Fisher-Gleichung

Fisher-Gleichung

Die Fisher-Gleichung beschreibt in der Volkswirtschaftslehre den nach Irving Fisher benannten Zusammenhang zwischen Nominalzins, Realzins und erwarteter Inflationsrate. Die Fisher-Gleichung besagt, dass der Nominalzins in etwa der Summe von Realzins und erwarteter Inflationsrate entspricht:

i_t \approx r_t + \pi_{t+1}^e,

wobei it den Nominalzins in der aktuellen Periode t, rt den Realzins und \pi_{t+1}^e die für die kommende Periode t + 1 erwartete Inflationsrate bezeichnen.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Um den ökonomischen Hintergrund der Fisher-Gleichung verstehen zu können, ist es hilfreich, folgendes Gedankenexperiment zu betrachten.

Ein Beispiel bei perfekter Voraussicht

Ein Wirtschaftsteilnehmer habe 100 Euro zur Verfügung, die er für ein Jahr anlegen möchte. Die Welt sei frei von Überraschungen, d.h. die zukünftige Entwicklung ökonomischer Größen sei allen Akteuren bekannt (perfekte Voraussicht). Irving hat verschiedene Möglichkeiten, die 100 Euro anzulegen. Eine Möglichkeit besteht darin, das Geld zu einem Zinssatz von it zu verleihen. Beträgt der Zinssatz zum Beispiel 4% (it = 0.04), dann erhält er in einem Jahr seine 100 Euro zurück und zusätzlich 100\times 0.04=4 Euro Zinsen, so dass er insgesamt über 100\times (1+i_t)=104 Euro verfügt.

Eine andere Möglichkeit für Irving ist, dass er die 100 Euro in ein gewinnversprechendes Projekt investiert, zum Beispiel den Anbau von Weizen. Wir nehmen an, dass eine Einheit Weizen heute 1 Euro kostet und dass sich durch Aussaat und Pflege des Feldes eine Ertragssteigerung in Höhe von 3% ergibt, so dass in einem Jahr 103 Einheiten Weizen geerntet werden können.

Welche der beiden Alternativen ist besser? Das hängt davon ab, wie sich der Preis für eine Einheit Weizen entwickeln wird. Aufgrund der perfekten Voraussicht sei nun bekannt, dass eine Einheit Weizen in einem Jahr nicht mehr 1 Euro, sondern 1,02 Euro kosten wird. Wir gehen also von einer Preisänderungsrate (Inflationsrate) in Höhe von 2% (πt + 1 = 0.02) aus. Daraus folgt, dass Irving in einem Jahr die 103 Einheiten Weizen für 103 Einheiten Weizen mal 1,02 Euro pro Einheit Weizen, d.h. für ca. 105 Euro verkaufen kann (genau sind es 105,06 Euro). Es ist also vorteilhaft, das Geld in den Weizenanbau zu investieren und nicht zu verleihen.

Rationale Wirtschaftsteilnehmer erkennen diesen Zusammenhang und verleihen unter den gegebenen Umständen kein Geld für 4% Zinsen, sondern investieren es lieber in den Weizenanbau. Akteure, die Geld benötigen, werden nun einen höheren Zinssatz bieten, um jemanden zu finden, der ihnen Geld leiht. Ein Gleichgewicht stellt sich erst dann ein, wenn beide Alternativen nach einem Jahr zum gleichen Ertrag führen. Solange eine der beiden Alternativen einen höheren Ertrag verspricht als die andere, wird niemand bereit sein, die andere Alternative zu wählen. Dies führt zu Anpassungsprozessen, wie dem eben beschriebenen Zinsanstieg für Geldanlagen. Andere Anpassungsprozesse sind ebenfalls denkbar. Solange der Ertrag aus Weizenanbau höher ist als der einer Geldanlage, werden immer mehr Akteure in den Weizenanbau investieren. Das erhöht das Weizenangebot in der kommenden Periode, so dass der Weizenpreis in der kommenden Periode nicht mehr um 2%, sondern aufgrund des größeren Angebotes um einen geringeren Prozentsatz steigt. Beträgt die Inflationsrate nur 1%, dann ergibt sich wieder das von der Fisher-Gleichung beschriebene Gleichgewicht: beide Alternativen bieten eine Verzinsung in Höhe von 4%. Diese 4% setzen sich beim Weizenanbau aus 3% Ertragssteigerung (Realzins) plus 1% Preisanstieg (Inflationsrate) zusammen.

Die Zukunft ist aber unsicher

Natürlich weiß heute niemand genau, wie hoch der Preis für Weizen in einem Jahr sein wird. Daher muss in der aktuellen Periode t eine Erwartung darüber gebildet werden, wie hoch der Weizenpreis in einem Jahr sein wird, und was das für die Inflationsrate bedeutet. Diese erwartete Inflationsrate kann dann zum Vergleich der beiden zuvor beschriebenen Alternativen herangezogen werden, und es ergibt sich die oben dargestellte Fisher-Gleichung als Charakterisierung des ökonomischen Gleichgewichtes zwischen Nominalzins, Realzins und erwarteter Inflationsrate.

Der Ex-post Realzins

Der Realzins rt und die Inflationserwartung der Wirtschaftsteilnehmer sind im Gegensatz zum Nominalzins keine beobachtbaren Größen. Möchte man dennoch die Höhe des Realzinses in einer bestimmten Periode t bestimmen, so kann man näherungsweise den so genannten Ex-post Realzins betrachten. Dieser ergibt sich aus der Fisher-Gleichung, wenn man die erwartete Inflationsrate durch die tatsächliche Inflationsrate ersetzt, die man allerdings erst ex post, d.h. später ab Periode t+1, kennt:

 r_t \approx i_t - \pi_{t+1}

Dabei wird unterstellt, dass es keine systematischen Erwartungsfehler über die Inflationsrate gibt. Alternativ können Umfragewerte für die erwartete Inflationsrate herangezogen werden.

Exakte Formulierung der Fisher-Gleichung

Die exakte Fassung der Fisher-Gleichung lässt sich herleiten, in dem die Erträge einer Geldanlage (1 + it) und der erwartete Ertrag einer realen Investition gleichgesetzt werden:

 (1+i_t) = (1+r_t)\times\frac{P_{t+1}^e}{P_t}

Pt bezeichnet hierbei den Preis des realen Gutes (Weizen im Beispiel oben) in der aktuellen Periode t und Pt + 1 den entsprechenden Preis in der folgenden Periode t + 1. Das hochgestellte e kennzeichnet, dass es sich um eine Erwartung handelt. Zusammen mit der Definition der Inflationsrate,

 \pi_{t+1} = \frac{P_{t+1}}{P_t}-1

folgt die exakte Fisher-Gleichung

 (1+i_t) = (1+r_t)\times (1+\pi_{t+1}^e)

Die approximative Fassung ergibt sich, indem man die rechte Seite ausmultipliziert

 (1+i_t) = 1+r_t+\pi_{t+1}^e+r_t\times \pi_{t+1}^e

und das Kreuzprodukt r_t\times \pi_{t+1}^e vernachlässigt:

i_t \approx r_t + \pi_{t+1}^e

Sowohl der Realzins als auch die Inflationsrate werden hier als Dezimalbruch gemessen, d.h. eine erwartete Inflationsrate von 2% Prozent entspricht \pi_{t+1}^e=0.02, so dass das Kreuzprodukt r_t\times \pi_{t+1}^e für realistische Größenordnungen des Realzinses vernachlässigbar klein ist.

Die approximative Fassung wird vor allem für illustrative und theoretische Darstellungen verwendet. Für praktische Berechnungen sollte immer die exakte Fassung verwendet werden.

Siehe auch

  • Nach Irving Fisher ist ebenfalls die Fishersche Verkehrsgleichung benannt, die den Zusammenhang zwischen Transaktionsvolumen, Preisniveau, Geldmenge und Umlaufgeschwindigkeit des Geldes beschreibt. Siehe Quantitätsgleichung.
  • Der Fisher-Effekt basiert auf der Fisher-Gleichung und besagt, dass sich unter bestimmten Annahmen eine Veränderung der Inflationsrate proportional auf den Nominalzins überträgt.

Literatur

Irving Fisher befasste sich vor allem in dem folgenden Werk mit der Zinstheorie:

  • Irving Fisher: The theory of interest. Macmillan, New York 1930.

Das oben beschriebene Beispiel orientiert sich an der Darstellung der Theorie des Geldzinssatzes in folgendem Lehrbuch von Rudolf Richter:

  • Rudolf Richter: Geldtheorie. Vorlesung auf der Grundlage der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie und der Institutionenökonomik. 2. Auflage, Springer, Berlin 1990, ISBN 978-3-540-51750-4.

Die Fisher-Gleichung wird in den gängigen Lehrbüchern über Makroökonomik, Geldtheorie und Geldpolitik thematisiert.


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