Franz Rehbein

Franz Rehbein

Franz Rehbein (* 1867; † 14. März 1909 in Berlin) war ein deutscher Arbeiterschriftsteller und Redakteur des „Vorwärts“. Er schrieb mit „Das Leben eines Landarbeiters“ eine der aufwühlendsten Sozialreportagen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Franz Rehbein wuchs als Sohn einer Wäscherin und eines Schneiders in Hinterpommern auf. Der Vater starb an Tuberkulose, als Franz noch ein Kind war. Als Junge war er durch die Not der Familie gezwungen, im Dienst von Gutsherren auf dem Felde zu arbeiten. Mit 14 Jahren verdingte er sich für eine Zuckerfabrik in Schleswig-Holstein, lief seinem Vermittler aber in Hamburg weg und wurde Junge auf einem ostholsteinischen Gut in der Grafenecke. Er leistete seinen Militärdienst ab in Metz bei der Kavallerie und erlebte dort das Dreikaiserjahr. In seiner Autobiographie beschreibt er den menschenunwürdigen Drill in der Armee. Anschließend verdingte er sich als Knecht und Großknecht auf verschiedenen Bauernhöfen in Dithmarschen, heiratete und wurde Tagelöhner an der Dreschmaschine.

Die schwere Arbeit, die winterliche Arbeitslosigkeit, das kümmerliche Leben von der Hand in den Mund, und dann der Vergleich meines Tagelöhnerdaseins mit den meistens im Überfluss schwelgenden Hofbesitzern - das alles redete eine deutlichere Sprache zu mir, als wie es alle wissenschaftlichen Lehrbücher hätten tun können.

Rehbein wurde Sozialdemokrat. Als 28-Jähriger büßte er bei einem Unfall an der Dreschmaschine den rechten Arm ein. Damit war er als landwirtschaftlicher Arbeiter nicht mehr zu gebrauchen. Er zog nach Kiel, wo er zusammen mit seiner Frau die Schleswig-Holsteinische Volkszeitung austrug und bald darauf zu ihrem Redakteur in Elmshorn wurde. Er betätigte sich als Parteiagitator, hatte aber auf Grund seiner Ablehnung des Revisionismus einen schweren Stand. Er ging nach Berlin und wurde dort Mitarbeiter des "Vorwärts". Ob er seine Autobiografie „Das Leben eines Landarbeiters“ auf Anregung des Theologen, Sozialreformers und Politikers Paul Göhre schrieb oder diesem nach Fertigstellung nur übersandte, ist nicht geklärt. Rehbein starb zwei Jahre bevor das Manuskript von seiner Frau Dora Rehbein und Paul Göhre im Verlag Eugen Diederichs herausgebracht wurde.

Stil

Franz Rehbein schreibt den unverblümten und zupackenden Stil des Autodidakten, Dialoge und wörtliche Äußerungen oft im schleswig-holsteinischen Platt. Paul Göhre sagte über ihn: „Nichts Unbeholfenes... ist an ihm, er ist vollkommen Herr seiner Gedanken, Bilder, Worte, Sätze. Selbst Fremdwörter handhabt er völlig souverän.“ Patriotisch und religiös erzogen, erlebte er die Begegnung mit dem illegal eingeführten Zürcher Blatt „Der Sozialdemokrat“, vermittelt durch einen Schuster in Süderdeich, als Offenbarung. Nach seinem schweren Unfall vertiefte er sich in die sozialistischen Klassiker, insbesondere Lassalle und Bebel. Aus Zitaten wird ersichtlich, dass er – und sicherlich mit stilistischem Gewinn – Ernst Reuter gelesen und geschätzt hat. Seine drastische Beschreibung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse, der oft nicht nur unzureichenden, sondern Ekel erregenden Verköstigung, der Anmaßung der Gutsverwalter und der Marschbauern, der Fron am Dreschkasten und der Rechtlosigkeit, in der er als Soldat arroganten und schikanösen Vorgesetzten ausgeliefert war, sind Marksteine der Arbeiterliteratur. Arbeitslosigkeit beschreibt er so:

Wenn man jedoch an regelmäßige Arbeit gewöhnt ist und die Arbeitslosigkeit gar nicht wieder abreißen will, dann wird's einem in den vier Pfählen verdammt ungemütlich. Teufel, ist das ein Gefühl, jung, kräftig und arbeitslos in der Kate zu sitzen, wo man doch so gerne arbeiten möchte! Man schämt sich förmlich, sich noch auf der Straße sehen zu lassen. Es ist, als grinste einen jeder Strauch und jeder Misthaufen schadenfroh an. Dabei schrumpfen die paar Spargroschen immer mehr zusammen; man kann sich schon an den Fingern abzählen, wann der letzte Taler angerissen werden muss; und was dann? Ach, wie hübsch voll und schwer kommt einem solch Taler vor, wenn man ihn verdient hat, und wie leicht wird er, wenn man ihn ausgeben muss!

Werke (Auswahl)

  • Kinderjahre in Hinterpommern (1867 – 80), in: Proletarische Lebensläufe, Seite 178 (Auszug aus Das Leben eines Landarbeiters)
  • Das Leben eines Landarbeiters. Hans Christians Verlag, Hamburg 1995, ISBN 3-7672-0892-X, unveränderter Nachdruck der 1911 im Verlag Eugen Diederichs (Jena) erschienenen Erstausgabe
  • Gesinde und Gesindel. Aus dem Leben eines Landarbeiters im wilhelminischen Deutschland. Verlag Tribüne, Berlin 1955 (Das Leben eines Landarbeiters unter anderem Titel)

Weblinks


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