- Fernbibliothek
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Eine Fernbibliothek (auch Versandleihbücherei) ist eine Bibliothek, die ihren Bibliotheksbestand ausschließlich per Versand verleiht. Die Fernbibliothek ist eine Sonderform der Magazinbibliothek.
Inhaltsverzeichnis
Zweck
Fernbibliotheken haben meist den intellektuellen Mittelstand als Zielpublikum und werden von Privaten oder Vereinen getragen.
Eine Fernbibliothek macht vor allem dann Sinn, wenn die Büchersammlung einen erkennbaren inneren geistigen Zusammenhang aufweist (Sortiments-Bibliothek) und von einem bestimmten, definierten Zielpublikum schnell wiedererkannt wird.
Öffentliche Bibliotheken als "Fernbibliotheken"
Etablierte Öffentliche Bibliotheken wie Stadt- oder Universitätsbibliotheken funktionieren teilweise auch als Fernbibliotheken im Nebenzweck. Die etablierten Bibliotheken leihen aber weiterhin die meisten Bücher an diejenige Kundschaft aus, welche die Bibliothek persönlich aufsucht. Die meisten etablierten Bibliotheken verzichten auf den Nebenzweck Fernbibliothek.
Durch die interbibliothekarische Fernleihe von Büchern funktionieren die etablierten Bibliotheken unter sich als eine Art von Fernbibliotheken.
Seltener Bibliothekstypus
Reine Fernbibliotheken gibt es nur wenige. Fernbibliotheken sind idealerweise Sachbibliotheken, welche die Lücke zu bestimmten Fachgebieten zwischen Volksbibliothek und Fachbibliothek schließen.
Eine Fernbibliothek mit einem bestimmten Sammelbereich kann auch als Rück-Bibliothek funktionieren für ein Netz von örtlich präsenten Freihandbüchereien mit gleichem Sammelbereich. So kann zum Beispiel eine christliche Fernbibliothek als Rück- oder Zentral-Bibliothek für ein Netz von Kirchgemeinde-Bibliotheken oder interkirchlich organisierten christlichen Orts-Leihbüchereien fungieren. Die Fernbibliothek schafft die seltener verlangten und teureren Werke an, deren Beschaffung für eine örtliche Bibliotheken zu aufwendig wäre.
Die erste Fernbibliothek mit dem Gattungsnamen in der Betriebsbezeichnung ist die 1987 gegründete Evangelische Fernbibliothek EFB in der Schweiz.
Nutzungsgründe
Ein Kunde bezahlt die Ausleihgebühr für eine Fernbibliothek nur dann, wenn diese viel niedriger ist als der Preis für ein Buch im Buchladen. Ein deutlicher Ausleihgrund ist, wenn ein Titel im primären Buchmarkt vergriffen ist oder im sekundären Buchmarkt (Antiquariate) nur selten oder teuer erhältlich ist.
Ökonomie
Wie fast alle Bibliotheken sind auch die Fernbibliotheken wirtschaftlich nicht selbsttragend. Für Fernbibliotheken ist die Rechtsform des Vereins ideal.
Ökonomisch gesehen machen Fernbibliotheken vor allem dann einen Sinn, wenn sie als Sachbibliotheken ausgestaltet sind, also mit Büchern von Fachleuten für das breite Publikum. Als Volksbüchereien ist die Fernbibliothek ungeeignet, weil die meisten Bibliotheken in Gemeinden, Schulen oder teilweise auch Kirchgemeinden schon als Volksbüchereien mit entsprechendem Angebot (auch Romane, Ton- und Bildträger) ausgestaltet sind und so das Buchangebot schon traditionell riesengroß ist. Zudem besteht für Bücher aus dem niedrigeren Preis-Segment ein starkes antiquarisches Buchangebot, das durch die Popularisierung des Internets massiv vermehrt wurde. Die Popularisierung macht auch die Fernbibliotheken wie andere Sach- und Fachbibliotheken zu guten Kunden der Buch-Antiquariate, da deren Angebote die Hocharbeitsteiligkeit unter den Fachbibliotheken begünstigen. Die Ökonomie zwingt bei der Buchbeschaffung zur Konzentration auf die Kernsammelgebiete.
Wie bei allen Bibliotheken können auch bei einer Fernbibliothek nicht alle Buch-Anschaffungs- und Aufbewahrungskosten auf den Kunden abgewälzt werden. Denn dadurch wären die Gebühren so hoch, dass niemand mehr ausleihen würde. Eine Fernbibliothek bewegt sich also in den normalen ökonomischen Sachzwängen aller öffentlichen Bibliotheken und bedürfen einer externen Geldquelle.
Die Fernbibliothek als Bibliothekstypus hätte wahrscheinlich nur dann eine große Zukunft, wenn sich der Staat aus Finanzgründen aus dem Bibliothekswesen zurückziehen würde. Mit dem Instrument der Fernbibliothek könnte durch entsprechende Fach- und Interessensverbände wie auch Institute die bibliothekarische Grundversorgung außerhalb der staatlichen Lenkung weitgehend gewährleistet werden. Jedoch wäre dies nur durch großzügiges Mäzenatentum und Sponsoring möglich. Da jedoch das Bibliothekswesen zu den Kerngebieten des Bildungswesens gehört, ist der Rückzug des Staates als Geldgeber sehr unwahrscheinlich und wird politisch von niemandem verlangt.
In vielen Ländern der Welt wäre eine Fernbibliothek der einzige funktionale Weg zu einer bibliothekarischen Grundversorgung in der Fläche, was jedoch in der Praxis an den schlecht funktionierenden Verteilsystemen (Post) scheitert. Die Zukunft der Fernbibliotheks-Idee für viele Länder muss größtenteils über das Medium Internet abgewickelt werden. Dennoch braucht es auch da Zentren der physischen Aufbewahrung von originären Wissensquellen.
Wie in allen Bibliotheken ist es die große Kunst, die richtigen Bücher auszuwählen, die Computer-Probleme zu lösen, die Rückgabedisziplin motivations-psychologisch sinnvoll anzugehen und die Logistik zu bewältigen.
Eine Fernbibliothek kann nicht alle bedienen, sondern muss sich für ein bestimmtes Zielpublikum entscheiden. Im Unterschied zur traditionellen Bibliothek, die in der Stadt im Zentrum steht und dauernd wiedererkannt wird, muss eine Fernbibliothek um die Anerkennung kämpfen. Für eine Fernbibliothek mit bestimmten Fach-Sammelbereich kann dies auch bedeuten, nicht nur Ausleihkunden zu gewinnen, sondern auch das gesammelte Wissen auf andere Weise in die Gesellschaft zurück zu integrieren, z.B. durch das Redigieren von Zeitungsartikeln aus dem gesammelten Wissensgebiet, Reise-Vortragstätigkeit, Implementierung des Wissens in die Film- und Computerspiel-Industrie usw. Dadurch ist die Berufsrolle eines Fernbibliothekars besonders stark interdisziplinär ausgerichtet. Die Arbeit atmet mehr den Geist einer universitären Institutsbibliothek als der einer Buchausleihfabrik.
Virtuelle Bibliotheken
Durch die moderne Computertechnik besteht die rationelle Möglichkeit, Fernbibliotheken auch als Virtuelle Bibliotheken auszugestalten. Eine Organisation mit Katalog tritt nach außen als Fernbibliothek auf, die Bücher werden physisch aber von unterschiedlichen Bibliotheken an verschiedenen Standorten vor dem Versand an den Kunden an einem Versandort zusammengeführt.
Seit das World Wide Web das Internet bekannt gemacht hat, ist das Internet selber in einem weiteren Wortsinne zur größten Fernbibliothek der Welt geworden. Der Unterschied ist hier allerdings, dass nicht ein zuvor angeschafftes Werkexemplar an den Benutzenden ausgeliehen wird, sondern ein Text (oder ein Bild oder was auch immer) physikalisch kopiert und über Kabel an den Endverbraucher ausgeliefert wird. So gesehen ist das Internet eher ein elektronischer Verlag als eine Bibliothek.
Die Buchausleihe über nationale Grenzen wird heute aus fachlicher bibliothekarischer Sicht wie aus der Sicht der Wissensdisziplinen nicht bestritten. Die Arbeitsteiligkeit unter den Bibliotheken ist ein Ausdruck der Arbeitsteiligkeit im Bildungswesen und der Gesellschaft generell. Problemfelder sind derzeit die Spannungsfelder juristischer Art, da das Ausleihen von Büchern über nationale Grenzen hinweg von unterschiedlichen Urheberrechts-Gesetzgebungen und Rechtsempfindungskulturen berührt wird.
Die Zukunft der Fernbibliotheken besteht im Digitalisieren von Buchbeständen, die über Datenträger (z.B. DVD) oder online (z.B. über Internet) an die Benutzenden gelangt. Die Kosten der Digitalisierung sind jedoch eine starke Belastung für die Finanzen der Bibliothek. Ein Hauptproblem ist das Urheberrecht, das ein Kopieren und Einspeisen erst 70 Jahre nach dem Tod der Urheber vorsieht. Immerhin kann es langfristig billiger sein, die Bestände elektronisch aufzubewahren, da die Trägerschaften oft nicht in der Lage sind, immer mehr Geld für stetig steigende Raumkosten einzubringen, auch dann nicht, wenn die für Magazinbibliotheken typische Rationalität der Aufbewahrungs-Komprimierung voll ausgeschöpft wird.
Siehe auch
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