Gerbermühle

Gerbermühle
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Die Gerbermühle, 2008

Die Gerbermühle in Frankfurt am Main, Stadtteil Oberrad, ist ein Gebäude am östlichen Rand der Stadt, direkt am linken Mainufer nahe der im Stadtteil Kaiserlei (Offenbach am Main) gelegenen Staustufe Offenbach und gegenüber dem Frankfurter Osthafen gelegen. Wahrscheinlich um 1520 am Ufer des Weschbach erbaut, diente sie ursprünglich zum Mahlen von Getreide, seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist sie als Gaststätte ein beliebtes Ausflugsziel. Die Gerbermühle steht aufgrund ihrer literaturgeschichtlichen Bedeutung, die sie in Folge der Besuche von Johann Wolfgang von Goethe in den Jahren 1814 und 1815 erlangte, unter Denkmalschutz.

Bildstock von 1519 mit Pietà

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Die als Wassermühle gebaute Gerbermühle gehörte zum Wasserhof, Teil eines Lehnguts, das ursprünglich im Jahr 1311 als „curia sive allodium in villa Roden prope Frankenfurth“ (Hof beziehungsweise Eigentum im Dorf Rad bei Frankfurt) von Philipp von Falkenstein und Philipp von Münzenberg begründet wurde. Im frühen 16. Jahrhundert kam der Besitz durch Erbschaft an Frankfurter Stadtadlige, Nachkommen des Odenwälder Adelsgeschlechts der Strahlenberger, die am Römerberg das Haus Strahlenberg bewohnten, und wurde fortan als „Strahlenberger Hof“ bezeichnet.

Wann der Mühlenbau entstand, ist nicht überliefert, aufgrund von bei Umbauten gefundenen Ziegelsteinen aus den Jahren 1519/20 vermutet man eine Errichtung der Mühle in dieser Zeit. Auch der neben dem Gebäude stehende steinerne Bildstock trägt im Giebel die Jahreszahl 1519. Das Hofgut ging 1601 an das Erzstift Mainz über und 1803 in Besitz der Stadt Frankfurt. Im 17. Jahrhundert diente die Gerbermühle als Farb- und Schleifmühle.

Die Mühle wurde 1688 bis 1723 von Kunigunde von Holzhausen an den aus Lothringen stammenden Gerber Nicolas Coudos verpachtet, der hier sein Gewerbe betrieb. Obwohl das Anwesen nach einem Um- und Ausbau zunächst wieder als Getreidemühle genutzt wurde, blieb der Name Gerbermühle erhalten. Der Lederhändler Johann Georg Dörr errichtete 1760 noch eine zusätzliche Walkmühle. Nachdem der Frankfurter Bankier Johann Jakob von Willemer das Mühlenanwesen 1785 als Sommersitz gepachtet und umgebaut hatte, ruhte bis zu seinem Tode 1836 jede gewerbliche Nutzung. Im Jahre 1843 erhielt der aus Offenbach am Main stammende Bürger Franz Alexius Josseaux die Genehmigung, in der Gerbermühle eine Farbenfabrik einzurichten. 1863 bis 1882 lebte hier die Schriftstellerin Malvina von Humbracht mit ihrer Schwester Elvira. Am Ende des 19. Jahrhunderts fand die Mühle aber keinen Pächter mehr, und die Stadt Frankfurt unternahm zunächst nichts gegen ihren raschen Verfall.

Goethe und Marianne von Willemer

Blick von der Gerbermühle auf Frankfurt. Widmungsblatt von Johann Wolfgang von Goethe

Der mit Willemer befreundete Goethe besuchte die Familie Willemer in der Gerbermühle erstmals am 15. September 1814 und in diesem und dem darauf folgenden Jahr 1815 des Öfteren. In dieser Zeit lernte er Marianne von Willemer kennen, seit 1800 die „Ziehtochter“ des Geschäftsmannes, die dieser 1814 – pikanterweise kurze Zeit nach Goethes ersten Treffen mit Marianne – geehelicht hatte.

Zwischen Goethe, seinerzeit bereits 65 Jahre alt, und der um etwa 35 Jahre jüngeren Marianne entwickelte sich eine innige Beziehung, die auch in kreativer Hinsicht Früchte trug. Dies kam im Buch Suleika, einem Teil des von Goethe 1819 veröffentlichten Werks West-östlicher Diwan schon dadurch zum Ausdruck, dass darin drei Lieder aus der Feder von Marianne stammen: Hochbeglückt in deiner Liebe, Was bedeutet die Bewegung und Ach, um deine feuchten Schwingen. Goethe nahm sie stillschweigend auf, die wahre Urheberschaft wurde erst posthum bekannt.

Goethe feierte in der Gerbermühle während eines Aufenthalts vom 12. August bis 8. September auch seinen 66. Geburtstag. Sein Gedicht Ginkgo biloba verfasste er schon kurz darauf am 27. September (und datierte es, wie heute bekannt ist, auf den 15. des Monats zurück), und schickte es, mit zwei Ginkgo-Blättern verziert, an Marianne von Willemer. Die Originalschrift des Gedichts, das nach dem letzten Treffen der beiden am Heidelberger Schlossberg geschrieben wurde, befindet sich heute im Goethe-Museum Düsseldorf.

Es wird darüber hinaus oft behauptet, dass die Szene Vor dem Tor aus Goethes Werk Faust I mit dem bekannten Schlusssatz „Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“ durch einen Spaziergang vom Sachsenhäuser Mühlberg, wo die Willemers ein Gartenhaus besaßen (das heute „Willemer Häuschen“ genannt wird) zur Gerbermühle nachvollziehbar sei und Goethe um das Jahr 1774 durch dieses Naturerlebnis zu diesen Versen inspiriert wurde; belegt ist dies aber nicht.

Restaurant und Biergarten im Jahr 2010

Die Gerbermühle als Ausflugslokal

Nachdem sie die Mühle mangels Pächter viele Jahre hatte verfallen lassen, sanierte die Stadt Frankfurt sie ab 1904 schließlich doch noch und nutzte sie als Bewirtungsbetrieb mit einem „Goethezimmer“. Seither ist die Gerbermühle wieder ein beliebtes Ausflugsziel.

1930 wurde eine Gedenktafel am Gebäude angebracht, deren Inschrift sowohl auf die ursprüngliche Bestimmung als auch auf denjenigen anspielt, dessen Besuche der Gerbermühle bis heute einen hohen Bekanntheitsgrad verschaffte:

„Die Mühle ruht, das Rad schlief ein,
Sein Name nur geht in dem Haus.
Der jede Stätte ewigte,
Die er betrat: So wardst du sein.“

Frankfurt-Oberrad wurde im Zweiten Weltkrieg 1944 zu 90 Prozent zerstört, und die Gerbermühle, von der nur die Grundmauern übrig geblieben waren, wurde erst in den 70er-Jahren mit nur geringen Mitteln wieder aufgebaut und wieder als Gastwirtschaft betrieben. In der Nähe der Gerbermühle befindet sich heute eine kleine Schiffanlegestelle gleichen Namens, an der Frankfurter Ausflugsschiffe anlegen oder in deren Höhe sie wenden.

Zum 31. Dezember 2001 wurde die mittlerweile baufällige Gerbermühle durch den Eigentümer, den ehemaligen Chef der Henninger-Brauerei, Werner Kindermann, geschlossen. Im Sommer 2005 ging eine provisorische Gartenwirtschaft mit 500 Plätzen in Betrieb. Die umfangreichen Um- und Ausbaumaßnahmen, nach deren Abschluss in der Gerbermühle neben dem großen Biergarten und einem Restaurant auch ein Hotel im gehobenen Landhausstil mit 19 Zimmern eröffnet wird, sind im Juni 2007 abgeschlossen worden.

Die Gerbermühle in historischen Ansichten

Weblinks

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