Bildstock

Bildstock
Bildstock in Sankt Georgen am Längsee (alpenländischer Typ)
Detail einer Marienfigur mit Christuskind-Darstellung in einem Bildstock in Frankfurt am Main

Ein Bildstock, in Österreich und Bayern auch als Marter, Marterl[Anm. 1], Materle, Materla, Wegstock oder Kreuz in der Schweiz als Helgenstöckli bezeichnet, ist ein religiöses Kleindenkmal.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung und Typen

Bildstöcke sind im engeren Sinne Säulen oder Pfeiler, welche von einem Aufsatz mit bildlichen Darstellungen (Malerei oder Relief) oder einer Figur oder Figurengruppe bekrönt werden. Im weiteren Sinne werden darunter auch Lichtsäulen, d. h. ohne bildliche Darstellungen, Breitpfeiler oder Heiligenfiguren auf einem Sockel verstanden. Sie sind aus Holz, Stein oder Mauerwerk gefertigt. Oft werden bei ihnen Blumen gespendet oder Kerzen abgebrannt. Eine andere Bezeichnung für Bildstock ist Betsäule, manche davon haben ein „Kniebänkchen“ und so entstanden die Begriffe Fußfall und Fußfallaltar oder Fußfallstation.

Man kann sie nach folgender Systematik einteilen (es treten zuweilen auch Mischformen auf):[1]

  • Der französische Typ ist die älteste Form, es handelt sich dabei immer um Totenleuchten. Er zeichnet sich durch einen polygonalen (meist achtseitigen) Schaft, ein polygonales mehr- oder gegenseitig geöffnetes Lichtgehäuse sowie einen polygonalen Pyramidenhelm aus. Davon existieren nur mehr sehr wenige Exemplare, z. B. in Köttmannsdorf in Kärnten.
  • Der Tabernakelpfeiler, der die meisten Exemplare aufzuweisen hat und seit dem 14. Jahrhundert auftritt, besteht aus einem Sockel auf dem ein fast immer viereckiger, oftmals abgefaster Schaft aufsetzt. Gotische Tabernakelpfeiler weisen zum Teil einen kunstvoll tordierten Schaft auf. Auf dem Schaft sitzt meist hervorkragend das Tabernakel, welches hohl und an ein oder mehreren Seiten geöffnet sein kann. Diese Tabernakel dienten und dienen zur Aufnahme von Kerzen oder Heiligenfiguren und sind oft figural verziert. Seit der Renaissance treten massive, mit Reliefdarstellungen geschmückte Tabernakel auf. Auf dem Tabernakel sitzt der Helm, welcher verschiedene Formen (Pyramide, Sattelhelm, Zwiebelhelm) annehmen kann, dessen Form je nach Zeitgeist vom Kirchturmbau übernommen wurde. Bekrönt wird der Helm von einem Kreuz, welches ursprünglich meist aus Stein war, seltener aus Metall.
  • Tirol und Kärnten haben einen von der zuvor beschriebenen Form abweichenden Tabernakelpfeilertyp entwickelt, der als alpenländischer Typ bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um etwas massige, gedrungene Tabernakelpfeiler, welche mit einem sehr hohen und großen Spitzdach aus Stroh, Ziegeln oder Schindeln versehen sind. Figurale Darstellungen kommen nicht vor, dafür Malereien, was durch italienischen Einfluss bedingt sein dürfte.
  • In der Renaissance tritt der Breitpfeiler auf, ein breiter gemauerter Pfeiler, der mit einer Ausnehmung auf der Vorderseite zu Aufnahme von Heiligenfiguren oder Bildern versehen ist. Die breiteren Pfeiler nehmen zumalen die Form einer kleinen Kapelle an. Breitpfeiler treten vor allem in der Wachau auf.
  • Der figurale Bildstock tritt vor allem seit der Zeit des Barock in Erscheinung. Der Sockel und Schaft wurde vom Tabernakelbildstock übernommen, das Tabernakel aber durch Freiplastiken von Heiligen ersetzt. Später wurden die Schäfte als barock verzierte Säulen ausgeführt oder die in ihrer Größe gesteigerten Plastiken direkt auf einen niedrigen Sockel gestellt. Sonderformen stellen die barocken Pestsäulen und Mariensäulen dar. Als Figuren kamen Christus, Maria, die heilige Dreifaltigkeit, der heilige Nepomuk oder diverse Schutzpatrone in Frage.

Außerhalb von Österreich treten zusätzlich noch folgende Typen auf:

  • Als Schöpflöffel bezeichnet man insbesondere in der Eifel Tabernakelbildstöcke, die aus einer Säule bestehen, in der sich eine Nische für ein Heiligenbild befindet. Diese Kleindenkmale stammen zum Teil aus dem späten Mittelalter, überwiegend aber aus der frühen Neuzeit. In Thüringen gibt es bei Arnstadt einen über zwei Meter hohen mittelalterlichen Bildstock mit zwei Nischen, der nach einer – allerdings erst bei Ludwig Bechstein fassbaren – Sage als Esslöffel eines Riesen diente (Riesenlöffel).

Geographische Verbreitung

Hauptsächlich zu finden sind diese religiösen Kleindenkmäler in Deutschland in Franken, in den katholischen Landesteilen von Baden, Schwaben, den Alpenländern und den katholischen Gebieten des historischen Eichsfeldes sowie der Oberlausitz. In Österreich findet man Bildstöcke im Alpenraum und in großer Dichte im Weinviertel, Mühlviertel und Waldviertel. Ähnliche Kleindenkmäler existieren auch in Südböhmen und Südmähren sowie in anderen ehemaligen Ländern der Donaumonarchie. Als Zeugnisse deutscher Siedlungsgeschichte im Ofner Bergland bzw. im Pilisch - Gebirge bei Budapest sind zahlreiche Bildstöcke unter anderem in der Gemeinde Sankt Iwan bei Ofen (Pilisszentiván) erhalten geblieben.

Ursprung und Funktion

Die Wurzeln der Bildstöcke reichen zur mittelalterlichen Totenleuchte zurück, welche zur Beleuchtung des Friedhofes im Sinne des Gedenken an die Toten verwendet wurde. Eine weitere ihrer Funktionen ist die Erinnerung an die bzw. das Erlöschen der Pest bzw. wurde die Funktion der Totenleuchte bei den außerhalb der Ortschaften angelegten Pestgräbern übernommen. Andere Bildstöcke sollen an einen Verunglückten oder einen unbeschadet überstandenen Unfall (Votivbild) erinnern, weshalb sie häufig an Straßen und Wegen stehen, etwa häufig an Wegkreuzungen. Man findet sie auch an alten Pilgerwegen, wie der Via Sacra von Wien nach Mariazell. Bildstöcke und Flurkreuze sind außerdem meist in Landkarten (Wanderkarten) verzeichnet und bilden daher wichtige Orientierungspunkte. Bei Straßenverlegungen werden sie oft mit erheblichem Aufwand an den neuen Straßenverlauf verschoben.

Die österreichische/süddeutsche Bezeichnung Marterl leitet sich vom Wort Marter (griechisch: martyros) und übersetzt so viel wie „Blutzeuge“ bedeutet.

Bildergalerie

Literatur

  • Franz Hula: Die Totenleuchten und Bildstöcke Österreichs – ein Einblick in ihren Ursprung, ihr Wesen und ihre stilistische Entwicklung. Poech, Wien 1948. [2]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Bildstock – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Bildstock (RDK, Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte)

Einzelnachweise

  1. Hula: Totenleuchten.
  2. Permalink Österreichischer Bibliothekenverbund.

Anmerkungen

  1. Mar|terl, das; -s, -[n]; vgl. Pickerl (bayr. und österr. für Tafel mit Bild und Inschrift zur Erinnerung an Verunglückte; Pfeiler mit Nische für Kruzifix oder Heiligenbild). – Aus: Duden – Die deutsche Rechtschreibung. 25. Auflage. (CD-ROM-Ausgabe). Mannheim 2009, ISBN 978-3-411-06828-9.
    — Zur weiteren Differenzierung siehe: K. Gruber: Marterl und Taferl. In: Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1888, (Band XIX), S. 129–136. (Online bei ANNO)Vorlage:ANNO/Wartung/oav

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