- Friedrich Christian Rühs
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Friedrich Christian Rühs (* 1781; † 1820 in Florenz) war ein deutscher Historiker für skandinavische und germanische Geschichte. In der Zeit der Befreiungskriege trat er als Nationalist und Antisemit hervor.
Inhaltsverzeichnis
Skandinavienforscher
Rühs studierte Geschichte, Staatsrecht und Philologie bei August Ludwig von Schlözer in Göttingen. Er verfasste damals eine erste Schrift über Skandinavien, die von Friedrich David Gräter als zu deklamierend und zu wenig untersuchend kritisiert wurde.
1802 wurde Rühs Privatdozent in Greifswald. Die Stadt gehörte von 1631 bis 1815 mit Vorpommern zum Königreich Schweden. In dieser Epoche war die Universität Greifswald von schwedischer Wissenschaftspolitik geprägt und die Stadt wurde zum Sitz der obersten Gerichts- und Kirchenbehörden für Schwedisch-Pommern. Rühs bot sich als Übersetzer fremdsprachiger Schriften an und erhielt 1802 als schwedischer Untertan den königlichen Auftrag, als „Berater“ an der deutschen Übersetzung der „Schwedenreise“ des Italieners Joseph Acerbi mitzuwirken. Dieser hatte den Schwedenkönig Gustav IV. Adolf als engstirnigen Zensor des Geisteslebens in seinen Ländern dargestellt und unterstützte damit deutsche Bestrebungen, die schwedischen Ländereien auf dem europäischen Festland zu gewinnen. 1803 erschien die Berliner Ausgabe des Reiseberichts ohne Angriffe auf Schweden, die Rühs getilgt hatte. Er wurde nicht namentlich genannt.
Damit hatte sich Rühs das Vertrauen des schwedischen Königshauses erworben und erhielt weitere Aufträge. Er übersetzte in den Folgejahren eine Gegenschrift zu Acerbi, Carl Gustaf af Leopolds Briefe über „Schwedens neueste Verhältnisse“ (1804), ferner dessen „Vermischte prosaische Schriften“ (Rostock/Leipzig 1805) und die Werke von Gustav III. in drei Bänden (Berlin 1805–1808). Er veröffentlichte auch eigene Werke zur nordischen Geschichte und Philologie, etwa über „Finnland und seine Bewohner“ (1809).
Berliner Professor
1810 wurde Rühs bei der Gründung der Humboldt-Universität zu Berlin zum Professor dorthin berufen. Er gehörte dort mit seinem Kollegen Ernst Moritz Arndt, der schon in Greifswald sein Freund geworden war, zum Kreis der Nationalisten unter den Berliner Professoren.
Er setzte seine skandinavischen Forschungen fort und übersetzte 1812 noch vor den Gebrüdern Grimm die Edda ins Deutsche. Die Übersetzung erschien „nebst einer Einleitung über die nordische Poesie und Mythologie“ und war in Prosa-Form gehalten. Rühs stützte sich dabei auf eine dänische Ausgabe des Edda-Forschers Rasmus Nyerup, den er 1810 in Stockholm besucht hatte. Seine Übertragung stieß jedoch auf Kritik, aus der sich ein Edda-Streit entwickelte. Rühs wurden Übersetzungsfehler aus mangelnder Kenntnis des Altnordischen vorgeworfen. Dafür hatte der Däne Rasmus Rask 1811 ein Wörterbuch herausgegeben, das Rühs nicht benutzt hatte.
Dennoch fand Rühs mit Unterstützung des aus Greifswald stammenden Verlegers Georg Andreas Reimer (1776–1842) neue Aufgaben. 1813 erschien Über den Ursprung der Isländischen Poesie. Später verfasste er eine Schwedische Geschichte, die 1823 ins Schwedische übersetzt wurde und Anklang auch bei dem schwedischen Historiker Erik Gustaf Geijer fand.
Früher Antisemit und Nationalist
Rühs gewann über seinen Verleger in Berlin das Vertrauen des Historikers und Politikers Barthold Georg Niebuhr, der ihn zur Mitarbeit am Preußischen Correspondenten bewegte. In der Folge trat Rühs mit betont nationalistischen Schriften hervor. Nachdem Greifswald 1815 an Preußen gefallen war, kritisierte er die dortige „Schwedenzeit“ in einem als Brief fingierten Aufsatz scharf. Im selben Jahr erschien seine sehr emotionale Schrift „Historische Entwicklung des Einflusses Frankreichs und der Franzosen auf Deutschland“, die diese als „Erzfeind“ und „ewige Bedränger“ darstellte.
Ebenfalls 1815 erschien das radikal antijüdische Pamphlet „Über die Ansprüche der Juden auf das deutsche Bürgerrecht“. Darin sprach Rühs den Juden das deutsche Bürgerrecht ab, falls sie nicht bereit wären, zum Christentum überzutreten. Er folgte einer völkischen und antijudaistischen Argumentation, die vor ihm Johann Gottlieb Fichte vertreten hatte:[1]
- Ein fremdes Volk kann nicht Rechte erlangen, welche die Deutschen zum Teil nur durch das Christentum genießen.
Der zukünftige deutsche Staat werde wieder „christlich-germanisch“ sein. Wie im Hochmittelalter solle man die Juden wieder mit einer Kleiderordnung kenntlich machen, „damit ein Deutscher, selbst sei er durch Aussehen, Verhalten und Sprache irregeführt, seinen hebräischen Feind erkenne.“ Mit dem Übertritt zum „milden Charakter“ des Christentums sollten sich die Juden die „deutschen Volkseigentümlichkeiten“ aneignen, „um auf diese Arte den Untergang des jüdischen Volks mit der Zeit zu bewirken.“ Damit wandte sich Rühs von den Grundgedanken der Aufklärung ab und zeigte sich als Gegner der Jüdischen Emanzipation, die damals in Preußen auf der politischen Tagesordnung stand.
Rühs stand mit solchen Forderungen nicht allein: 1815–1819 erreichte eine Welle antijüdischer und antiemanzipatorischer Hetzschriften im 19. Jahrhundert ihren ersten Höhepunkt. So schloss sich der Philosoph Jakob Friedrich Fries aus Jena 1816 mit einem eigenen Traktat Rühs an, forderte aber über den „Untergang“ der jüdischen Religion durch Konversion hinaus, dass diese „Kaste mit Stumpf und Stiel ausgerottet“ werde. 1818 antwortete Graf Karl Christian Ernst von Bentzel-Sternau auf beide Traktate mit einer Satire unter dem Titel „Anti-Israel. Eine Vorlesung in der geheimen Akademie zum grünen Esel als Eintrittsrede gehalten von Horatius Cocles“.
Historiograf Preußens
Rühs veröffentlichte in den Folgejahren ein „Handbuch der Geschichte des Mittelalters“ (1816) und ein Buch über „Das Verhältnis Holsteins und Schleswigs zu Deutschland und Dänemark“ (1817). Im selben Jahr wurde er zum Historiografen des preußischen Staates berufen. Er widmete sich nun verstärkt Forschungen zum germanischen Altertum und war maßgeblich an Vorarbeiten zu der 1819 gegründeten „Gesellschaft für Deutschlands ältere Geschichtskunde“ beteiligt. Die Initiative dazu ging von Heinrich Friedrich Karl vom Stein aus. Nach dem Tod von Rühs ging daraus die Generaldirektion der Monumenta Germaniae Historica hervor, die 1936 zum „Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde“ wurde.
Tod
Rühs erkrankte 1820 während einer Italienreise mit seinem Neffen Karl Gustav Homeyer (1795–1874). Er starb in dessen Obhut in Florenz. Sein Neffe übernahm die Pflege seines Werkes und betonte die Notwendigkeit nordischer Studien an der Universität in Berlin.
Einzelbelege
Werke
- Finnland und seine Bewohner, Greifswald 1809
- Entwurf einer Propädeutik des historischen Studiums (Hrsg.: Hans Schleier), Berlin 1811
- Über den Ursprung der Isländischen Poesie, Berlin 1813
- Historische Entwickelung des Einflusses Frankreichs und der Franzosen auf Deutschland und die Deutschen, Berlin 1815
- Über die Ansprüche der Juden auf das deutsche Bürgerrecht, Berlin 1815
- Das Verhältnis Holsteins und Schleswigs zu Deutschland und Dänemark, Berlin 1817
- Handbuch der Geschichte des Mittelalters (Neue verbesserte Auflage: Arnold, Stuttgart 1840)
Als Herausgeber
- Carl Gustaf af Leopold (Autor): Schwedens neueste Verhältnisse, Greifswald 1804
- Carl Gustaf af Leopold (Autor): Vermischte prosaische Schriften, Rostock/Leipzig 1805
- Gustav III. (Autor): Werke in drei Bänden, Berlin 1805–1808
- Edda, nebst einer Einleitung über die nordische Poesie und Mythologie, Berlin 1812
Weblinks
Personendaten NAME Rühs, Friedrich ALTERNATIVNAMEN Rühs, Friedrich Christian; Rühs, Christian Friedrich KURZBESCHREIBUNG deutscher Historiker für skandinavische und germanische Geschichte GEBURTSDATUM 1781 STERBEDATUM 1820 STERBEORT Florenz
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