Gausssche Osterformel

Gausssche Osterformel

Die Gaußsche Osterformel erlaubt die Berechnung des Osterdatums für ein gegebenes Jahr. Eigentlich handelt es sich nicht um eine Formel, sondern um einen Algorithmus.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Seit den Beschlüssen des ersten Konzils von Nicäa 325 n. Chr. und auf Grund der im Jahr 525 n. Chr. im Auftrag von Papst Johannes I. begonnenen Arbeiten durch Exiguus wird das Osterfest am ersten Sonntag (dem Ostersonntag) nach dem Frühlings-Vollmond gefeiert.

Tag des Frühlingsanfangs ist nach Beschluss der 21. März. Ein am 21. März stattfindender Vollmond gilt bereits als frühestmöglicher Frühlings-Vollmond. Der 22. März ist deshalb der früheste und der 25. April der letzte Kalendertag, auf den Ostern fallen kann. Insgesamt gibt es damit 35 verschiedene Ostertermine, weshalb Ostern den Charakter eines beweglichen Feiertages aufweist. Das Osterfest spielt eine zentrale Rolle im Kirchenjahr, da von ihm fast alle beweglichen christlichen Feiertage wie Aschermittwoch, Christi Himmelfahrt oder Pfingsten abhängen.

Traditionelle Osterrechnung

Der Algorithmus zur Osterrechnung ist immer gleich, wurde aber erst von Gauß kurz und elegant mittels moderner Mathematik formuliert. Vorher wurde diese Arbeit „von Hand“ durchgeführt. Die dafür von Papst und christlicher Kirche beauftragten Gelehrten hießen Komputisten, ihre Arbeit nannte man Komputistik oder Komputus. Im späten Mittelalter war der Komputus der wesentlichste Gegenstand der Mathematik.

Originalfassungen von Gauß

div steht für eine ganzzahlige Division (Nachkommastellen werden abgeschnitten).
mod steht für den Divisionsrest bei einer ganzzahligen Division.

aus dem Jahre 1800

Seine Osterformel hat Carl Friedrich Gauß erstmals im Jahre 1800 veröffentlicht.[1] In der Einleitung schrieb er: „Die Absicht dieses Aufsatzes ist, [...] von dieser Aufgabe eine [...] bloß auf einfachsten Rechnungs-Operationen beruhende rein analytische Auflösung zu geben.“ Er ging damals davon aus, dass die Mondgleichung regelmäßig alle 300 Jahre anzuwenden sei.

     Julianischer Kalender                     │ Gregorianischer Kalender
     a = Jahr mod 19                           │
     b = Jahr mod 4                            │
     c = Jahr mod 7                            │
     k = Jahr div 100                          │
     p = k div 3                               │
     q = k div 4                               │
     d = (19*a + M) mod 30              M = 15 │ M = (15 + k − p − q) mod 30
     e = (2b + 4c + 6d + N) mod 7       N =  6 │ N = (4 + k − q) mod 7
     Ostern = (22 + d + e)ter März  (Der 32. März ist der 1. April usf.)

aus dem Jahre 1816

Es gibt einen handschriftlichen Nachtrag unbekannten Datums (nach 1807), worin Gauß den gültigen, komplizierteren Beschluss der Reformer über die Anwendung der Mondgleichung berücksichtigte.[2] Die Korrektur wurde 1816 veröffentlicht und betrifft ausschließlich die Variable p.[3]

     Julianischer Kalender                     │ Gregorianischer Kalender
     a = Jahr mod 19                           │
     b = Jahr mod 4                            │
     c = Jahr mod 7                            │
     k = Jahr div 100                          │
     p = (8k + 13) div 25                      │
     q = k div 4                               │
     d = (19*a + M) mod 30              M = 15 │ M = (15 + k − p − q) mod 30
     e = (2b + 4c + 6d + N) mod 7       N =  6 │ N = (4 + k − q) mod 7
     Ostern = (22 + d + e)ter März  (Der 32. März ist der 1. April usf.)

Gültigkeit

Die Gaußsche Osterformel gilt für beliebige Kalenderjahre nach dem Julianischen und dem Gregorianischen Kalender, solange die kirchlichen Regeln für die Festlegung des Osterdatums nicht geändert werden, auch wenn in manchen Darstellungen durch begrenzte Tabellen der Eindruck erweckt wird oder entstehen kann, die Gültigkeit sei auf bestimmte Jahre beschränkt.

Modifizierte Osterformel von Lichtenberg

Obwohl die Gaußsche Osterformel den Oster-Algorithmus elegant kurz darstellt, werden zwei Ausnahmen von ihr nicht erfasst. Heiner Lichtenberg hat 1997 eine Modifikation der Formel vorgeschlagen, mit der keine Ausnahmen extra beachtet werden müssen. Diese Formel ist nachfolgend wiedergegeben.[4]

Zur Bestimmung des Osterdatums für das Jahr X berechne man der Reihe nach folgende Größen:

 1. die Säkularzahl:                                       K(X) = X div 100 
 2. die säkulare Mondschaltung:                            M(K) = 15 + (3K + 3) div 4 − (8K + 13) div 25 
 3. die säkulare Sonnenschaltung:                          S(K) = 2 − (3K + 3) div 4 
 4. den Mondparameter:                                     A(X) = X mod 19 
 5. den Keim für den ersten Vollmond im Frühling:        D(A,M) = (19A + M) mod 30 
 6. die kalendarische Korrekturgröße:                    R(D,A) = D div 29 + (D div 28 − D div 29) (A div 11)
 7. die Ostergrenze:                                    OG(D,R) = 21 + D − R
 8. den ersten Sonntag im März:                         SZ(X,S) = 7 − (X + X div 4 + S) mod 7 
 9. die Entfernung des Ostersonntags von der 
    Ostergrenze (Osterentfernung in Tagen):           OE(OG,SZ) = 7 − (OG − SZ) mod 7 
10. das Datum des Ostersonntags als Märzdatum 
    (32. März = 1. April usw.):                              OS = OG + OE

Der vorstehende Algorithmus gilt für den Gregorianischen Kalender. Für den Julianischen Kalender setzt man M = 15 und S = 0.

Gegenüberstellung Gauß – Lichtenberg

Gegenüber gestellt sind die beiden Voll-Versionen für den Gregorianischen Kalender. Die Variable X ist das Kalender-Jahr.

                                                  Gauß  │  Lichtenberg
───────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────
                                                        │
Gaußsche Zykluszahl        a = X mod 19                 │      A(X) = X mod 19                                    4.
                           b = X mod 4                  │
                           c = X mod 7                  │
                           k = X div 100                │      K(X) = X div 100                                   1.
                           p = (8k + 13) div 25         │
                           q = k div 4                  │ 
Korr.: So- u. Mo-Gleichung M = (15 + k − p − q) mod 30  │
                                                        │     M(K) = 15 + (3K + 3) div 4 − (8K + 13) div 25       2.
Korr.: Sonnengleichung     N = (4 + k − q) mod 7        │
Mondentfernung             d = (19a + M) mod 30         │    D(A,M) = (19A + M) mod 30                            5.
                                                        │      S(K) = 2 − (3K + 3) div 4                          3.
                                                        │    R(D,A) = D div 29 + (D div 28 − D div 29)(A div 11)  6.
                                                        │   OG(D,R) = 21 + D − R                                  7. 
                                                        │   SZ(X,S) = 7 − (X + X div 4 + S) mod 7                 8. 
Osterentfernung            e = (2b + 4c + 6d + N) mod 7 │ OE(OG,SZ) = 7 − (OG − SZ) mod 7                         9. 
Ostersonntag                 = (22 + d + e) ter März    │        OS = (OG + OE) ter März                         10. 
                    Der 32. März ist der 1. April usf.  │        OS = 32 ist der 1. April usw.

Die Gegenüberstellung zeigt, dass die durch Lichtenberg vorgenommene Erweiterung der Gaußschen Formel eine umfangreichere Arbeit war.

Ausnahmen

Rechen-Ergebnisse in Ausnahme-Jahren

    Ausnahme I                │                                 Ausnahme II              │
    im Jahre 1981       Gauß  │  Lichtenberg                    im Jahre 1954      Gauß  │  Lichtenberg
──────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────────
                      a =  5  │  A =  5                                          a = 16  │  A = 16
                      b =  1  │                                                  b =  2  │ 
                      c =  0  │                                                  c =  1  │
                      k = 19  │  K = 19                                          k = 19  │  K = 19 
                      p =  6  │                                                  p =  6  │
                      q =  4  │                                                  q =  4  │
                      M = 24  │                                                  M = 24  │
                              │  M = 24                                                  │  M = 24
                      N =  5  │                                                  N =  5  │ 
                      d = 29  │  D = 29                                          d = 28  │  D = 28
                              │  S =−13                                                  │  S =−13 
                              │  R =  1                                                  │  R =  1
                              │ OG = 49                                                  │ OG = 48
                              │ SZ =  1                                                  │ SZ =  0
                      e =  6  │ OE =  1                                          e =  6  │ OE =  1
Ostern = 57. März = 26. April │ OS = 50. März = 19. April │ Ostern = 6. März = 25. April │ OS = 49. März = 18. April 

Die Vorverschiebung um je eine Woche gemäß Ausnahme-Regelung ist mit der Gaußschen Osterformel nicht, wohl aber mit der von Lichtenberg errechenbar.

Äußerungen von Gauß zu den Ausnahmen

Gauß hat sich vier mal schriftlich über seine Methode der Oster-Bestimmung geäußert, drei mal davon über die Handhabung der Ausnahmen:

  • 1800: I. Gibt die Rechnung Ostern auf den 26. April, so wird hierfür allemahl der 19. April genommen. II. Gibt die Rechnung d = 28, e = 6 und kommt noch die Bedingung hinzu, dass (11M + 11) mod 30 < 19, so fällt Ostern [...] auf den 18.April. [5]
  • 1807: II. [...] nur dann, wenn der erste Rest (Jahr mod19) nicht unter 11 war, [...] [6] Die Ausnahme II ist anders formuliert als 1800, die Auswirkung ist gegenüber der älteren Formulierung aber unverändert.
  • 1811: *) Wenn im gregor[ianischen] Calender die Rechnung Ostern am 26 st. April giebt, setzt man allemal den 19 t. und wenn sie den 25 st. bringt, den 18 t. Jetzt ist die Ausnahme II unzulässig verkürzt dargestellt. Der Herausgeber der Gesammelten Werke hat diesen Fehler in einer Nachbemerkung besprochen. [7]
  • 1816: Gauß gab die wesentliche Korrektur wegen der ursprünglich falsch angenommenen Mondgleichung bekannt, äußerte sich dabei zu den Ausnahmen nicht mehr. [3]

Einzelnachweise

  1. Carl Friedrich Gauß: Berechnung des Osterfestes, Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde, 2, 1800, S. 121–130 [1]
  2. Nikolaus A. Bär: Die Gaußsche Formel zur Berechnung des Osterdatums, Absatz: Der Nachtrag zur Osterformel von C. F. Gauss [2]
  3. a b Carl Friedrich Gauß: Berichtigung zu dem Aufsatze: Berechnung des Osterfestes. Mon. Corr. 1800 Aug. S. 121. Zeitschrift für Astronomie und verwandte Wissenschaften, 1 (Jan./Feb. 1816), S. 158. [3], Nachdruck, S. 201–205, S. 203–204 von P. Tittel
  4. Heiner Lichtenberg: Zur Interpretation der Gaußschen Osterformel und ihrer Ausnahmeregeln. Historia Mathematica 24, 1997, S. 441–444
  5. Carl Friedrich Gauß: Berechnung des Osterfestes, Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde, 2, 1800, S. 129 [4]
  6. Carl Friedrich Gauß: Noch etwas über die Bestimmung des Osterfestes, Braunschweigisches Magazin, Sept. 1807, [5], Nachdruck S. 85
  7. Carl Friedrich Gauß: Eine leichte Methode, den Ostertag zu finden, Asrtronomisches Jahrbuch für das Jahr 1814, Berlin, S. 273, [6], Nachdruck, S. 199–200

Siehe auch

Weblinks


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