Fürstentum Wladimir-Susdal

Fürstentum Wladimir-Susdal
Uspenski-Kathedrale, 12. Jahrhundert

Das Fürstentum Wladimir-Susdal (russisch Владимиро-Суздальское княжество) oder Wladimirer Rus (russisch Владимирская Русь) war ein großes Fürstentum unter den Folgestaaten der Kiewer Rus und der mächtigste ostslawische Staat zwischen der zweiten Hälfte des 12. und dem 14. Jahrhundert.[1] Traditionell wird Wladimir-Susdal als die Wiege der großrussischen Sprache und Kultur betrachtet. Mit der Zeit ging Wladimir-Susdal politisch in das Großfürstentum Moskau über.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge

Das Teilfürstentum der Kiewer Rus nahm große Territorien im Nordosten der Reiches ein, in etwa zwischen den Flüssen Wolga, Oka und Nördliche Dwina. Im 11. Jahrhundert war sein Zentrum Rostow und zu den weiteren bedeutenden Städten gehörten Susdal, Jaroslawl und Beloosero.

Der Kiewer Großfürst Wladimir Monomach verlegte 1093 die Hauptstadt aus Rostow nach Susdal. Fünfzehn Jahre später gründete er die Stadt Wladimir am Fluss Kljasma, 31 km südlich von Susdal. Sein Sohn, Juri Dolgoruki, der auch als Gründer von Moskau bekannt ist, machte Wladimir zur Hauptstadt der nordöstlichen Rus im Jahr 1157. Allerdings wollten die Bojaren von Rostow und Susdal ihre Macht nicht abgeben und es folgte ein kurzer Bürgerkrieg.

Großfürstentum Wladimir-Susdal (rosa) vor dem Mongolensturm 1237

In der Mitte des 12. Jahrhunderts, als die südlichen Rus-Gebiete um Kiew systematisch von türkischen Nomaden angegriffen wurden, begann deren Bevölkerung zunehmend, nach Nordosten zu migrieren.[2] In früher dünn besiedelten Waldgebieten, bekannt als Salesje (russisch Залесье, Hinterwaldland) wuchsen zahlreiche Städte, darunter Pereslawl-Salesski, Kostroma, Dmitrow, Moskau, Jurjew-Polski, Uglitsch und Twer. Ihre Gründungen werden Juri Dolgoruki (Juri Langhand) zugerechnet, dessen Spitzname sich auf seine Fähigkeiten bezog, die Politik im entfernten Kiew nachhaltig zu beeinflussen.

Blütezeit

Unter Juris Sohn Andrei Bogoljubski erreichte Wladimir den Zenit seiner Macht. Andrei war ein außerordentlich fähiger Herrscher, der für alte Machtzentren wie Kiew nicht viel übrig hatte. Nachdem er Kiew 1169 einnahm und niederbrannte, weigerte er sich als Inhaber der Großfürstenwürde dorthin überzusiedeln. Er löste den Großfürstentitel erstmals vom Standort Kiew und installierte dort auf dem Thron seinen jüngeren Bruder. Damit löste Wladimir Kiew endgültig als führendes Zentrum der Rus ab. In Wladimir ließ Andrei Bogoljubski zahlreiche monumentale Bauwerke aus weißem Stein errichten, darunter Kathedralen, Klöster und Befestigungsanlagen. Allerdings fiel er eine Verschwörung von Bojaren zum Opfer, die ihn in seiner Vorstadtresidenz Bogoljubowo ermordeten.

Nach einem kurzen Interregnum sicherte sich Andreis Bruder Wsewolod III., genannt Großes Nest, den Thron. Er setzte die Politik seines Bruders weitgehend fort und unterwarf Kiew ein weiteres Mal Wladimir im Jahr 1203.[3] Wsewolods größter Konkurrent wurde allerdings das südlicher gelegene Fürstentum Rjasan, sowie das Wolgabulgarien, das an Wladimir-Susdal im Osten angrenzte. Nach mehreren Feldzügen wurde Rjasan niedergebrannt und die Wolgabulgaren zu Tributzahlungen gezwungen.[4]

Das Goldene Tor von Wladimir

Wsewolods Tod im Jahr 1212 zog einen schwerwiegenden dynastischen Konflikt nach sich. Sein ältester Sohn Konstantin, der sich die Unterstützung der Bojaren von Rostow sicherte, sowie Mstislaw von Kiew, vertrieben seinen als rechtmäßiger Thronfolger geltenden Bruder Juri, der erst nach Konstantins Tod sechs Jahre später in die Hauptstadt zurückkehrte. Er erwies sich als starker Herrscher, der Wolga-Bulgarien entscheidend besiegte.[5] Auch gewann er Einfluss in der Republik Nowgorod, als er dort seinen Bruder Jaroslaw II. Wsewolodowitsch, den Vater von Alexander Newski auf den Thron brachte. Allerdings endete seine Herrschaft in einer Katastrophe, als die Mongolen unter Batu Khan Wladimir im Jahr 1238 eroberten und verwüsteten. Das gleiche Schicksal ereilte die meisten anderen großen Städte im Fürstentum Wladimir-Susdal.

Siehe auch: Mongolische Invasion in Russland

Mongolische Herrschaft

Die Gottesmutter von Wladimir ist ein berühmtes Beispiel der Wladimirer Ikonenmalerei-Schule

Weder Wladimir, noch eine der anderen älteren Städte konnten sich in der Folgezeit von den mongolischen Zerstörungen erholen. Das Fürstentum fiel schnell in kleine Splitterstaaten auseinander: Moskau, Twer, Pereslawl, Rostow, Jaroslawl, Uglitsch, Beloosero, Kostoma, Nischni Nowgorod, Starodub und Jurjew-Polski.[6] Zwar akzeptierten sie alle nominell die Lehnsherrschaft des Großfürsten von Wladimir, dieser wurde jedoch vom Großkhan persönlich ernannt. Selbst der beliebte Alexander Newski von Pereslawl musste in die weit entfernte Hauptstadt des Khans, Karakorum, reisen, um auf den Großfürstenthron von Wladimir zu kommen.

Am Ende des 13. Jahrhunderts kristallisierten sich drei Fürstentümer heraus, die um die Nachfolge von Wladimir-Susdal wetteiferten und den Status des Großfürstentums für sich beanspruchten: Moskau, Twer und Nischni Nowgorod. Ihre Herrscher bemühten sich nicht einmal, nach Wladimir überzusiedeln, wenn sie den Titel erhielten. Im Jahr 1321 gelang es dem Moskauer Fürst Iwan Kalita, den Metropoliten der Orthodoxen Kirche zu überzeugen, dessen Sitz aus Wladimir nach Moskau zu verlegen. Mit diesem Ereignis schaffte es das Großfürstentum Moskau, sich politisch und psychologisch als das neue Zentrum der Rus zu etablieren. Moskau übernahm zugleich viele kulturelle Traditionen von Wladimir-Susdal, beispielsweise in der Architektur und in der Ikonenmalerei.

Literatur

  • Günther Stökl: Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 6. erweiterte Aufl. Kröner, Stuttgart 1997, ISBN 3-520-24406-3.

Einzelnachweise

  1. Andreas Kappeler: Russische Geschichte, S. 17
  2. Goehrke/Hellmann/Lorenz/Scheibert: Weltgeschichte - Russland, Band 31, Weltbild Verlag, Frankfurt am Main 1998, S. 80
  3. Gerhard Podskalsky: Christentum und theologische Literatur, S. 320
  4. Gerhard Podskalsky: Christentum und theologische Literatur, S. 307
  5. Gerhard Podskalsky: Christentum und theologische Literatur, S. 311
  6. Andrea Hapke, Evelyn Scheer: Moskau und der goldene Ring: Altrussische Städte an Moskva, Oka und Volga, S.19

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