-Gemeinschaftspraxen – vor allem bei Internisten, Frauenärzten und Kinderärzten – eigene Sprechstunden abhalten.

Die Feldscher wurden und werden in Russland in Fachschulen ausgebildet. Ein Haupteinsatzgebiet ist die Medizinische Prophylaxe (Hygiene) und die Medizinische Grundversorgung. Schwerere Fälle überweisen sie an die nächsthöhere Stufe der medizinische Versorgung

Bulgarien

Ganz ähnlich wie in Russland leitet ein Felscher in Bulgarien eigenständig kleine Landambulatorien in Orten unter 4000 Einwohner. Ihm/Ihr unterstehen dabei die Krankenschwestern. Die Ausbildungszeit, Ansehen und Bezahlung liegen in etwa zwischen Krankenschwester und Arzt.

DDR

In der DDR wurden noch bis 1989 Arzthelfer für befreundete Entwicklungsländer ausgebildet (Afrika, Afghanistan). Da in den Entwicklungsländern ein extremer und akuter Mangel an Ärzten herrscht, kann so die Deckung einer gewissen medizinischen Grundversorgung sichergestellt werden. Die Ausbildung dieser Halbärzte ist wesentlich billiger als die von Ärzten.

Auch in der Nationalen Volksarmee der DDR wurden Feldschere bis 1967 an den Offiziersschulen für Rückwärtige Dienste in Erfurt, ab 1963 in Zittau, drei Jahre ausgebildet (Medizinische Fachschulausbildung). Teile der Ausbildung (Sektion) wurden an der Medizinischen Akademie Erfurt durchgeführt. In jedem Bataillon der NVA gab es bis 1990 einen Sanitätszug dessen Leiter ein Feldscher mit der Planstelle Hauptmann war. Sein medizinisches Fachwissen umfasste die EVH (Erste Vorärztliche Hilfe), die Behandlung des traumatischen Schocks; weiterhin die Ausbildung des unteren Sanitätspersonals und die Erste-Hilfe-Ausbildung der Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten. Er organisierte in den unteren Ebenen der Armee (Zug, Kompanie, Bataillon) den Abtransport der Verwundeten vom Gefechtsfeld.

Nach entsprechenden Lehrgängen für Impfärzte erhielt der Feldscher die Impfberechtigung für Pocken, Typhus, Influenza, Tetanus. Einen Monat im Kalenderjahr arbeitete der Feldscher im Krankenhaus oder im Lazarett zur persönlichen Weiterbildung. Dort wurde er auch als Assistent bei chirurgischen Eingriffen eingesetzt. Es gab Feldschere, die selbständig eine Hautstation leiteten. Ab 1967 wurden die Feldschere nach sowjetischem Muster ausgebildet. Ihre Ausbildungszeit betrug jetzt nur ein Jahr, sie wurden danach zum Fähnrich ernannt. Die Dienstgradgruppe der Fähnriche war denen der Unteroffiziere und Offiziere zwischengeschaltet (Mannschaften, Unteroffiziere, Fähnriche, Offiziere).

Anerkennung

Da der Beruf in Westeuropa heute unbekannt ist, gibt es bei Übersiedlung aus Osteuropa keine der Ausbildung entsprechende Berufsklasse. Ein zukünftige Berufsausbildung fällt dann in eine niedrigere Klasse.

Beispiel Österreich

„Die Inhaber eines bulgarischen Befähigungsnachweises für den Beruf des ‚фелдшер‘ (buchstäblich aus dem Deutschen: ‚Feldscher‘) haben keinen Anspruch darauf, dass ihr beruflicher Befähigungsnachweis in anderen Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Richtlinie als der eines Arztes oder einer Krankenschwester bzw. eines Krankenpfleger für allgemeine Pflege anerkannt wird. ‚фелдшер‘ (‚Feldscher‘) sind daher nicht berechtigt, einen Antrag auf Zulassung in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege (als „Diplomierte/r Gesundheits- und Krankenschwester/-pfleger“) zu stellen; sie können jedoch einen Antrag auf Zulassung zur Berufsausübung in der Pflegehilfe einbringen“[1]

Literatur

  • Meister Johann Dietz, des Großen Kurfürsten Feldscher und Königlicher Hofbarbier. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin zum ersten Male in Druck gegeben von Dr. Ernst Consentius. (= Lebensdokumente vergangener Jahrhunderte; Bd. 11). Langwiesche-Brandt, Ebenhausen bei München 1915. Digitalisat auf Commons (DjVu-Format)
  • Simone Trieder: Feldscher, Kratzer, Beutler – Vergangene Arbeitswelten. ISBN 3-939468-20-7

Einige Quellen zur Geschichte der Feldscherer-Medizin

(im modernen Jargon mit Militärmedizin oder sogar „Wehrmedizin“ bezeichnet)

  • Franz Hermann Frölich: Geschichtliches über die Militärmedicin der Deutschen im Alterthum und Mittelalter. Deutsches Archiv für Geschichte der Medicin und medicinische Geographie 3 (Leipzig 1880), Neudruck Hildesheim und New York 1971, S. 222–256
  • Franz Hermann Frölich: Über die Anfänge der Militärmedicin im Mittelalter. Deutsches Archiv für Geschichte der Medicin und medicinische Geographie 5 (Leipzig 1882), Neudruck Hildesheim und New York 1971, S. 75–80
  • Ralf Vollmuth: Die sanitätsdienstliche Versorgung in den Landsknechtsheeren des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit: Probleme und Lösungsansätze. Würzburg 1991
  • Conrad Brunner: Die Verwundeten in den Kriegen der alten Eidgenossenschaft. Geschichte des Heeressanitätswesens und der Kriegschirurgie in schweizerischen Landen vom Anfang der Eidgenossenschaft bis zum 17. Jahrhundert, I–II. Tübingen 1903. Teil I auch in: Beiträge zur klinischen Chirurgie 37 (1901), S. 1–174
  • Nicolai Guleke: Kriegschirurgie und Kriegschirurgen im Wandel der Zeiten, Jena 1945
  • Gustav Wolzendorff: Die Feldchirurgie des Felix Würtz: Eine historische Studie. In: Militärarzt 11 (1877), S. 47–52, 59–62, 66–68 und 81–8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Information betreffend Zulassung zur Berufsausübung in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege aus dem Herkunftsstaat Republik Bulgarien. Bundesministerium für Gesundheit der Republik Österreich, 1. November 2010, S. 7, abgerufen am 9. Mai 2011 (PDF, 138 kB).

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