- Geschwinde, ihr wirbelnden Winde
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Bachkantate Geschwinde, ihr wirbelnden Winde BWV: 201 Anlass: Konzert des Bachischen Collegium musicum
Entstehungsjahr: 1729 Entstehungsort: Leipzig Gattung: Weltliche Kantate Solo: S A T I/II B I/II Chor: S A T I/II B I/II Instr: Trba I-III ; Timp; Fltr I/II; Ob I/II Str.; Bc
AD: ca. 55 min Text Christian Friedrich Henrici Geschwinde, ihr wirbelnden Winde (BWV 201) ist eine weltliche Kantate von Johann Sebastian Bach. Im Autograph trägt sie den Titel Der Streit zwischen Phoebus und Pan.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Die Kantate gehört nicht zu den höfischen Huldigungsmusiken, sondern entstand für die bürgerliche Konzertreihe des Leipziger Collegium musicum, das seit 1729, als Bach die Leitung übernahm, das Bachische hieß und im Zimmermannschen Kaffeehaus konzertierte. Wahrscheinlich komponierte Bach das Werk für das erste Saisoneröffnungskonzert unter seiner Leitung 1729[1].
Thematik
Für diesen Anlass wählte Bach ein programmatisches Thema, für das Christian Friedrich Henrici den Text lieferte. Im mythologischen Gewand eines Musikwettstreits zwischen den Göttern Phoebus-Apollo und Pan wird die Frage nach der „besseren“ Musik behandelt: Ist es eine durch vordergründige Effekte rasch ins Ohr gehende „Popmusik“ oder eine differenzierte Kunstmusik, deren Reiz sich nur dem aufmerksamen und gebildeten Hörer erschließt? Personifikation der ersteren ist der Hirtengott Pan mit seiner Flöte. Für die zweite steht Phoebus mit der Leier. Auf Anraten des Mercurius wird ein Wettmusizieren organisiert, bei dem jeder sich einen eigenen Schiedsrichter wählt: Phoebus den Tmolus, Pan den Midas. Die Streiter tragen ihre Probearien vor, und wie zu erwarten, spricht sich Tmolus für Phoebus, Midas für Pan aus. Nun aber fallen Phoebus, Tmolus und alle Zuschauer einmütig über Midas her, Phoebus verpasst ihm Eselsohren, und selbst Pan fragt: „Ei! warum hast du diesen Streit auf leichte Schultern übernommen?“ Und als Schlussfolgerung verkünden Momus und der Chor:
Momus
- Du guter Midas, geh nun hin
- Und lege dich in deinem Walde nieder,
- Doch tröste dich in deinem Sinn,
- Du hast noch mehr dergleichen Brüder.
- Der Unverstand und Unvernunft
- Will jetzt der Weisheit Nachbar sein,
- Man urteilt in den Tag hinein,
- Und die so tun,
- Gehören all in deine Zunft.
- Ergreife, Phoebus, nun
- Die Leier wieder,
- Es ist nichts Lieblichers
- Als deine Lieder.
Chor
- Labt das Herz, ihr holden Saiten,
- Stimmet Kunst und Anmut an!
- Lasst euch meistern, lasst euch höhnen,
- Sind doch euren süßen Tönen
- Selbst die Götter zugetan.
Biografischer Hintergrund
Mit dieser Handlung, die von der antiken Vorlage stark abweicht, unterstreicht Bach überdeutlich seine eigene Position – natürlich die Option für eine „gelehrte“, aufwändige, aber letztlich der Würde der Tonkunst allein gerecht werdende Musik. Schon zur Entstehungszeit hatte er im amtlich-kirchlichen wie im fachlich-musikalischen Bereich Gegner, die seine Kompositionsweise für zu anspruchsvoll und zugleich für antiquiert hielten. Immer wieder musste er gegenüber Rat und Schule um genügend fähige Kräfte für seine Kirchenmusik kämpfen und sich gleichzeitig gegen die Vertreter des empfindsamen Stils zur Wehr setzen, die ihm öffentlich Künstlichkeit und mangelndes Gefühl vorwarfen.
Gegen Ende seines Lebens spitzte sich dieser Konflikt noch einmal zu, und gleichzeitig fädelte Graf Brühl bereits die Amtsnachfolge seines Protégés Johann Gottlob Harrer ein. So organisierte Bach mit seinen Freunden im Herbst 1749 eine Wiederaufführung der Phoebus-und-Pan-Kantate, bei der er die Schlussworte des Momus – mit gelehrter Anspielung auf zwei römische Negativcharaktere – eigenhändig abwandelte in
Musikalische Mittel
Besetzung
- Gesangsolisten: Sopran (Momus), Alt (Mercurius), Tenor I/II (Tmolus/Midas), Bass I/II (Phoebus/Pan),
- Chor: Sopran, Alt, Tenor I/II, Bass I/II
- Orchester: Trompete, I-III, Pauken, Querflöte I/II, Oboe I/II, Oboe d'amore, Violino I/II, Viola, Basso continuo.
Ausdrucksmittel
Die Kantate hat eine Aufführungsdauer von fast einer Stunde. Hinsichtlich Besetzung und virtuosen Anforderungen bleibt das Werk nicht hinter denen für „offizielle“ Anlässe zurück. Die ausschließlich männlichen Akteure wurden teilweise von älteren Knabensolisten (damals bis zu 17 Jahre alt) verkörpert.
Bach bietet für die Probearie des Phoebus Mit Verlangen drück ich deine zarten Wangen seine ganze Kunst auf und beweist, dass ein vollendetes kontrapunktisches Geflecht (Solist, Streicher, Flöte, Oboe, Basso continuo – keine „Leier“) durchaus tiefstes Gefühl ausdrücken kann. Aber auch an den „populären“ Ton des Pan (Zu Tanze, zu Sprunge, so wackelt das Herz – mit Streichern, ohne Flöte!) wendet er außer Humor höchste Kunst und Sorgfalt – und als Midas sein Urteil abgibt: Pan ist Meister, stimmen die Violinen ein unverkennbares Eselsgeschrei an. In der Tadelarie des Mercurius (Aufgeblasne Hitze) ist die Schellenmütze vokal und instrumental abgebildet. Und vor dem mitreißenden Schlusshymnus des Chores auf die (wahre) Musik lässt die Harmoniewendung des Rezitativs zu Bachs Selbstermutigung (Ergreife, Phoebus, nun die Leier wieder...) kaum einen aufmerksamen Hörer unberührt.
Literatur
- Alfred Dürr: Johann Sebastian Bach: Die Kantaten. Bärenreiter, Kassel 1999, ISBN 3-7618-1476-3
- Werner Neumann: Handbuch der Kantaten J. S. Bachs. 5. Auflage. 1984, ISBN 3-7651-0054-4
- Hans-Joachim Schulze: Die Bach-Kantaten: Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs. Leipzig: Evangelische Verlags-Anstalt; Stuttgart: Carus-Verlag 2006 (Edition Bach-Archiv Leipzig) ISBN 3-374-02390-8 (Evang. Verl.-Anst.), ISBN 3-89948-073-2 (Carus-Verl.)
- Christoph Wolff, Ton Koopman: Die Welt der Bach-Kantaten. J.B. Metzler, Stuttgart/Weimar 2006, ISBN 978-3-476-02127-4
- Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. Fischer, Frankfurt a. M. 2000, ISBN 3-10-092584-X
Anmerkungen
- ↑ Wolff, S. 385
- ↑ In der autographen Partitur finden sich für diese Stelle gleich zwei Textvarianten von Bachs Hand für die 1749er Aufführung. Zunächst hatte er geschrieben: Tobt gleich Hortensius und ein Orbil darwider. Dann wendete er Orbilius durch spielerische Lautumstellung in Birolius, und das klang gefährlich nach der latinisierten Form des Namens Brühl (so Wolff, S. 487).
Weblinks
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