Frühmittelhochdeutsche Dichtung

Frühmittelhochdeutsche Dichtung

Die frühmittelhochdeutsche Literatur ist die Phase der Literaturgeschichte, die in der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts einsetzt und bis etwa 1170 reicht. Vor allem entstehen religiös belehrende und ermahnende Texte in mittelhochdeutschen Reimpaarversen, die sich besonders an Laien wenden.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Heilsgeschichtliche Darstellungen, zum Beispiel das Ezzolied (um 1065), Legendendichtung, das Annolied (um 1077), alt- und neutestamentliche Bibelepik (Genesis, Exodus, Judith u. a., Leben Jesu und andere mehr), dogmatische Darlegungen, beuspielsweise das „Anegenge“, die Rede vom Glauben, eschatologische Dichtungen (Jüngstes Gericht, Antichrist) und Mariendichtung prägten die erste Phase dieser Geistlichendichtung, die von einer religiösen Einflussnahme auf den Laienadel bestimmt ist. Kennzeichnend für die zahlreichen, meist kürzeren Dichtungen ist, dass es noch kein literarisches Leben gab, in dem sie eine weitere Verbreitung hätten finden können. Die meisten Stücke sind nur zufällig in einer einzigen Handschrift erhalten geblieben. Generell bleibt die schriftliche Verbreitung deutscher geistlicher Texte (ganz im Gegensatz zu lateinischen Texten) bis gegen 1150 auf die Klöster und Stifte beschränkt, in denen oder für die sie jeweils entstanden. Eine prominente Ausnahme ist nur Willirams Hoheslied-Paraphrase, von der bald zahlreiche Kopien kursierten.

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts ereignet sich in jeder Hinsicht ein tiefgreifender Wandel. Die Themen und Formen der Literatur werden vielfältiger; die schriftliche Verbreitung erfasst nun auch Stoffe, die zuvor für unwürdig galten, aufgeschrieben zu werden (höfische Lyrik, unterhaltende Erzählungen). Auch die geistliche Dichtung entwickelt ein neues Interesse an der Einzelperson und ihrer Lebensgeschichte (Legendendichtungen, zum Beispiel Albers Tundalus, Lamprechts „Tobias“, Veldekes „Servatius“).

Um die Mitte des 12. Jahrhunderts gewinnt auch die Geschichtsepik als stärker weltlich orientierte Dichtung erstmals poetischen Rang. Das bedeutendste Werk, die Kaiserchronik mit rund 17.000 Versen, erzählt episodenhaft die Geschichte des römischen Kaisertums von der Gründung Roms bis zu Konrad III. Das Rolandslied des Pfaffen Konrad schildert den Kampf Karls des Großen und seiner Paladine gegen die Sarazenen in Spanien sowie den Tod Rolands nach einem Verrat. Mit dem Rolandslied und dem Alexander des Pfaffen Lamprecht macht sich auch erstmals der Einfluss französischer Stoffe und Gestaltungsweisen bemerkbar, der die deutsche Literatur für die nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte prägen soll.

Den Vorwurf der Lüge konnten sich schließlich jene weltlichen Dichtungen zuziehen, die aufgrund ihrer phantastischen Abenteuer den Namen Spielmannsepik erhalten haben, weil man früher Spielleute als Autoren dieser Werke vermutete. Heute ist man verhältnismäßig überzeugt, dass auch Dichtungen mit ihrer Verbindung von historischem Interesse mit fernen Abenteuern wie Herzog Ernst, König Rother, Salman und Morolf aus der Feder von geistlich gelehrten Männern stammen.

Eilhard von Oberge verfasste um 1170, wohl am Hofe Heinrichs des Löwen, nach französischen Vorlagen ein frühhöfisches Tristanepos.

Am Ende dieser Periode und dem Beginn der nächsten steht Heinrich von Veldekes Eneasroman, der mit seinen reinen Reimen und der Betonung der Minne neben der ritterlichen Kampfethik den Übergang zur höfischen Epik des Hochmittelalters schafft.

Autoren und Texte

Siehe auch

Literatur

  • Dieter Kartschoke: Geschichte der deutschen Literatur im frühen Mittelalter. DTV, München 1990, ISBN 3-423-04551-5.

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