Großer Hecht

Großer Hecht
Großer Hecht
Dresdner Straßenbahn Großer Hecht.JPG
Anzahl: 35 Triebwagen
Hersteller: Christoph & Unmack, LHB, LOWA, Sachsenwerk
Baujahr(e): 1929–1954
Ausmusterung: 1973
Länge über Kupplung: 15.500 mm
Höhe: 2.990 mm
Breite: 2.150 mm
Leermasse: 21,0 t
Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h
Stundenleistung: 4×55 kW = 220 kW
Betriebsart: Zweirichtungs-Triebfahrzeug
Sitzplätze: 36
Stehplätze: 75

Der Große Hecht ist ein Straßenbahntyp, der im Dresdner Straßenbahnnetz unterwegs war. Er wurde im September 1930 auf der Tagung des „Verbandes deutscher Verkehrsverwaltungen“ vorgestellt. Mit seinen vielfältigen technischen Neuerungen brach mit diesem Wagen eine neue Epoche im Straßenbahnbau an. Das gut 15 Meter lange Fahrzeug ist an den Enden stark verjüngt, sodass es schon bald seinen geläufigen Namen „Hechtwagen“ erhielt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach dem Ersten Weltkrieg setzte in den USA und in Europa die individuelle Motorisierung ein. In den 1920er Jahren wurden das Auto und der Autobus zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für die Straßenbahnbetriebe, die meist nur einen recht veralteten Fuhrpark vorweisen konnten.

Die Neuentwicklung eines Straßenbahnwagens mit einer hohen Reisegeschwindigkeit, guten Fahreigenschaften, großem Fassungsvermögen, mehr Sicherheit und besserem Fahrkomfort war notwendig.

Ende der 1920er Jahre entwickelten die Dresdner Straßenbahn AG, die Waggonbaufirma Christoph & Unmack in Niesky und das Sachsenwerk Licht- und Kraft AG Niedersedlitz unter der Leitung von Professor Alfred Bockemühl, dem damaligen Direktor der Dresdner Straßenbahn AG, diesen neuen Fahrzeugtyp.

Die Entwicklungskosten des Hechtwagens betrugen wenige tausend Reichsmark, im Gegensatz zu den Entwicklungskosten von über 750.000 US$ für den PCC-Straßenbahnwagen (1932–1936, Vorläufer des T4D). Trotzdem waren die Testergebnisse sehr zufriedenstellend.

Am 23. Dezember 1929 wurde der erste große Hechttriebwagen (Nummer 1701) nach Dresden geliefert. Am 6. Juli 1930 folgte der zweite Wagen. Diese beiden Fahrzeuge wurden auf der Eillinie E15 zwischen Coswig und Hauptbahnhof ausgiebig getestet.

1931 schaffte die Dresdner Straßenbahn AG 22 weitere Große Hechte an; die Triebwagen 1703 bis 1714 baute die Firma Christoph und Unmack in Niesky, während die Triebwagen 1715 bis 1724 in der Waggonfabrik Linke-Hoffmann-Busch in Bautzen hergestellt wurden. In den Jahren 1932 und 1933 wurden insgesamt noch einmal 9 Triebwagen bestellt. Bei den Wagen 1725 bis 1729 lieferte Christoph und Unmack nur die Kastengerippe, und erst die Dresdner Straßenbahn AG baute sie in ihren eigenen Werkstätten fertig. Die Wagen 1730 bis 1733 wurden wieder komplett nach Dresden geliefert. Die komplette technische Ausrüstung kam von der Sachsenwerk Licht- und Kraft AG Niedersedlitz.

Im Zweiten Weltkrieg wurden insgesamt acht Hechtwagen vollständig zerstört. Um trotzdem die Straßenbahnlinie 11 komplett mit diesen Wagen bestücken zu können, fertigte 1953 der VEB Lowa Waggonbau Görlitz zwei weitere Hechttriebwagen. Diese beiden Wagen (1726 und 1727) wurden im Oktober 1954 ausgeliefert.

Technische Merkmale

Schemazeichnung der Bauform eines Hechtwagens aufgrund des vorgegebenen Lichtraumes (grau)

Das vierachsige Drehgestellfahrzeug ist 15.500 mm lang (LüK), 2150 mm breit und 2990 mm hoch. Der Wagenkasten verjüngt sich an den Plattformen auf 560 mm, damit auch in Kurven eine gefahrlose Begegnung mit Gegenfahrzeugen möglich ist. Die Fußbodenhöhe im Wageninnenraum beträgt 700 mm bei Gleitglaslagerung. Nach der späteren Modernisierung erhielten die Wagen eine Rollenlagerung. Die Fußbodenhöhe beträgt bei diesen Triebwagen 760 mm. Das Fahrzeug wiegt im Leerzustand 21 Tonnen und bietet insgesamt 111 Fahrgästen Platz (36 Sitz- und 75 Stehplätze). Einen viel beachteten Fortschritt stellt zweifelsohne die technische Steuerung des Straßenbahnwagens dar.

Um eine hohe Beschleunigung und Geschwindigkeit zu erzielen, besitzt der Hechtwagen vier Halbspannungsmotoren (das sind zwei ständig in Reihe geschaltete Fahrmotore) mit einer Leistung von je 55 kW. Das Kernstück ist der elektromechanisch betriebene Unterflurfahrschalter. Dieses Gerät besitzt einen getrennten Fahr- und Bremsschalter und ist in der Wagenmitte untergebracht. Der 16stufige Fahrschalter wird mittels Drucktasten in der Fahrerkabine über ein elektromagnetisches System angesteuert. Die Schaltgeschwindigkeit regelt ein Stromwächter abhängig von der Belastung selbsttätig. Eine Rückzugfeder wird durch die Drehung der Fahrschaltwalze gespannt, die, wenn das Bremspedal betätigt wird, den Fahrschalter in die 0-Stellung bringt. Der ebenfalls 16stufige Bremsschalter wird über ein Pedal angesteuert, das über ein Gestänge mit dem Gerät verbunden ist.

Das Fahrzeug ist mit drei voneinander unabhängigen Bremssystemen ausgestattet: der elektrischen Kurzschlussbremse, vier Magnetschienenbremsen und einer Feststellbremse, wobei letztere nur manuell bedient werden kann. Die erste Tür wird über einen Kettenzug durch den Fahrer bedient, die hinteren Türen können von den Fahrgästen geöffnet und geschlossen werden.

Um den gesamten Fahrzeugraum effektiv ausnutzen zu können, kann der nicht benötigte Führerstand eingeklappt werden.

Da der Hechtwagen als Drehgestellfahrzeug ausgeführt ist, sind die Fahreigenschaften auf gerader und kurviger Strecke sehr gut. Auf ebener Strecke ist ein vollbesetztes Fahrzeug für eine Maximalgeschwindigkeit von 70 km/h zugelassen. Allerdings wurde vom Fahrpersonal berichtet, dass die Hechte auf der Überlandlinie 15 nach Weinböhla (heutige Linie 4) Geschwindigkeiten von bis zu 120 km/h erreicht haben sollen. Der offizielle Rekord steht bei 98 km/h, gemessen bei Testfahrten auf der Königsbrücker Landstraße. Selbst dieses Tempo reicht bis heute als Geschwindigkeitsweltrekord für Straßenbahnen.

Einsatz

Der Kleine Hecht für weniger frequentierte Linien

Der planmäßige Linieneinsatz der Großen Hechte erfolgte ab dem 20. Oktober 1931 auf den Linien 11 (Hauptbahnhof–Bühlau), 15 (Niedersedlitz–Weinböhla) und teilweise auf der Linie 25 (Trachau–Gruna, später Radebeul West–Leuben).

Bei den Luftangriffen von Februar bis April 1945 wurden 8 große Hechtwagen komplett zerstört (1704, 1710, 1716, 1725, 1727, 1728, 1729, 1730). Der sehr stark zerstörte Wagen 1732 konnte erst 1951 vom VEB Lowa Waggonbau Bautzen wieder aufgebaut werden. Nach einer Umnummerierung im Jahr 1952 endete die Fahrzeugreihe der Großen Hechte vorerst mit der Wagennummer 1725.

Mit den verbliebenen 25 Hechtwagen konnte aber der Fahrzeugbedarf der Linie 11 nicht mehr gedeckt werden. Deshalb begann 1953 im VEB Lowa Waggonbau Görlitz der Nachbau von zwei Großen Hechttriebwagen. Im Oktober 1954 wurden die beiden Triebwagen mit den Nummern 1726 und 1727 nach Dresden übergeben.

Anfang der 1950er Jahre zeigten dann auch die ersten Hechtwagen Verschleißerscheinungen. Die ersten Risse an den tragenden Fahrgestellteilen tauchten auf, so dass in Zusammenarbeit mit dem VEB Waggonbau Görlitz neue Drehgestelle konstruiert wurden. Diese Gestelle wurden an wichtigen Stellen verstärkt und erhielten eine neue Federung. Eingesetzt wurden die Drehgestelle bei der Generalreparatur (1951–1954), bei der die Hechte eine neue Innenbeleuchtung, eine Kleinspannungsanlage und ebenfalls neue Sitzbezüge erhielten. Mit dem Einzug der tschechoslowakischen Tatrawagen ab 1967 wurden die eleganten Hechtwagen allmählich aus dem Linienverkehr verdrängt. Nach über 40 Jahren Dienstzeit hatten die meisten der großen Hechttriebwagen über 3 Millionen Kilometer im Dresdner Streckennetz zurückgelegt.

Heute sind noch das Fahrzeug 1702 im Verkehrsmuseum Dresden und das Fahrzeug 1716 betriebsfähig mit dem Beiwagen 1314 im Straßenbahnmuseum Dresden erhalten. Die Wagen 1701, 1710, 1712, 1719, 1720 und 1722 hatten bis zu ihrem Ende noch die originale Lederbestuhlung.

Weblinks


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