Griechischer Plan

Griechischer Plan

Als Griechischer Plan oder Griechisches Projekt wurde ein am Vorabend des Russisch-Österreichischen Türkenkrieges (1787–1792) im Jahr 1781 oder 1782 von der russischen Zarin Katharina II. gegenüber dem österreich-deutschen Kaiser Joseph II. enthüllter Vorschlag zur Teilung des Osmanischen Reiches bezeichnet. Er wurde 1786 zur Grundlage eines österreichisch-russischen Offensivbündnisses.

Inhaltsverzeichnis

Aufteilung des Osmanischen Reiches

Österreich, das im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg (1736–1739) eine Niederlage gegen die Osmanen erlitten hatte, sich deshalb am Russisch-Osmanischen Krieg (1768–1774) nicht beteiligt und 1772 wegen des russisch-österreichischen Gegensatzes in Polen sogar ein Bündnis mit der Pforte geschlossen hatte, sollte durch umfangreiche Gebietserweiterungen ebenso gewonnen werden wie Venedig, das nach einer Niederlage bereits 1715/18 aus den Türkenkriegen ausgestiegen war.

Nicht nur die 1739 verlorenen Gebiete Bosniens, Serbiens und der Walachei, sondern ganz Bosnien, die Herzegowina, ganz Serbien und Montenegro sowie Albanien sollten an Österreich fallen. Venedig sollte den im Venezianisch-Österreichischen Türkenkrieg 1718 verlorenen Peloponnes sowie die Inseln Kreta und Zypern erhalten.

An Russland sollten eventuell die Moldau und die Walachei sowie die kaukasischen Gebiete und sogar die kleinasiatischen Gebiete (zumindest die nördlichen Teile davon bis einschließlich der Meerengen) des Osmanischen Reiches fallen. Selbst Frankreich, der langjährige Verbündete des Osmanischen Reiches und seit 1740 dessen Haupthandelspartner, sollte durch Überlassung Ägyptens und der Levante gewonnen werden (Frankreich wechselte die Seiten aber nicht und verstärkte stattdessen ab 1781 die osmanischen Grenzfestungen).

Restauration des Griechischen Kaiserreichs

Hauptziel des Plans war die Restauration des 1453 untergegangenen Byzantinischen Reiches als ein selbständiges, aber mit Russland eng verbündetes Kaiserreich unter einem Enkel der Zarin (Konstantin) oder einem anderen Romanow-Prinzen bzw. einer Seitenlinie. Es sollte die übrige europäische Türkei (Bulgarien, Mazedonien, Thrakien und Griechenland, eventuell auch die Moldau und Walachei) und vor allem Konstantinopel umfassen.

Die mäßigen österreichischen Militärerfolge (türkischer Einfall ins Banat und Siebenbürgen, erst 1790 mühsame Eroberung Belgrads), der Kriegseintritt Schwedens (schwedisch-osmanisches Bündnis 1788) und schließlich der unter preußischem Druck erfolgte Kriegsaustritt Österreichs (preußisch-osmanisches Bündnis 1790, Preußen und Österreich rüsteten zudem gleichzeitig zum Krieg gegen das revolutionäre Frankreich) ließen den Plan vorerst scheitern, im Frieden von Jassy gewann Russland 1792 nur Jedisan.

Spätere Adaptionen

Bereits 1739 hatte die damalige Zarin Elisabeth die Eroberung Konstantinopels als „heiliges Kriegsziel“ Russlands formuliert.

Anderthalb Jahrhunderte später griffen Panslawisten dieses Ziel wieder auf. Der bedeutende russische Denker Konstantin Leontjew, ein Schüler Nikolai Danilewskis, hielt ein türkisches Restreich und Kalifat in Südanatolien bzw. zwischen Bursa oder Bagdad auch weiterhin für möglich, wenn Konstantinopel (russisch: Carigrad) erst einmal neue Hauptstadt Russlands geworden sei.

Nach Ausbruch antitürkischer Aufstände in der Herzegowina und in Bulgarien sowie dem dadurch bedingten Serbisch-Osmanischen Krieg einigten sich Österreich-Ungarn und Russland 1876 in der Konvention von Reichstadt erneut auf eine Aufteilung der osmanischen Balkanprovinzen in eine österreichische und eine russische Einflusssphäre. Auch Großbritannien und Deutschland stimmten einer Besetzung Bosniens durch Österreich-Ungarn sowie Bulgariens und Rumäniens durch Russland zu. Beim Treffen von Istanbul und im Budapester Vertrag vereinbarten Österreich-Ungarn und Russland zudem eine meridionale Aufteilung Bulgariens: der westliche Teil sollte österreichisch besetzt und der östliche Teil russisch besetzt werden, um die Einführung der Autonomie zu überwachen.

Im Russisch-Osmanischen Krieg (1877–1878) dann versuchte Russland statt eines restaurierten Griechischen Kaiserreiches zumindest ein Großbulgarisches Königreich zu errichten (König wurde des Zaren Neffe Alexander), das sich bis vor die Tore Konstantinopels erstrecken sollte, während Österreich-Ungarn Bosnien und die Herzegowina besetzte. Der Berliner Kongress verhinderte jedoch ein Großbulgarien, stattdessen wurde ein geteiltes Kleinbulgarien (Fürstentum Bulgarien und autonome Provinz Ostrumelien) geschaffen.

Demgegenüber schlug 1898 der britische Premierminister Salisbury Russland eine Aufteilung der asiatischen Provinzen des Osmanischen Reichs (und sogar Chinas) vor: Russland sollte den nördlichen Teil Kleinasiens, das nördliche Mesopotamien und die Meerengen mit Istanbul als Einflusssphäre erhalten, während Großbritannien Südmesopotamien, Ägypten und Arabien zufallen sollte. Russland lehnte zwar 1898 noch ab, für den nächsten Krieg aber reservierte sich Russland in Zusatzartikeln zum französisch-britischen Sykes-Picot-Abkommen Ansprüche auf Kaukasien, Türkisch-Armenien und die Dardanellen, weitergehende Pläne schlossen auch das Gebiet der Pontos-Griechen und somit eine Landverbindung entlang der Küste der Schwarzmeerregion ein.

Siehe auch

Literatur

  • Edgar Hösch: Das sogenannte „griechische Projekt“ Katharinas II. Ideologie und Wirklichkeit der russischen Orientpolitik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, Neue Folge 12, 1964, S. 168–206.
  • Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 1994

Weblinks


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