Geert Hofstede

Geert Hofstede

Gerard Hendrik Hofstede, bekannt als Geert Hofstede (* 2. Oktober 1928 in Haarlem), ist ein niederländischer Experte für Kulturwissenschaften. Er ist emeritierter Professor für Organisationsanthropologie und Internationales Management an der Universität Maastricht, Niederlande. Sein Forschungsgebiet besteht darin, die Zusammenhänge zwischen nationalen Kulturen und Unternehmenskulturen anhand von Mitarbeitern der IBM zu analysieren.

Inhaltsverzeichnis

Zur Person

Hofstede besuchte zunächst die Technische Hochschule Delft, wo er Ingenieurwesen der Fachrichtung Maschinenbau und Werkzeugkunde studierte und 1953 mit einem Master of Engineering (M.Eng.) abschloss. Von 1953 bis 1955 leistete er seinen Militärdienst. Danach arbeitete er in drei niederländischen Industriefirmen und nahm 1964 nebenberuflich ein weiteres Studium an der Rijksuniversiteit Groningen auf, wo er 1967 in Sozialpsychologie cum laude promovierte (Ph. D.).

Hofstede ist seit 1955 mit Maaike A. van den Hoek verheiratet. Er hat vier Söhne und zehn Enkelkinder.

Kulturdimensionen

Hofstede zeigt, dass man nationale und regionale Kulturgruppen auf der Welt findet und dass diese Kulturgruppen einen wesentlichen Einfluss auf das Verhalten von Unternehmen, deren Organisation und Führung haben.

Er identifizierte sechs Kulturdimensionen[1] in seiner Studie „national influences“ (näher beschrieben im Lemma Interkulturelle Zusammenarbeit):

Machtdistanz (Power Distance Index - PDI)

Der Power Distance Index gibt an, inwieweit weniger mächtige Individuen eine ungleiche Verteilung von Macht akzeptieren und erwarten. Hohe Machtdistanz steht dafür, dass Macht sehr ungleich verteilt ist, geringe Machtdistanz steht dafür, dass Macht gleichmäßiger verteilt ist.

Individualismus und Kollektivismus (IDV)

In Gesellschaften mit einem hohen IDV-Index werden besonders die Rechte des Individuums geschützt: Selbstbestimmung, Ich-Erfahrung und Eigenverantwortung sind wichtig. In einer kollektivistischen Kultur mit niedrigem IDV-Index dominiert dagegen die Integration in jeder Art von Netzwerken. Das Wir-Gefühl ist viel charakteristischer für eine solche Kultur.

Maskulinität versus Femininität (MAS)

Ausprägung der vorherrschenden Werte die bei beiden Geschlechtern etabliert sind. Als feminine Werte zählt Hofstede Fürsorglichkeit, Kooperation und Bescheidenheit auf. Maskuline Werte seien hingegen Konkurrenzbereitschaft und Selbstbewusstsein. Ein hoher MAS-Index weist auf eine Dominanz „typisch männlicher“ Werte, ein niedriger MAS-Index auf eine Dominanz „typisch weiblicher“ Werte. Hierbei zeigte sich bei von 1967 bis 1973 durchgeführten Untersuchungen unter IBM-Mitarbeitern auf empirischer Ebene, dass die Trennung „typisch männlicher“ und „typisch weiblicher“ Werte in jeder der untersuchten (IBM-)Kulturen zu finden war; in „maskulinen“ Gesellschaften waren die Unterschiede jedoch ausgeprägter: Zwar zeigten auch Frauen dort häufiger Konkurrenzbereitschaft, doch auf Männer traf dies in weit stärkerem Maße zu. „Maskulinität“ und „Femininität“ sagt demnach auch viel über die Distanz, das Ausmaß der „Lücke“ zwischen Männern und Frauen und deren Werten aus.

Unsicherheitsvermeidung (Uncertainty Avoidance Index - UAI)

Zentrale Frage: Wie hoch ist die Abneigung gegenüber unvorhergesehenen Situationen?

Dabei entspricht UAI nicht Risikovermeidung!

Kulturen mit einem hohen UAI, die Unsicherheit vermeiden wollen, zeichnen sich durch viele festgeschriebene Gesetze, Richtlinien, Sicherheitsmaßnahmen aus. Die Mitglieder sind emotionaler und nervöser.

Kulturen, die Unsicherheit akzeptieren sind tolerant, haben wenige Regeln, die im Zweifelsfall auch veränderbar sind, und neigen also zu Relativismus. Die Mitglieder sind phlegmatisch und erwarten von ihrer Umwelt nicht, dass sie Gefühle zeigt.

Lang- oder kurzfristige Ausrichtung (Long-Term Orientation - LTO)

Dieser Index, der von Hofstede erst spät eingeführt wurde, gibt an, wie groß der zeitliche Planungshorizont in einer Gesellschaft ist. Die Einführung dieser Dimension in der zweiten Auflage des Buches gründet auf Kooperationen mit chinesischen Forschern und Managern, welche den Einfluss des konfuzianischen Erbes mit seiner langfristigen Orientierung über mehrere (Wieder-)Geburten betonten. In manchen Darstellungen findet sich daher auch die Bezeichnung „Confucian Dynamism“ für diese spezielle Kulturdimension. In Studien außerhalb des asiatischen Raumes kam sie nicht zur empirischen Anwendung.

Werte von Mitgliedern einer Organisation, die langfristig ausgerichtet sind: Sparsamkeit, Beharrlichkeit. Werte von Mitgliedern einer Organisation, die kurzfristig ausgerichtet sind: Flexibilität, Egoismus.

Indulgence vs. Restraint (IVR)

Während Indulgence (d.h. Befriedigung) die Befriedigung von Bedürfnissen und das Spaß haben in das Zentrum stellt, sind Gesellschaften bei denen Restraint (d.h. Einschränkung) wichtig ist vor allem Werte die die Zurückhaltung von ihren Mitgliedern fordern im Zentrum.

Kritik

Als wichtigster Punkt wird von Kritikern aufgeführt, dass die gezogenen Stichproben nicht repräsentativ seien[2]. So wurden in der Originalstudie 1967–1972 Informationen aus einer weltweiten Mitarbeiterbefragung von IBM verwendet. Insofern sei nicht gesichert, dass das herausgearbeitete 4- später 5-Faktoren-System tatsächlich nationale Kulturen misst, sondern vielmehr Unterschiede in der Unternehmenskultur zwischen den Ländern.

Des Weiteren ignoriere Hofstedes Ansatz Unterschiede innerhalb einer Nation. Das Modell behandele eine Nation wie ein homogenes Gebilde von Individuen, die alle dieselbe Wertestruktur teilen. Dies sei in den meisten Fällen nicht korrekt.

Zudem wurde Kritik an der Validität der Items geübt [3]. Hofstede führt keine theoretische Begründung für die Auswahl der Items an. House und andere kritisieren vor allem die fehlende Unterscheidung zwischen Werten und Verhaltensweisen. Dies ist deswegen problematisch, weil Werte und Verhalten negativ miteinander zusammenhängen.

Unterstützer der Theorie und Hofstede selbst lassen die Kritikpunkte hingegen nicht gelten. So wurden die Resultate in den Folgejahren der Untersuchungen in zahlreichen unabhängigen Wiederholungsstudien (davon sechs „große“ Studien) bestätigt. Diese bezogen sich zudem auf unterschiedliche Untergruppen der jeweiligen Bevölkerungen und wiesen dennoch ähnliche nationale Unterschiede auf, die mit den Hofstedschen Dimensionswerten übereinstimmen.

Des Weiteren weist Hofstede ausdrücklich auf die verschiedenen Ebenen von Kultur hin. In den theoretischen Prämissen, die der Darstellung der Untersuchungsergebnisse voran gehen, unterscheidet er verschiedene Ebenen, auf denen sich „Kultur“ entwickelt. Auch nimmt Hofstede selbst mittlerweile Abstand von der Erarbeitung eines Fragenkatalogs, der seinen Ausführungen beigefügt und für weitere Verwendungen seitens der Leser gedacht war. Denn eine der Konsequenzen seiner Forschung und ihrer Ergebnisse (und Ausgangspunkt für Kritik) ist die unreflektierte Aneignung und Übertragung seines „Modells“.

Literatur

  • Hofstede, Geert (1980) Culture's Consequences – International Differences in Work Related Values, Newbury Park, London, Neu Delhi 1980, ISBN 0-8039-1306-0 (hier zunächst nur vier Kulturdimensionen; die Zeitorientierung wurde erst später durch eine Ergänzungsstudie ermittelt und erst in der zweiten Auflage beschrieben)
  • Hofstede, Geert (2001) Culture's Consequences – Comparing Values, Behaviors, Institutions and Organizations Across Nations, 2. Auflage, Thousand Oaks, London, Neu Delhi 2001, ISBN 0-8039-7323-3 (hier wird auch die fünfte Kulturdimension der Zeitorientierung auf den Seiten 351ff. beschrieben)
  • Software of the Mind (1991)
  • Hofstede, Geert (2009): Lokales Denken, globales Handeln. DTV Deutscher Taschenbuch Verlag, 4. durchgesehene Auflage.
  • McSweeney, Brendan (2002) Hofstede's Model of National Cultural Differences and Their Consequences: A Triumph of Faith – A Failure of Analysis, Human Relations, Jg. 55, Heft 1 (Seite 89-119)
  • House, R. J., Wright, N. S., & Aditya, R. N. (1997). Cross-cultural research on organizational leadership: Measurement of Cultural Dimensions. In P. C. Earley & M. Erez (Hrsg.), New Perspectives on International Industrial/Organizational Psychology (S. 571-581). San Francisco: New Lexington Press.
  • Aladin El-Mafaalani: Globaler Handel nach lokaler Art. Kulturspezifisches Vertrauen im Online-Handel mit Endkunden. Marburg 2008, ISBN 9783828897229 (hier werden internationale empirische Studien verglichen, die das Modell von Hofstede zugrunde legten; dabei werden Vorzüge und Probleme des Modells herausgestellt und diskutiert)

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vgl. Geert Hofstede (2010): Cultures and Organizations: Software for the Mind, 3. Auflage. 2010
  2. Brendan McSweeney, (2002) Hofstede's Model of National Cultural Differences and Their Consequences: A Triumph of Faith – A Failure of Analysis, Human Relations, Jg. 55, Heft 1 (Seite 89-119)
  3. House et al., 1997

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